korso Global Corner
Das Informationsmagazin 
der Steiermark
 
sept. 2002
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„Israels Frieden muss ein Frieden für Palästina sein“ Für KORSO sprach Gertrud Muckenhuber mit der palästinensischen Friedensaktivistin Sumaya Farhat-Naser.

 

Sie bedauern den verbreiteten Mangel an Wissen über die Lage des palästinensischen Volkes – worauf ist dieser Ihrer Meinung nach zurückzuführen?

Die palästinensische und die israelische Wahrnehmung der Geschichte ihrer Nationen schließen sich gegenseitig aus und blockieren damit das gegenseitige Verständnis. In israelischen Geschichtsbüchern steht nichts von der gewaltsamen Vertreibung der Palästinenser und der Mythos wird weiter gepflogen, die Juden seien in ein Land ohne Volk gekommen. Verschwiegen wird, dass bisher über 400 palästinensische Dörfer dem Erdboden gleichgemacht wurden und die Zahl der Opfer auf palästinensischer Seite. International fehlt den Palästinensern der Zugang zu den großen Medien, sodass die Berichterstattung selten beide Seiten gleichermaßen berücksichtigt.

Seit dem Scheitern des Friedenprozesses haben auf beiden Seiten die radikalen Kräfte Oberwasser. Wie stark sind die demokratischen Kräfte innerhalb der palästinensischen Führung und welche Entwicklungsmöglichkeiten für Demokratie gibt es?

Demokratische Entwicklung ist nur in einer Demokratie möglich, nicht unter Umständen der Besatzung und der fortschreitenden Einschränkung der Überlebensmöglichkeiten, die jetzige Entwicklung stärkt die radikalen, autoritären Kräfte. Unter diesen Bedingungen kann Arbeit für Frieden, Demokratie und Menschenrechte nicht stattfinden. Das Demonstrationsrecht ist ein demokratisches Recht, und weil Israel eine Demokratie für Israelis ist, können die Israelis auch für den Frieden demonstrieren. Aber unter Besatzung kann Demokratie nicht gedeihen, deshalb dürfen wir nicht demonstrieren, deshalb verlangen Sie nicht von uns, dass wir uns verhalten, als wären wir in einem normalen Staat. Das Zweite ist, wir können uns nicht frei bewegen, unsere Bewegung beschränkt sich darauf, unsere Kranken zu versorgen, unsere Kinder aus der Schule heil nach Hause zu bringen, unsere Toten zu bestatten, unsere Priorität ist nicht zu demonstrieren. Die Friedensgruppen in Israel haben mehr Zeit, sie haben mehr Möglichkeiten, mehr Geld und vor allem, sie können ihre Aktionen der Weltöffentlichkeit präsentieren. Wir haben diese Möglichkeiten und Unterstützungen nicht.

Warum ist unter Barak der Friedensprozess nicht besser voran gekommen?

So einfach war das auch nicht mit Barak. Barak hat nur viel geschickter agiert, er ist der einzige, der zu seiner Zeit keinen Zentimeter zurückgegangen ist vom besetzten Gebiet, er ist gekrönt worden als der König der Siedlungen. Zu den Verhandlungen von Camp David: Man wollte innerhalb von zehn Tagen einen Friedensvertrag erreichen, der alle strittigen Fragen beinhaltete, auch die Jerusalem-Frage. Clinton brauchte den Erfolg. Der Vertragsentwurf beinhaltete zwar den Rückzug vom Gazastreifen, in der Westbank sollten allerdings mehrheitlich die Siedlungen bleiben und entlang des Jordantales eine Sicherheitszone von 12 bis 18 km Breite. Das System der Umgehungsstraßen (die nur für Israelis benutzbar sind) sollte bleiben. Und vor allem Jerusalem: Jerusalem umfasst heute ein Zehntel der Westbank, soviel hat man herausgenommen aus dem Großplan für die besetzten Gebiete und dann gesagt, vom verbleibenden Rest bekommt ihr 95%, d.h. wir hätten nur 66% der besetzten Gebiete zugesprochen erhalten. Grundlage der Verhandlungen war aber die Räumung aller besetzten Gebiete. Aber es hätte dennoch unterschrieben werden können, denn es waren auch gute Ergebnisse erzielt worden, z.B. in Bezug auf das Rückkehrrecht. Arafat ließ zu Hause schon ein Fest vorbereiten, aber dann wurde von Barak noch hinzugefügt, dass damit auf alle weiteren Ansprüche verzichtet werden müsste, und das war unannehmbar.
Bei einer Razzia am 7. August in Beit Lahia im Gazastreifen fesselten israelische Soldaten diesen Mann    und begruben ihn bis zur Brust.

Und Sharon?

