korso Global Corner
Das Informationsmagazin 
der Steiermark
 
12/2003
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  Cross-Border-Leasing: Geldgeschenke aus Amerika? Österreich sei einer der „hottest markets“ für das Cross-Border-Leasing, heißt es in den USA. Österreichische GlobalisierungskritikerInnen können sich für diese Form grenzüberschreitender Steuerakrobatik weniger erwärmen.

 

Wien tat es, Linz tat es, Innsbruck tat es, Graz hat es zumindest überlegt: Die Eigentumsrechte an Straßenbahnen und U-Bahnzügen (Wiener Linien), an Kanal und Abwasserentsorgung (Gemeinde Wien), an Fernwärme und Stromnetz (Linz AG), an Kläranlagen und Kanälen (Innsbruck) wurden für 90 Jahre an US-Investoren übertragen – ob verkauft oder vermietet, daran scheiden sich die Geister. Der ursprüngliche Eigentümer mietet die Anlagen wieder für 26 bis 30 Jahre zurück und hat danach die Möglichkeit, seinen Kanal oder seine Straßenbahnen zu einem zuvor vertraglich vereinbarten Fixpreis zurückzukaufen. Der Investor erlegt den Mietpreis inklusive des vereinbarten Rückkaufspreises bei einer Depotbank; zusätzlich erhält der österreichische Verkäufer/Vermieter einen einmaligen Bonus – den eigentlichen Nettogewinn aus der gesamten Transaktion. Der US-Investor kann die Zahlung als Investition abschreiben und so bis zu 30% des gesamten Transaktionsvolumens als Gewinn verbuchen.

5000 Seiten Kleingedrucktes
„Die undurchschaubaren Veträge, von denen jeder zwischen 3- und 5000 Seiten umfasst, stellen für sich allein genommen ein Risiko dar“, weiß die Salzburger Aktivistin Dr. Elisabeth Moser, die im Verein mit anderen AktivbürgerInnen bis jetzt alle Pläne der Stadtväter der Mozartstadt erfolgreich bekämpft hat, das Salzburger Kanalnetz an einen US-Trust zu verschachern. Ein weiterer zentraler Risikofaktor: „Geht die Depotbank in Konkurs, dann ist das Geld auf Nimmerwiedersehen verschwunden, und der österreichische Vertragspartner kann bei Eintritt der Rückkaufsoption diese nicht mehr wahrnehmen – damit fällt das Eigentum an den Anlagen dem Investor zu.“

Dr. Elisabeth Moser (li, mit Moderatorin GRin Lisa Rücker und Sonja Mittischek, Grüne Akademie): „Einzige Gewinner des Cross-Border-Leasings sind US-Trusts und Banken“

Bei Wertverlust droht Eigentums-Entzug
Moser, die auf Einladung der Grünen Akademie in Graz weilte, zählt eine Reihe weiterer Unwägbarkeiten auf, die beim Abschluss eines Cross-Border-Leasings auf die Kommunen zukommen: Darunter fällt etwa die Verpflichtung, die Anlage zu verkaufen und den Investor mit dem Erlös zu entschädigen, falls sie nicht in ihrem Wert erhalten werden kann, oder die Einräumung der Möglichkeit zum Kauf der Immobilien, auf welchen die Anlage errichtet ist, falls sie der Investor selbst betreiben will.

Auch wenn zu vermuten ist, dass all diese Passi bloß aus steuerrechtlichen Gründen in die Verträge aufgenommen werden und weniger, weil US-Trusts ein brennendes Interesse daran hätten, sich wirklich in den Besitz österreichischer Kanalnetze zu setzen, so werden sie doch bei Vertragsverletzung schlagend. Und eine solche kann rasch eintreten: Etwa dann, wenn die Gemeinde aus finanziellen Gründen nicht mehr in der Lage ist, ihre verleasten Verkehrsbetriebe in vollem Umfang aufrecht zu erhalten – oder weil sie durch Müllvermeidungsmaßnahmen den Durchsatz der verleasten Müllverbrennungsanlage gesenkt und so deren Wert vermindert hat.

