korso Global Corner
Das Informationsmagazin 
der Steiermark
 
12/2005
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    „Wir wollen nicht, dass unsere Kinder diese Gewalt verinnerlichen“


Mit Maha Nassar, Vorsitzende der Frauen-Basisorganisation Union of Palestinian Women‘s Committees (UPWC), sprach KORSO anlässlich einer Vortragsreise von Frau Nassar durch Europa.

Die Union of Palestinian Women’s Committees arbeitet als Frauenorganisation in einem besetzten Land …

Die Vereinigung palästinensischer Frauenkomitees ist eine Frauenorganisation mit Graswurzelcharakter. Dadurch unterscheiden wir uns grundlegend von karitativen Einrichtungen, aber auch von den bürokratischen Institutionen. Unserer Meinung nach reicht es für eine Frauenorganisation nicht aus, Hilfslieferungen zu verteilen. Uns geht es in erster Linie darum, das Bewusstsein der Frauen zu stärken und damit jene Voraussetzungen zu schaffen, die es ihnen ermöglichen, in der nationalen und der sozialen Frage eine aktive Rolle einzunehmen.

Maha Nassar, Union of Palestinian Women‘s Committees: Der Bau der Mauer durch Israel ist eine Apartheid-Maßnahme

Die UPWC betreibt ein vielseitiges Bewusstseinsbildungsprogramm. Wir organisieren Kurse zu Genderfragen, Recht, Kommunikation, Konfliktmanagement und Journalismus. Kurse für Büroorganisation, Informatik etc. sollen es unseren Frauen erleichtern, Arbeit zu finden. In der UPWC organisierte Frauen betreiben Landwirtschafts- und Handwerkskooperativen, die zum einen die Unabhängigkeit der einzelnen Frau, gleichzeitig aber auch die nationale Unabhängigkeit fördern sollen. Allein im Westjordanland umfasst die UPWC 99 Frauenkomitees. Im Gazastreifen haben wir beinahe 30 Komitees, die sehr stark nach außen auftreten.

Unser Ziel ist es, den Frauen Räume zu schaffen, wo sie selbst aktiv werden können. Gleichzeitig sollen sie ihre Kinder an einem sicheren Ort wissen. Daher betreiben wir 26 Kindergärten in den am stärksten benachteiligten Dörfern. Wir wollen unseren Kindern dort eine offene Grundhaltung und demokratische Werte vermitteln. Am Nachmittag werden die Kindergärten als Versammlungsort der Frauengruppen genutzt.

Sie sind Pädagogin von Beruf, die UPWC ist auch sehr stark im pädagogischen Bereich tätig.

Ja, wir bilden selbst Pädagoginnen aus. Sechsundvierzig von ihnen arbeiten in Einrichtungen der UPWC. Unser Programm für Hochschulbildung ermöglicht 46 Frauen das Studium. Wir begreifen das als eine ganz direkte Investition in die Zukunft der Frauenbewegung.
Unser Engagement in der Vorschulerziehung bedeutet für uns, den Grundstein für eine gerechte Gesellschaft in der Zukunft zu legen. Unsere Kinder sind jeden Tag der Gewalt der Besatzung ausgesetzt. Sie begegnet ihnen nicht nur auf der Straße, sie folgt ihnen sogar bis in die Schulen und nach Hause. Wir wollen nicht, dass unsere Kinder diese Gewalt verinnerlichen.

In den europäischen Medien ist das Bild Steine werfender Kinder und Jugendlichen geradezu zum Symbol der Intifada geworden.

Die Medien zeichnen von uns PalästinenserInnen ein Bild, das nichts mit der Realität zu tun hat. Kaum jemand war es ein Zeile wert, als ein Mädchen während des Unterrichts auf seiner Schulbank erschossen wurde. Welche Gefahr hat sie für Israel dargestellt ? Ein dreizehnjähriges Mädchen wurde auf ihrem Schulweg von einem Scharfschützen erschossen. Man fand sie mit zwölf Kugeln im Körper …
In den Medien fehlen diese Berichte aus einem ganz einfachen Grund. Sie folgen der politischen Logik Israels. Ihr zufolge sind nämlich auch unsere Kinder Terroristen. Es wurde sogar behauptet, wir würden sie nur dazu auf die Welt bringen. Eine derartige Behauptung überhaupt aufzustellen finde ich an sich schon rassistisch.