In den letzten zwei Jahren hat Israel 600 Menschen verloren und wir über 2000, und wir haben über 50.000 Behinderte und schwer Verletzte, aber das zählt nicht für Sharon und seine Politik. Wichtig für ihn ist ausschließlich mehr Land. Er möchte erreichen, dass aus den 66% nur mehr 41% werden und hat uns angeboten, das als Endlösung zu akzeptieren. Das hieße, dass wir für immer unter der Herrschaft der Israelis leben müssten, denn das wäre kein lebensfähiger Staat. Und das sollten wir Frieden nennen!

Gibt es noch – zumindest innerhalb der Friedensbewegung – die Option eines gemeinsamen Staates?

Das wäre das Schönste, wenn das möglich wäre, ein gemeinsamer Staat, alle Menschen wären gleich, wir schauen nicht hin, ob jemand Jude ist oder Christ oder Moslem. Aber es ist zu spät, und es widerspricht auch dem zionistischen Projekt. Wichtig ist, dass wir diesen Wunsch der Juden nach einem eigenen Staat respektieren, denn er entstand aus den Verfolgungen in den vergangenen Jahrhunderten, aus dem Holocaust. Wenn Menschen sich gefährdet fühlen, glauben sie, der Nationalstaat schützt sie, das war auch in Europa so. Das Schönste wäre, wenn wir keinen Nationalismus hätten, Tatsache ist, dass beide Seiten voll Nationalismus sind. Deshalb: ich respektiere einen jüdischen Staat in den Grenzen von 1967, aber ich kann nie akzeptieren, dass Israel uns keinen lebensfähigen Staat zuerkennt. Die Palästinenser, die in Israel leben und israelische Staatbürger sind, leben unter einem Apartheidsystem, denn die Rechte werden verteilt entsprechend der ethnischen Zugehörigkeit und der Religion, und das seit 54 Jahren. Diese Politik wird gemacht, um die Menschen zu vertreiben. So kann man nicht gemeinsam in einem Staat leben.

Was ist nötig, um einer friedlichen Lösung im Nahen Osten Chancen zu eröffnen?

Europa trägt viel Verantwortung für die Misere, in der sich die Israelis und wir Palästinenser uns heute befinden. Einen eigenen, lebensfähigen Staat können wir nur erreichen, wenn Europa sich engagiert. Und erst wenn wir einen eigenen Staat haben, können wir unsere Demokratie entwickeln, Wahlen abhalten etc. Mein Verständnis von Frieden ist, dass auch die Israelis, sollten sie sich einmal in einer schwachen Situation befinden, vollen Schutz und Sicherheit haben. Mit militärischen Mitteln kann nie Frieden kommen, er muss aus der Einsicht erwachsen, das Frieden die einzige Möglichkeit ist. Israels Frieden muss ein Frieden für Palästina sein, Palästinas Sicherheit ist auch Israels Sicherheit.

Gertrud Muckenhuber

 

Sumaya Farhat-Naser ist Dozentin für Botanik und Ökologie an der Universität Birseit, Mitbegründerin des palästinensisch-israelischen Frauen-Friedensprojektes „Jerusalem Link“ und war von 1997 bis 2001 Leiterin des Jerusalem Center for Women. Sie ist Trägerin des Bruno-Kreisky-Menschenrechtspreises und für den PEN-Preis vorgeschlagen. Farhat-Naser kam auf Einladung der evangelischen Pfarrgemeinde Graz und des Renner-Instituts Anfang September nach Graz. Bei einer Lesung aus ihrem neuesten Buch „Verwurzelt im Land der Olivenbäume“ warb sie um Verständnis für das palästinensische Volk und seine Leidensgeschichte und stellte die Initiative „Safe Motherhood – Safe Childhood“ vor, ein Hilfsprojekt für palästinensische Mütter und Kinder. Zusammen mit den „Frauen ohne Grenzen“ sammelt sie Spenden für die Errichtung einer mobilen Entbindungs- und Notfallsstation in der Region Birseit. Durch die Zerstörung der Infrastruktur und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der BewohnerInnen in den von der israelischen Armee besetzten Gebieten ist die Realisierung dieses Vorhabens eine Überlebensfrage für viele Betroffene.

Spenden werden erbeten auf das Konto der evangelischen Frauenarbeit, Kto.Nr. 7277544, PSK, BLZ 60000, Kennwort „Hebammentaschen“

 

Fair Trade auch im Land

 

