"Bewusstsein
für die Herstellungsbedingungen schaffen"
Klaus Werner, einer der beiden Autoren
des Bestsellers „Schwarzbuch Markenfirmen“, weilte kürzlich
anlässlich einer Veranstaltung des Vereins ISOP in Graz.
Für KORSO sprach Christian Stenner mit Werner über die Aktivitäten
der Multis in den Ländern der so genannten dritten Welt.
Sind es allein die Markenfirmen, die schuld sind an den negativen
Auswirkungen von Neoliberalismus und Globalisierung?
Nicht die Markenfirmen allein sind die Verursacher
des Elends der Welt, aber sie haben durch ihren Status als Marktführer
einen gewissen Einfluss auf Entwicklungen. Die meisten von ihnen
arbeiten mit Images und stellen sich als ökologisch, gerecht etc.
dar. Das ist der Punkt, an dem wir einhaken. Wir hinterfragen, ob
diese Behauptungen der Realität entsprechen.
In Reaktionen auf das Buch „Schwarzbuch Markenfirmen“ wurde
genau dieser Aspekt herausgegriffen: Marketingstrategen sehen
die darin enthaltenen Beispiele als Anschauungsmaterial dafür,
wie wichtig das Image für ein Unternehmen ist. Besteht nicht die
Gefahr, dass, als Reaktion, noch mehr zur Imageverbesserung getan
wird statt dass die Produktionsbedingungen geändert werden?
Dem kann man nur durch Aufklärung der KonsumentInnen
entgegenwirken. KonsumentInnen sind heute schon relativ qualitätsbewusst,
es gilt, auch ein Bewusstsein für die Herstellungsbedingungen zu
etablieren, dann wird es schwieriger für die Marken, Images zu erzeugen,
hinter denen nichts steckt. Eine unserer Forderungen ist deshalb,
dass man soziale Mindeststandards etabliert und unabhängige Gewerkschaften
oder NGOs deren Einhaltung kontrollieren lässt. Außerdem fordern
wir ein Mitbestimmungsrecht der Betroffenen.
Meistens herrschen nicht in den Firmen selbst, sondern bei
den weit verstreuten Zulieferbetrieben schlechte Produktionsbedingungen.
Wie genau lassen sich diese Betriebe kontrollieren, v.a. in Ländern,
wo es keine Gewerkschaftsbewegung gibt?
Das ist die Bringschuld der Unternehmen. Ein Unternehmen,
das in einem Kriegsgebiet oder einer Diktatur wirtschaftet, muss
offen legen, wer die Zulieferbetriebe sind und unter welchen Bedingungen
die Menschen dort arbeiten.
Das Buch „Schwarzbuch Markenfirmen“ kritisiert zu Recht die
Bedingungen, unter welchen Menschen in den Ländern der dritten
Welt für den reichen Norden arbeiten müssen; zur noch schreienderen
Ungerechtigkeit des Reichtumstransfers von den Ländern der so
genannten dritten Welt in die Industriestaaten, der durch den
ungleichen Tausch verursacht wird, äußert es sich nicht.
Ich komme gerade aus dem Kongo, einem der rohstoffreichsten
Länder der Welt, mit einer der ärmsten Bevölkerungen. Ich möchte,
dass die kongolesische Bevölkerung vom Verkauf dieser Rohstoffe
profitiert. Die Firma Baier braucht für die Herstellung ihrer Mobiltelefone
Tantalium, das eine ihrer Tochterfirmen im Kongo verarbeitet. Baier
muss dafür sorgen, dass das Geld, das sie ihrer Tochterfirma zahlt,
für den Bau von Strassen, Spitälern, Schulen etc. verwendet wird
und nicht für die Bereicherung von Eliten und zum Waffenkauf wie
jetzt.
Verhindern nicht gerade die derzeit herrschenden wirtschaftlichen
Bedingungen – Stichwort Standortkonkurrenz – Mindeststandards
?
Für den Zwischenhändler oder die Firma Baier sinken
natürlich die Profitmargen, wenn es für die ArbeiterInnen im Kongo
Mindeststandards gibt. Unter Umständen führt eine faire Behandlung
der Betroffenen auch dazu, dass Produkte zu realistischen Preisen
gehandelt werden und die KonsumentInnen sich vielleicht überlegen,
ob z.B. ein Mobiltelefon nicht ein Produkt ist, dass vier Jahre
hält und nicht nach einem halben Jahr weggeschmissen werden muss.
Philips Lebring sperrt gerade zu, zum einen, weil die Fristen
für die Rückzahlung von Förderungsgeldern abgelaufen sind, zweitens,
weil in Billiglohnländern günstiger produziert werden kann. Ist
es nicht unrealistisch, dass ein Entwicklungsland soziale Standards
anheben kann, wenn die Firmen schon aus Österreich weggehen, sobald
sie keine Fördergelder mehr bekommen?
Bei uns hat die Industrialisierung zu sozialen Mindeststandards
und einer einigermaßen gerechten Gesellschaft geführt. In einem
Entwicklungsland mit niedrigerem Lohnniveau österreichische Löhne
zu zahlen, wäre nicht sinnvoll. Damit würde eine ungerechte Gesellschaft
erzeugt. Wenn in Thailand soziale Standards angehoben werden, gehen
die Multis nach Indonesien. Als westlicher Konsument kann ich aber
den gesamten Multi kritisieren und fordern, dass überall soziale
Standards eingeführt werden.
Wie haben die betroffenen Firmen auf das Buch reagiert?
Die häufigste Strategie war das Schweigen, es gibt
aber vier Firmen, die den Kontakt mit uns gesucht haben. Darunter
eine Lebensmittelfirma, die ich mit Transfair zusammenbringen möchte,
sodass sie zumindest einen Teil ihrer Produkte aus dem fairen Handel
anbietet.
Klaus Werner/Hans Weiss: Schwarzbuch Markenfirmen.
Die Machenschaften der Weltkonzerne. Deuticke, Wien 2001.
|