Die Berichterstattung über Palästinenser beschränkt sich auf Selbstmordanschläge und die Korruption innerhalb der Autonomiebehörde. Aber so viele Aspekte der palästinensischen Realität werden ausgeblendet! Es gibt linke und demokratische Kräfte in Palästina, die demokratische Strukturen innerhalb der Befreiungsbewegung und Konzepte für eine Lösung der Palästinafrage und für die Rückkehr der Flüchtlinge entwickelt haben …

Frau Nassar, sie sind als Vorsitzende der UPWC häufig auf Vortragsreisen in Europa und den USA. Verwundert es sie, wie die Palästinafrage im Westen gesehen wird?

Viele glauben, wir stünden mit Israel in einem Konflikt, in dem sich zwei Völker gegenüberstehen und in dem es um Grenzstreitigkeiten oder ähnliche Fragen gehe. Doch wir haben keinen derartigen Konflikt mit Israel. Wir leisten Widerstand! Israel will uns PalästinenserInnen aus dem Weg haben und uns all unser Land nehmen. Für uns geht es in diesem Widerstand um unser Überleben.

Sie kommen aus Jerusalem, dessen Ostteil 1967 von Israel besetzt und formell annektiert wurde; ein Schritt, der aus völkerrechtlichen Gründen nur von wenigen Staaten anerkannt wurde. Immer wieder wird israelischen Institutionen vorgeworfen, willkürlich Druck auf die palästinensischen BewohnerInnen der Stadt auszuüben um sie zum Abwandern zu zwingen …

Neben der Politik, Siedler vorzuschicken, die PalästinenserInnen ihre Häuser einfach wegnehmen und besetzen, bedient sich Israel im Wesentlichen zweier Methoden: der Mauer und des ökonomischen Drucks.

Die Mauer ist mit Sicherheit das wirkungsvollste Mittel. Sie wird 100.000 PalästinenserInnen aus der Stadt ausschließen. Von den israelischen Behörden werden sie dadurch mit einem Schlag nicht mehr als JerusalemerInnen anerkannt.

Seit Juni 2002 baut Israel eine Mauer in der besetzten Westbank. Der internationale Gerichtshof in Den Haag hat sie am 4. Juli 2004 für völkerrechtswidrig erklärt und fordert Israel auf, sie umgehend abzureißen. Azmi Bishara, einer der wenigen palästinensischen Abgeordneten im israelischen Parlament spricht im Zusammenhang mit der Mauer von „Soziozid“, also der Vernichtung der palästinensischen Gesellschaft. Wie wirkt sich die Mauer konkret auf das Leben im Westjordanland aus?

Die Mauer zerbricht die Einheit der palästinensischen Gesellschaft von innen. Sie schwächt sogar die Beziehungen unter Verwandten, weil es nicht mehr möglich ist, sich zu treffen. Die Mauer beeinflusst alle Lebensbereiche. Heute ziehen es viele, die heiraten wollen, vor, jemand aus der eigenen Stadt zu wählen, weil sonst unglaubliche Schwierigkeiten auf die Familien zukommen. Es ist schon vorgekommen, dass Personen nicht getraut werden konnten, weil etwa die Braut aus den eingemauerten Gebieten auch nach stundenlangem Warten nicht herauskommen konnte und der Geistliche nicht länger gewillt war zu warten.

Israel fährt damit fort, rassistische Trennlinien zu ziehen. Die Mauer ist das beste Beispiel für die Ausgrenzung der PalästinenserInnen. Die „Sicherheit Israels“ ist dabei nur ein Vorwand. Wir haben es mit systematischer Diskriminierung zu tun, vergleichbar mit der Apartheid in Südafrika. Damals wie heute werden Menschen ausgesondert und ausgeschlossen, sie werden in die Schwarzarbeit abgedrängt und auf Schritt und Tritt kontrolliert.

Wie beurteilen Sie die unilaterale Entscheidung Israels, die Siedlungen im Gazastreifen abzubauen und sich mit seinen Truppen an den Rand des Gazastreifens zurückzuziehen?

Der Rückzug aus Gaza wurde unter der Formel „Land für Sicherheit“ abgewickelt; das heißt: Rückgabe von Land an die PalästinenserInnen im Gegenzug für Sicherheit für Israel.