Am 11. Juni 2002 beschloss der steirische Landtag, „das öffentliche Beschaffungswesen am Prinzip des Fairen Handels zu orientieren.“ Eine Unterschriftenaktion soll die Umsetzung dieses Beschlusses beschleunigen. Fairer Handel hat das Ziel, die am Weltmarkt benachteiligten Produzenten durch faire Handelsbeziehungen so weit zu unterstützen, dass sie aus eigener Kraft ihre benachteiligte Lebens- und Arbeitssituation verbessern können anstatt auf Almosen der weltwirtschaftlichen Fädenzieher angewiesen zu sein. Immerhin 800.000 Erzeugerfamilien in 45 verschiedenen Ländern bekommen derzeit für ihre Produkte (Kaffee, Tee, Kakao und Orangensaft) einen fairen Preis. Laut dem genannten Landtagsbeschluss müssen nun mindestens 25% jener Produkte, welche über das öffentliche Beschaffungswesen eingekauft werden, den Kriterien des Fairen Handels entsprechen. Um die Realisierung dieses Beschlusses einzufordern, haben neun entwicklungs- und umweltpolitische NGOs, koordiniert vom Welthaus, 3200 Unterschriften gesammelt, die am 2. September Landeshauptmann Waltraud Klasnic überreicht wurden. Der Sorge, dass die Steirische Landesregierung die Umsetzung des Landtagsbeschlusses vom 11. Juni mit zu wenig Engagement verfolgen werde, konnte Klasnic mit wenigen Worten vom Tisch bringen: „ Spätestens im Herbst wird eine Arbeitsgruppe eingerichtet!“ Diese soll die Mindestquote praktisch durchsetzen und eine Sensibilisierung der steirischen Gemeinden für den „Fairen Handel im öffentlichen Beschaffungswesen“ durch Vorbildwirkung des Landes und zielgerichtete Information erreichen.

Claudia Windisch

 

 

  Weltladen neu!

 

Der Weltladen in der Mandellstraße 24 in Graz hat sich verändert. Nach einer Umgestaltung präsentiert sich das Geschäftslokal heller, transparenter und übersichtlicher. Das Weltladen-Team lädt zu einer Tasse feinsten Hochlandkaffee und zum Stöbern im Angebot ein.

Weltladen, Mandellstraße 24, 8010 Graz, Tel. 0316/84 83 15 Öffnungszeiten: Mo – Fr: 09.00–13.00 und 14.30–18.30 Uhr - Sa: 09.00–13.00 Uhr

 

 

Zeitungen lügen! Kopfzeile von Martin Novak

 

Man muss zu Zeitungen und anderen Medien auch nett sein, wenn sie hanebüchenen Unsinn verbreiten, empfehlen Medienberater. Muss man aber gar nicht. Um das zu belegen, braucht man nur nach Amerika zu blicken. Unter der Internet-Adresse www.boycottthepost.org ruft eine Bürgerinitiative zum Abonnement-Boykott der „Washington Post auf“, weil diese systematisch israelfeindlich und propalästinensisch berichte. Diese Behauptung wird mit einer Vielzahl von Beispielen tendenziöser, antiisraelischer Berichte eindrucksvoll untermauert.

Damit ginge diese „Kopfzeile“ vorzeitig und ohne Pointe zu Ende, gäbe es nicht auch die Website www.boycotthepost.com. Eine Initiative namens „Palestine Media Watch“ ruft unter dieser Adresse zu einem Abonnement-Boykott, weil die „Post“ systematisch palästinenserfeindliche, proisraelische Reportagen und Kolumnen veröffentliche. Diese Kritik belegen die palästinensischen Medienbeobachter durch zahlreiche Beispiele vor allem von Anti-Arafat-Berichten. Wer hat nun Recht? Ohne Zweifel beide. Die „Washington Post“, die sich übrigens einen Ombudsmann leistet, der die Berichterstattung des eigenen Blattes zwar nicht wirklich wertfrei, aber doch immerhin regelmäßig und öffentlich reflektiert, gibt „Fehler und Verkürzungen“ auch unumwunden zu. Die Fehler würden aber beide Seiten betreffen und über einen längeren Zeitraum gesehen müsse man von einer durchaus fairen und ausgewogenen Berichterstattung sprechen, argumentiert Ombudsmann Michael Getler. Fazit: Zeitungen – auch renommierte – lügen täglich, aber im Durchschnitt stimmt es dann wieder. Wenn wir schon bei renommierten Zeitungen und Irrtümern sind: Der Österreichkorrespondent für’s Chronikale der Neuen Zürcher Zeitung, Charles Ritterband, ging vor einigen Wochen mit der Grazer „Bürgerwehr“ (die Anführungszeichen stammen aus der NZZ) auf Patrouille. Und ganz nebenbei bestätigt er das mittlerweile gerichtsnotorische Erkenntnis, dass diese Gruppe nicht – wie Kritiker behaupteten – sich einer missbräuchlichen Verwendung des steirischen Wappentiers schuldig gemacht haben: „Auf dem dreieckigen Stoffabzeichen ist ein Fabeltier, eine Art feuerspeiender Drache, mit fürchterlichen Klauen abgebildet …“, schildert Herr Ritterband. Wer es nicht weiß: Auf dem steirischen Landeswappen ist laut Wappengesetz ein Panther abgebildet.

P.S. Aus gegebenem Anlass ersuche ich nicht diese Kolumne, aber „KORSO“ betreffende Reklamationen nicht an mich, sondern an die im Impressum aufgeführte Chefredaktion zu richten. Ich bin hier nur ein Gastkolumnist. Zweckdienliche Hinweise diese Kolumne betreffend richten Sie bitte an kopfzeile@conclusio.at