korso Global Corner
Das Informationsmagazin 
der Steiermark
 
11/2004
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Drogen im Zeitalter der Globalisierung – Legalize them all! Das Thema Drogen beschäftigt die Gesellschaft seit den 70ern ständig. Allerdings wird meist nur auf verbotene Substanzen wie Kokain und Heroin Bezug genommen: Experten warnen, Medien berichten über Maßnahmen der Exekutive, über Drogentote und dramatische Einzelfälle, die Politik will uns vor Drogen schützen. Dennoch sind sie erhältlich, dennoch werden sie konsumiert.


Auch die Akademie Graz hat sich dieses Themas angenommen – allerdings in einer weitgehend ungewöhnlichen Weise, in dem sie einen Referenten einlud, der seit Jahren als Autor und Publizist mit guten Argumenten gegen die Prohibition, die Illegalisierung bestimmter Substanzen, zu Felde zieht.

Abschied von der Illusion der drogenfreien Gesellschaft
Am 25. Oktober hielt der Hamburger Soziologe und Drogenexperte Günther Amendt in Graz einen Vortrag unter dem Titel „Drogen im Zeitalter der Globalisierung“ – also über politische und ökonomische Aspekte globaler Drogenpolitik. Seine These: Die von den USA diktierte internationale Drogenpolitik steht für eine der gravierendsten Fehlentwicklungen des Globalisierungsprozesses. Diese Fehlentwicklung wäre korrigierbar, eine „Lösung“ des Drogenproblems im Sinne einer Entschärfung ist denkbar, wenn man sich von der Illusion einer drogenfreien Gesellschaft verabschiedet und akzeptiert, dass Drogen Bestandteil der Wirklichkeit sind. Ein Schlüssel zur ‚Lösung‘ des so genannten Drogenproblems ist die Aufhebung der Prohibition und die Legalisierung von Drogen unter „Aufsicht“ des Staates, der das Drogenmonopol übernimmt und für eine defensive Vermarktung von psychoaktiven Substanzen sorgt. Diese These ist nicht neu. Amendt selbst hat seit Mitte der 80er Jahre dazu publiziert und auch andere haben das getan.

Prohibition produziert Schwarzmarkt
Während diejenigen Drogenfachleute aus Therapie und Sozialarbeit, die eine Veränderung der Drogenpolitik fordern, sich mehr auf die individuellen Schäden der Kriminalisierung und dem daraus entstehenden Schwarzmarkt beziehen, geht Amendt darüber hinaus: „Diese Industrie schafft mächtige kriminelle Organisationen, korrumpiert Regierungen auf allen Ebenen, weicht die internationale Sicherheit auf, stimuliert Gewalt und zerstört sowohl internationale Märkte als auch moralische Werte. Dies sind nicht etwa die Konsequenzen des Drogenkonsums per se, sondern einer jahrzehntelangen verfehlten und fruchtlosen Politik des War on drugs.“ Indem die Prohibition vorgibt die Menschheit vor den Folgen des Drogenkonsums zu schützen, produziert sie einen globalen Schwarzmarkt, der gigantische Profite ermöglicht. Daraus finanzieren sich Oligarchien in den Produzentenländern ihren Luxus, Guerilleros, Terroristen und Banden ihre Waffen.

Der Preis: Delinquenz, soziale Desintegration und Verelendung
Dazu kommen die Kosten, die die Repression erfordert. Polizei, Justiz, Militär und Geheimdienste kosten Geld. Ihre Einsätze in den Produzentenländern zerstören die Umwelt, verwüsten das Land. Letztlich entstehen Kosten, die die finanziellen Schäden des Drogenkonsums bei weitem übersteigen. Schaden erleiden auch Recht und Moral: Sowohl der Drogenhandel als auch dessen Bekämpfung führen zum Tod Unbeteiligter, zu Gewalt und Verletzung der Menschenrechte.

Dieses Drama setzt sich in den Folgen für die Drogenkonsumenten fort: schlechter Stoff und mangelnde Hygiene führen zu Krankheit und Tod – nicht etwa durch die Droge selbst, sondern durch HIV und Hepatitis. Die hohen Schwarzmarktpreise zwingen Abhängige zu Beschaffungskriminalität und Prostitution. Konsequenzen sind Delinquenz, soziale Desintegration und Verelendung, die wiederum die Chance auf Heilung deutlich verringern.