Moser: „Der Gegenwert, der für all diese Risken geboten wird, ist minimal – so bekäme Salzburg für sein Kanalnetz gerade mal 8 Mio Euro an ,Barwertvorteil‘. Die Gewinner der Transaktionen sind bloß die US-amerikanischen ,Investoren‘ – die in Wirklichkeit keinen einzigen Cent in die von ihnen erworbenen Anlagen investieren – und die Banken, die nicht nur Provisionen kassieren, sondern auch als Financiers des Deals in den Genuss von Steuer-Abschreibungen kommen.“

Christian Stenner

 

 

 

  Aktuelle OMEGA-Projekte

 

Am Tag der Menschenrechte – dem 10. Dezember – stellt OMEGA - Verein für Opfer von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen – eine Datenbank für Kinderrechte online, die 308 Best-Practice-Modelle aus 36 Ländern versammelt – von Aserbaidschan bis Zypern, von Theaterworkshops, in denen minderjährige Flüchtlinge ihre traumatisierenden Erfahrungen aufarbeiten konnten bis zum psychologischen Training für ExpertInnen, die mit eben diesen kriegstraumatisierten Kindern arbeiten.

Kürzlich hat das von OMEGA betriebene multikulturelle Cateringservice Portobella ein Kochbuch unter dem Titel „Eine Wanderung zwischen kulinarischen Welten“ herausgegeben, das sich in vielem positiv von ähnlichen Produkten unterscheidet: Den Rezepten aus den verschiedenen Ländern sind Bilder jener Frauen vorangestellt, welche die jeweiligen Gerichte in den Band eingebracht haben; in einleitenden Kapiteln werden die LeserInnen über Essgewohnheiten und das Gesundheitswesen in den jeweiligen Ländern informiert. Das Kochbuch ist nicht nur ein nettes Geschenk für Weihnachten, seine Erstellung war für die betroffenen Frauen auch ein wichtiger erster -Schritt zur Integration in die österreichische Gesellschaft. Es kostet 15 Euro und kann unter portobella@omega-graz.at, Tel. (0316) 77 35 54 – 3 bestellt werden.

 

 

 

Europäisches Sozialforum in Paris: „Eine andere Welt ist möglich“ Als eine Stimme für soziale Rechte und gegen den Krieg ist das Europäische Sozialforum nicht mehr zu überhören. Das wurde beim Treffen Mitte November in Paris eindrucksvoll bestätigt.

 

Sie waren nicht zu übersehen
Mit ihren orangefarbenen Namenskärtchen, den Blick auf den Metro-Plan geheftet oder in der 55-seitigen großformatigen Programmzeitschrift schmökernd, beim Flugzettelverteilen oder in Diskussionen vertieft traf man sie in diesen sonnigen November-Tagen fast überall in und um Paris. Die 50.000 – mehrheitlich jugendlichen – TeilnehmerInnen am 2. Treffen des Europäischen Sozialforums hatten die Qual der Wahl: 55 Plenarveranstaltungen, 300 Seminare, Hunderte Workshops und ein reichhaltiges Kulturangebot fanden sich im Programm.

Der thematische Bogen reichte von der Verteidigung der öffentlichen Dienste über das Asylrecht und das Selbstbestimmungsrecht der Völker bis zur Geschlechtergerechtigkeit. Schluss- und Höhepunkt: ein Demonstrationszug mit über 100.000 Beteiligten gegen Neoliberalismus und Krieg durch die Innenstadt.
Paris: Der Widerstand gegen den Neoliberalismus artikulierte sich bei Podiumsdiskussionen – und auf der Straße

