05/2002
 

"Bewusstsein für die Herstellungsbedingungen schaffen"

Klaus Werner, einer der beiden Autoren des Bestsellers „Schwarzbuch Markenfirmen“, weilte kürzlich anlässlich einer Veranstaltung des Vereins ISOP in Graz. Für KORSO sprach Christian Stenner mit Werner über die Aktivitäten der Multis in den Ländern der so genannten dritten Welt.

Sind es allein die Markenfirmen, die schuld sind an den negativen Auswirkungen von Neoliberalismus und Globalisierung?

Nicht die Markenfirmen allein sind die Verursacher des Elends der Welt, aber sie haben durch ihren Status als Marktführer einen gewissen Einfluss auf Entwicklungen. Die meisten von ihnen arbeiten mit Images und stellen sich als ökologisch, gerecht etc. dar. Das ist der Punkt, an dem wir einhaken. Wir hinterfragen, ob diese Behauptungen der Realität entsprechen.

In Reaktionen auf das Buch „Schwarzbuch Markenfirmen“ wurde genau dieser Aspekt herausgegriffen: Marketingstrategen sehen die darin enthaltenen Beispiele als Anschauungsmaterial dafür, wie wichtig das Image für ein Unternehmen ist. Besteht nicht die Gefahr, dass, als Reaktion, noch mehr zur Imageverbesserung getan wird statt dass die Produktionsbedingungen geändert werden?

Dem kann man nur durch Aufklärung der KonsumentInnen entgegenwirken. KonsumentInnen sind heute schon relativ qualitätsbewusst, es gilt, auch ein Bewusstsein für die Herstellungsbedingungen zu etablieren, dann wird es schwieriger für die Marken, Images zu erzeugen, hinter denen nichts steckt. Eine unserer Forderungen ist deshalb, dass man soziale Mindeststandards etabliert und unabhängige Gewerkschaften oder NGOs deren Einhaltung kontrollieren lässt. Außerdem fordern wir ein Mitbestimmungsrecht der Betroffenen.

Meistens herrschen nicht in den Firmen selbst, sondern bei den weit verstreuten Zulieferbetrieben schlechte Produktionsbedingungen. Wie genau lassen sich diese Betriebe kontrollieren, v.a. in Ländern, wo es keine Gewerkschaftsbewegung gibt?

Das ist die Bringschuld der Unternehmen. Ein Unternehmen, das in einem Kriegsgebiet oder einer Diktatur wirtschaftet, muss offen legen, wer die Zulieferbetriebe sind und unter welchen Bedingungen die Menschen dort arbeiten.

Das Buch „Schwarzbuch Markenfirmen“ kritisiert zu Recht die Bedingungen, unter welchen Menschen in den Ländern der dritten Welt für den reichen Norden arbeiten müssen; zur noch schreienderen Ungerechtigkeit des Reichtumstransfers von den Ländern der so genannten dritten Welt in die Industriestaaten, der durch den ungleichen Tausch verursacht wird, äußert es sich nicht.

Ich komme gerade aus dem Kongo, einem der rohstoffreichsten Länder der Welt, mit einer der ärmsten Bevölkerungen. Ich möchte, dass die kongolesische Bevölkerung vom Verkauf dieser Rohstoffe profitiert. Die Firma Baier braucht für die Herstellung ihrer Mobiltelefone Tantalium, das eine ihrer Tochterfirmen im Kongo verarbeitet. Baier muss dafür sorgen, dass das Geld, das sie ihrer Tochterfirma zahlt, für den Bau von Strassen, Spitälern, Schulen etc. verwendet wird und nicht für die Bereicherung von Eliten und zum Waffenkauf wie jetzt.

Verhindern nicht gerade die derzeit herrschenden wirtschaftlichen Bedingungen – Stichwort Standortkonkurrenz – Mindeststandards ?

Für den Zwischenhändler oder die Firma Baier sinken natürlich die Profitmargen, wenn es für die ArbeiterInnen im Kongo Mindeststandards gibt. Unter Umständen führt eine faire Behandlung der Betroffenen auch dazu, dass Produkte zu realistischen Preisen gehandelt werden und die KonsumentInnen sich vielleicht überlegen, ob z.B. ein Mobiltelefon nicht ein Produkt ist, dass vier Jahre hält und nicht nach einem halben Jahr weggeschmissen werden muss.

Philips Lebring sperrt gerade zu, zum einen, weil die Fristen für die Rückzahlung von Förderungsgeldern abgelaufen sind, zweitens, weil in Billiglohnländern günstiger produziert werden kann. Ist es nicht unrealistisch, dass ein Entwicklungsland soziale Standards anheben kann, wenn die Firmen schon aus Österreich weggehen, sobald sie keine Fördergelder mehr bekommen?

Bei uns hat die Industrialisierung zu sozialen Mindeststandards und einer einigermaßen gerechten Gesellschaft geführt. In einem Entwicklungsland mit niedrigerem Lohnniveau österreichische Löhne zu zahlen, wäre nicht sinnvoll. Damit würde eine ungerechte Gesellschaft erzeugt. Wenn in Thailand soziale Standards angehoben werden, gehen die Multis nach Indonesien. Als westlicher Konsument kann ich aber den gesamten Multi kritisieren und fordern, dass überall soziale Standards eingeführt werden.

Wie haben die betroffenen Firmen auf das Buch reagiert?

Die häufigste Strategie war das Schweigen, es gibt aber vier Firmen, die den Kontakt mit uns gesucht haben. Darunter eine Lebensmittelfirma, die ich mit Transfair zusammenbringen möchte, sodass sie zumindest einen Teil ihrer Produkte aus dem fairen Handel anbietet.

Klaus Werner/Hans Weiss: Schwarzbuch Markenfirmen. Die Machenschaften der Weltkonzerne. Deuticke, Wien 2001.

 

 
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