Dabei ist die Prohibition – auf Initiative der USA seit 1912 in UN-Konventionen verankert kein absoluter Wert. Wenn die politischen Ziele genehm sind, darf man die auch mit Drogengeldern erreichen. Beispiele dafür gibt es in Kolumbien und vor allem Afghanistan. Die wesentlichste Bedrohung geht nicht von den Drogen aus, sondern von der Prohibition und ihren Konsequenzen. Soweit die sehr differenzierte Analyse von Amendt – sehr gut belegt durch zahlreiche Beispiele und Zitate.

Freigabe unter Aufsicht des Staates
Die Lösung liegt – so der einzig vernünftige Schluss – in der Legalisierung bisher verbotener Substanzen. Voraussetzung dafür – und das scheint mir auch die größte Hürde – ist, sich von der Illusion einer „drogenfreien Gesellschaft“ zu verabschieden. Jeder, der sich mit diesem Thema beschäftigt, weiß, dass diese ohnehin nicht existiert: Alkohol, Nikotin und vor allem Medikamente führen ohnehin zu einer „schrankenlosen Pharmakologisierung des Alltags“. Die Legalisierung würde dafür und für die daraus resultierenden Problemen erst den Blick freimachen.

Plädiert leidenschaftlich für den Abschied von der Illusion einer drogenfreien Gesellschaft: Der Hamburger Drogen-Experte Günter Amendt

Allerdings denkt Amendt nicht daran, Cannabis, Kokain und Opiate dem freien Markt zugänglich zu machen, sondern unterstellt diese – in seinem Vorschlag – der strengen Aufsicht des Staates. Der logische Weg zur Abschaffung der UN-Konventionen, welche die Prohibition festschreiben, wäre die UN. Allerdings ist Amendt skeptisch: Sowohl die USA – die mit der Drogenbekämpfung auch andere Ziele verfolgen – wie auch Profiteure aus den Produzenten- und Händlerländern würden dies zweifellos boykottieren. Die einzige Chance – und der Autor ist auch hier durchaus skeptisch – liegt in einer revolutionären Drogenpolitik der EU. Die Praxis: Cannabis, Kokain und Heroin in höchster Qualität, aus Rohstoffen aus ökologischem Anbau, endgefertigt von europäischen Pharmafirmen (die z.B. Heroin sowohl erfunden als auch früher produziert hatten) werden in staatlichen Abgabestellen in Kleinstmengen zu realistischen Preisen abgegeben. Bei Heroin wäre dies etwa  5,-- pro Gramm (der derzeitige Schwarzmarktpreis für Heroin ungleich schlechterer Qualität liegt zwischen  500,- und 800,-). Diese „Drogerien“ bieten zugleich Hilfestellung und Beratung für die Konsumenten.

Wenn Sie dürften, würden Sie dann Heroin nehmen?
Bestehende Ansätze der Substitutionstherapie und vor allem das Schweizer Projekt zur Heroinabgabe, aber auch der liberale Umgang mit Cannabis wie etwa in den Niederlanden werden hier konsequent weiterentwickelt.

Ja – und wie ist das mit der Sucht? fragte das Publikum. Werden nicht diese Drogen unsere Gesellschaft überschwemmen und unzählige ihrer Mitglieder in die Sklaverei der Abhängigkeit zwingen? Amendts Antwort: „Wenn Sie morgen dürften – würden Sie alle loslaufen und sich Heroin besorgen?“ Und: „Wenn wir über Sucht diskutieren wollen, bleibt es uns nicht erspart, wesentliche Grundelemente unserer Gesellschaft in Frage zu stellen“.

Offen bleibt die Frage, warum diese Thesen – die ja auch von anderen namhaften Autoren immer wieder untermauert werden – nicht breit in den verschiedensten Kreisen diskutiert werden, wenn ohnehin schon so viel über Drogen gesprochen wird. Im Gegenteil – die Prohibition in Frage zu stellen ist ein Tabu. Wer erinnert sich noch an den Vorschlag von Soziallandesrat Kurt Flecker, das Cannabisverbot zu überdenken, und an die Wogen der Entrüstung – auch in der eigenen Partei – die ihm entgegenschlugen. Auch Amendt ist pessimistisch: die Bereitschaft zur Diskussion auf politischer Seite ist geringer geworden. Eher herrscht Zensur – der Vorschlag einer strafrechtlichen Verfolgung von Aussagen, die der „Verharmlosung von Drogen“ dienen, ist in Wahlkämpfen auch schon in Österreich laut geworden. Es geht um Mythen, die Angst erzeugen, die ihrerseits – so Amendt – auch politischen Profit bringt. Dem möchte er eines entgegen setzen: „Die sanfte Gewalt der Vernunft“.

– Manfred Geishofer –

Der Autor des Beitrags ist Geschäftsführer des Vereins b.a.s. (betrifft: abhängigkeit und sucht)