Dazu ist zu allererst zu sagen: Dieses Land gehört ihnen nicht! Die Gaza-Siedlungen haben Israel schon seit geraumer Zeit große Sorgen bereitet. Die PalästinenserInnen im Gazastreifen leben weit unter der Armutsgrenze. Sie widersetzen sich der Besatzung, wie es nur Menschen tun können, die nichts mehr zu verlieren haben. Die Bewachung der Gazasiedlungen verursachte astronomisch hohe Kosten. Pro Siedler musste Israel monatlich 30.000$ aufwenden. Aber die Kosten sind nicht der eigentliche Grund für den Rückzug. Israel gibt uns ein Stückchen Land und glaubt, damit alle anderen Siedlungen und die Besetzung des Westjordanlandes legalisieren zu können. Israel hat in der Gazafrage die Initiative ergriffen, um den Mythos des Friedensstifters zu schaffen, der 8000 Siedler opfert, um Frieden mit den PalästinenserInnen zu schaffen. Ich halte das für sehr gefährlich. Die offizielle palästinensische Vertretung sollte die Augen öffnen und erkennen, was hier vor sich geht.

 

 

  Afrika – Auswege aus der Misere?


Zerrissen von blutigen ethnischen Konflikten, ganze Landstriche entvölkert durch endlose Hungerkatastrophen und Seuchen – die europäischen Medien vermitteln meist ein düsteres und zugleich grob vereinfachtes Bild des Schwarzen Kontinents, das fast ausschließlich von Klischees bestimmt wird. Diese These wird auch vom Afrika-Korrespondenten der „Zeit“ Bartholomäus Grill vertreten, der in Graz aus seinem neuen Buch „Ach Afrika“ las.
Nur selten werden positive Ansätze zur Gestaltung einer demokratischen und humanen Gesellschaftsordnung thematisiert. Eine der raren Gelegenheiten dazu bot sich im Rahmen eines am Afro-Asiatischen Institut abgehaltenen Diskussionsforums „Afrika zwischen Entwicklungshilfe, Selbstkritik und Hoffnung“.

Kontroverse Diskussion mit Emanuel Matondo (li.) und Bartholomäus Grill (re.), moderiert von Mag. Alexis Nshimiyimana (Mitte), Direktor von Radio Afrika International (Wien)

Mehr Abhängigkeit durch Entwicklungshilfe
„Afrika als Medienthema ist fern und oft hoffnungslos“, betonte auch Kamdem Mou Pou à Hom, der Vorsitzende des MigrantInnenbeirates der Stadt Graz, in seinem Eingangsstatement.

Die Unabhängigkeitskriege der Zwischenkriegszeit und seit den fünfziger Jahren haben nicht die ersehnte Freiheit, sondern oft nur neue Formen der Abhängigkeit hervorgebracht, als eine Fortsetzung „der langen Geschichte unter dem Einfluss Europas“.
Die fortdauernde Ausbeutung in allen Lebensbereichen hat es verhindert, dass demokratische Haltungen sich durchsetzen konnten; dagegen floriert nach wie vor die Korruption auf allen Ebenen.

Die umstrittene These von Axelle Kabou, nach der die Afrikaner selbst an ihrem Schicksal schuld trügen, weil sie sich nicht in die Moderne eintreten wollen, wird von Mou Pou à Hom zwiespältig eingeschätzt: „Man darf sich nicht wundern, dass heute fast alle jungen Afrikaner nach Europa gehen wollen.“ Die Perpetuierung des kolonialistischen Bildungssystems hat ihnen die Werte eines idealisierten Europas vermittelt, die dieses noch immer als das Gelobte Land erscheinen lassen. Kein Wunder, denn die Schulen dienten der Heranbildung von Eliten für die Kolonialadministration und haben sich seitdem strukturell nur wenig verändert.

Die Bilanz nach vierzig Jahren Entwicklungshilfe für Afrika fällt negativ aus, denn sie hat nur die Abhängigkeit verstärkt und korrupte Systeme an der Macht gehalten. Wichtiger sei viel mehr die Hilfe zur Ruhe des Kontinents durch weniger Einmischung von außen, plädiert der Kameruner.

