04 / 2002
 
Kärnten: "Es fehlt eine selbstbewusste antinationalistische Allianz"

Zwei prominente Kärntner SlowenInnen lieferten bei einer KORSO-Veranstaltung Hintergrundinformationen zum aktuellen Ortstafelkonflikt.
 
Vida Obid, Diskussionsleiter Christian Stenner und Mirko Messner
 

Das Interesse war groß, der Hörsaal der Abteilung für Südosteuropäische Geschichte bis zum letzten Platz gefüllt: Bei der Veranstaltung "Der neue Kärntner 'Ortstafelkonflikt' – slowenische Gegenstimmen", zu der KORSO gemeinsam mit der Abteilung, dem Klub Slowenischer StudentInnen, dem Artikel-VII-Kulturverein und Promedia geladen hatte, korrigierten Mirko Messner, Geschäftsführer des Interkulturellen Zentrums in Klagenfurt / Celovec, und Vida Obid, Mitarbeiterin des Slowenischen Wissenschaftlichen Institutes, einige verbreitete Meinungen über den Kärntner Nationalitätenkonflikt.

Dreiparteienpakt gegen die Minderheit
Diesen Konflikt gebe es nicht etwa deswegen, weil Kärnten eben ein "Naziland" sei, betonte Messner, die Wurzeln lägen tiefer: "Der wesentlich ältere Deutschnationalismus hat die Strukturen für ein gesellschaftliches Germanisierungsprojekt geschaffen, über das sich alle drei Landtagsparteien einig sind." Der Aufstieg Haiders und der Niedergang der Kärntner SP sei das Ergebnis des Dreiparteienpaktes, in der Minderheitenfrage nur gemeinsam vorzugehen, der unter dem Eindruck des ersten Ortstafelstreits in den siebziger Jahren geschlossen wurde.

Bevölkerung weiter als Parteien
Inzwischen habe sich die Einstellung der Kärntner Bevölkerung allerdings weiter entwickelt als die Positionen der drei Parteien, ergänzte Obid: "Die zweisprachigen Kindergärten sind zurzeit übervoll, weil auch immer mehr deutschsprachige Eltern wollen, dass ihre Kinder Slowenisch lernen." Um die Finanzierung der Kindergärten stehe es aber – entgegen anders lautenden Behauptungen der Kärntner Landesregierung – nicht rosig: "Wir haben bis heute kein Geld bekommen." Auch an diesem Beispiel sei erkennbar: Die Volksgruppe sei "privatisiert", weil ihre Erhaltung nie öffentliches, sondern immer "Privatanliegen" gewesen sei. Die Tatsache, dass die den Kindergärten zustehenden Mittel noch immer nicht ausbezahlt wurden, sei auch ein Beweis dafür, dass die positive Reaktion der beiden historischen Organisationen der Kärntner SlowenInnen – des "Zentralverbands" und des "Rates" – auf die Charmeoffensive des Landeshauptmannes voreilig gewesen sei. "Man hat sich seit den 80er Jahren während der Vranitzky- und der Klima-Ära nicht mehr um sie gekümmert – da fühlten sie sich durch Haider endlich wieder ernst genommen." Die Organisationsformen der slowenischen Verbände, die "nach dem Gefolgschaftsprinzip" funktionierten, seien "absolut antiquiert", in der aktuellen schwierigen Situation sei es aber wenig opportun, die bestehenden Strukturen zu gefährden.

Hoffnung: Zivilgesellschaft und EU
Die Frage nach den Perspektiven der Volksgruppe unter den aktuellen Rahmenbedingungen wurde von beiden ReferentInnen optimistisch beantwortet: Zum einen sei mit der Initiative "Pro Kärnten / Za Koroska" eine neue zivilgesellschaftliche Struktur im Entstehen, die sich um ein positives Bild der multikulturellen Situation Kärntens bemüht, zum anderen werde der EU-Beitritt Sloweniens einen positiven Effekt haben. Aber, so Messner: "Was noch immer fehlt, ist eine selbstbewusste antinationalistische Allianz."


 
APRIL-AUSGABE
GLOBAL CORNER