Respekt oder Vereinnahmung?
Aus der globalisierungskritischen Bewegung ist ein unübersehbarer Faktor geworden. So haben sich denn auch die rechte Regierung Frankreichs und die Stadt Paris das Großereignis etwas kosten lassen. 1,5 Millionen Euro ließen sie für die Veranstaltungen, die „eine andere Welt“ postulierten, springen. Vom konservativen „Le Figaro“ über die linksliberale „Libération“ bis zur kommunistischen „Humanité“ waren die Zeitungen voll mit Berichten und Interviews zum Europäischen Sozialforum (ESF). In „Le Monde“ gestand gar der konservative Bildungsminister Luc Ferry zu, dass es sich bei den dort gestellten Fragen um „tief gehende und legitime“ handelt.

Will man die Aufmüpfigen mit dieser rhetorischen Vereinnahmung gefügig machen oder steht ernsthafter politischer Wille hinter solchen Aussagen? Zweifel an Zweiterem bringen die sozialen Bewegungen in einer gemeinsamen Abschlusserklärung zum Ausdruck. Dort wird massive Kritik an dem vorliegenden Entwurf für eine Europäische Verfassung geübt, die „den Wirtschaftsliberalismus als offizielle Doktrin der EU in den Verfassungsrang hebt und das Konkurrenzprinzip als Grundlage des europäischen Gemeinschaftsrechts und aller menschlicher Aktivitäten festschreibt“. Ein großer europaweiter Aktionstag am 9. Mai 2004, dem Tag der Ratifizierung der Verfassung, soll mit massiver Unterstützung der europäischen Gewerkschaftsbewegung dem Unmut Ausdruck verleihen.

Größe als Chance und Hindernis
Wird die Bewegung mit zunehmender Größe zu einem Koloss, der nur mehr schwer zu bewegen ist und nicht mehr spontan und flexibel reagiert? Ein Podiumsdiskutant beklagte, dass er vor lauter Vorbereitungsarbeiten für und Reisen zu den einzelnen Treffen kaum mehr zur Basisarbeit vor Ort komme. Das nächste Welttreffen findet bereits im Jänner 04 in Mumbai (Bombay) statt, im Juni gibt es das Österreichische Forum in Linz, im November kommenden Jahres wird das ESF in London stattfinden. Das bindet Kräfte. In Paris waren 3000 Ehrenamtliche beschäftigt – die 1000 DolmetscherInnen nicht eingerechnet.

Dennoch: Die Erfolge der Sozialforen sind unbestritten. Der europaweite Aufschrei gegen den Irakkrieg am 15. Februar 2003 wäre ohne sie in diesem Ausmaß wohl nicht möglich gewesen. So soll es auch am 1. Jahrestag des Kriegsausbruchs, am 20. März 2004, eine weltweite Protestkundgebung geben. Und auch der Kampf um die sozialen Rechte geht weiter. Denn die Menschenrechte sind unteilbar, wie die Abschlusserklärung festhält: „Wir kämpfen dafür, dass Menschenrechte, dass soziale, wirtschaftliche, kulturelle und ökologische Rechte Vorrang haben vor dem Recht auf Konkurrenz, der Profitlogik und der Schuldenabhängigkeit.“

Eva Reithofer-Haidacher

Weltsozialforum:
Das Erste Weltsozialforum findet in Porto Alegre (Brasilien) im Jänner 2001 mit 30.000 TeilnehmerInnen statt. Zwei weitere folgen am selben Ort, das letzte im Jänner 2003 mit über 100.000 TeilnehmerInnen.

Europäisches Sozialforum:
1. Treffen im November 2002 in Florenz mit 60.000 TeilnehmerInnen und einer beeindruckenden Schlusskundgebung mit über einer Million Beteiligten.
2. Treffen in Paris, November 03, nächstes Treffen im November 04 in London.

Österreichisches Sozialforum:
1. Treffen in Hallein Ende Mai 2003, im Juni 2004 findet das 2. Treffen in Linz statt.