Endlich Frieden – durch Waffen oder Diplomatie?
An das Einführungsreferat schloss sich eine spannungsgeladene Disputation zwischen Bartholomäus Grill, der seit vielen Jahren als Korrespondent in Kapstadt lebt, und Emanuel Matondo, der 1998 die angolanische Menschenrechtsinitiative IAADH gegründet hat. Grill weist in seinen Publikationen wiederholt auf die verheerenden Folgen des Sklavenhandels und der Kolonialherrschaft hin, beides Phänomene, die die aktuelle Situation in Afrika noch immer prägen. Dennoch ortet er die Verantwortung für die Misere bei den Afrikanern selbst, bei „den despotischen Präsidenten und plündernden Eliten“.
Ein Lösungsansatz wäre seiner Meinung nach der verstärkte Einsatz von Truppen der Afrikanischen Union (AU), die den Frieden sichern und die demokratische Entwicklung vorantreiben helfen sollen bzw. um Übergriffe und Invasionen durch benachbarte Staaten wie im Falle des Kongo zu verhindern.

Matondo spricht sich vehement gegen den Einsatz von mehr bewaffneten Kräften in Krisenregionen aus: Zum einen besteht die AU großteils nur auf dem Papier – die allermeisten Mitgliedsstaaten stehen unter der Herrschaft von autoritären politischen Systemen, zum anderen könnten die westlichen Staaten über die Drosselung von Geldern bzw. Boykotte viel effektiver Druck auf Regierungen und Warlords ausüben. Dennoch werden keine simplen Modelle ausreichen, um den Kontinent aus der Krise zu führen. Ein wichtiger Schritt wäre es schon, so Matondo, „die lokalen Bedürfnisse in den Dörfern bei der Umsetzung von Hilfsprojekten zu berücksichtigen und von der Arroganz paternalistischer Bevormundung Abschied zu nehmen“.

– js –

 

 

  TU-Projekt hilft Township „Weilers Farm“


In Südafrika werden die Gettos aus der Zeit der Apartheid erst langsam von so genannten „Townships“ abgelöst, aber deren Infrastruktur ist nach wie vor zumeist unzureichend.

Öffentliche Verkehrsmittel fehlen in den Townships weitgehend und damit auch der Zugang zu Ausbildungsmöglichkeiten in den Städten. „Wegen der großen Entfernung zur Stadt ist es besonders schwer, die Lage der Menschen zu verbessern“, wissen Peter Schreibmayer, Eva Grubbauer und Gernot Kupfer vom Institut für Architekturtechnologie. Zusammen mit 22 Studierenden und mit Unterstützung der TU Graz leisten sie einen engagierten Beitrag, um die Not ein wenig zu lindern: In Kooperation mit dem Verein „S2ARCH“ (social sustainable architecture) entwerfen und realisieren die Grazer den Bau eines Kindergartens im Township „Weilers Farm“. Geplant ist ein Bau aus ortsüblichen Materialien, der Raum für rund 45 Kinder bieten soll, und mit einer speziellen Dachkonstruktion, die für ausreichend Schatten sorgt.

Die Studierenden werden ab Feber beim Bau gemeinsam mit Einheimischen fünf Wochen lang vor Ort selbst Hand anlegen, suchen aber noch weitere Sponsoren.

Spenden für „Weilers Farm“ an Erste Bank, BLZ 20111, Konto „S2arch Weilers Farm“, Kontonummer 283 472 729 03
Weitere Informationen unter www.weilersfarm.net

 

 

  Gespräche über fairen Handel


Fair Handeln heißt nicht nur fair kaufen und verkaufen, sondern auch darüber informieren, meinen die BetreiberInnen des Grazer Weltladens in der Mandellstraße 24 in Graz.

Aus diesem Grund wird es ab Jänner 2006 regelmäßige monatliche Gesprächsrunde geben, wo Themen des fairen Handel(n)s, der Entwicklungspolitik und verwandte Themen präsentiert und diskutiert werden.

Den Beginn machen Dr. Annemarie und Dr. Klaus Behmel mit einem Vortrag über Entwicklungshilfeprojekte in Brasilien am 18. Jänner 2006.
Für die Programmerstellung werden Personen, die zu den oben genannten Themenbereichen einen Abend gestalten möchten, ersucht, Kontakt mit dem Weltladen aufzunehmen.

Tel. 0316-848315 | graz.mandellstrasse@weltladen.at