Wie ist die derzeitige Lage der Orangenbauern Brasiliens?
Im Juni wird in San Paulo eine große Orangenernte erwartet, somit
wird der Preis für die Orangen auf dem Weltmarkt sinken. Über den
fairen Handel bekommen wir aber einen stabilen Preis garantiert,
das sind derzeit 1200 US Dollar pro Tonne plus zusätzlicher FAIRTRADE-Prämie
von weiteren 100 US Dollar pro Tonne. Im Vergleich dazu beträgt
der Weltmarktpreis etwa 880 US Dollar.
Wie sieht das Verhältnis zwischen den kleinen Familienbetrieben
und Großgrundbesitzern aus – besteht hier eine Konkurrenz?
Es gibt keine Verbindung zwischen den Großen und den Kleinen. Den
Großen ist es egal, was die Kleinen machen, solange sie nicht zu
organisiert im Verkauf auftreten.
Gibt es spürbare gesellschaftliche Veränderungen seit der
Machtübernahme durch den linkssozialistischen Präsidenten Lula?
Konkret gibt es für die Kleinbauern keine Veränderungen – nur
Ansätze, wie das „Hungerprogramm“. Über 3 Mio Familien bekamen Geld,
um sich die notwendigsten Lebensmittel zu kaufen. Lula wurde einerseits
von der armen Bevölkerung gewählt, welche die Hoffnung hatte, dass
sich etwas verändert. Er wurde aber auch gewählt, weil er mit den
traditionellen Parteien Koalitionen eingegangen ist. Lula dachte,
dass er alles unter einen Hut bringen und so die Situation verbessern
könne, wobei sich diese Hoffnungen nicht einmal für die in das Hungerprogramm
integrierten Familien erfüllt haben. 112 von 172 Mio Menschen leben
in Elend und Armut. Landesweit liegt die Arbeitslosigkeit bei 20
Prozent, in den großen Städten bei bis zu 50 Prozent.
Wie steht es mit der Umsetzung der Landreform? Steht die
Bewegung der Landlosen weiterhin hinter dem Präsidenten?
Aus meiner Sicht wurde von der besagten Landreform mehr erwartet,
es ist aber nicht wirklich zu Veränderungen gekommen. Es gibt drei
Gruppen, die in Brasilien eine Veränderung möchten: Ein Teil steht
hinter dem Präsidenten und sagt: Wir dürfen ihm nicht in den Rücken
fallen, weil das wieder die traditionellen, konservativen Parteien
stärken würde. Der andere Teil sagt, die PT wurde vom System korrumpiert.
Deshalb sei es notwendig eine ganz neue Partei zu gründen, um eine
wirkliche Opposition zu haben. Die dritte Gruppe, die der sozialen
Bewegungen, sagt: Lula ist unser Partner – wir wollen ihm helfen,
Versprechungen zu erfüllen, die er in seiner Wahlkampagne gemacht
hat. Das Ganze ist ein Machtspiel, denn sowohl die traditionellen
Parteien, mit denen Lula Koalitionen eingegangen ist, als auch wir
üben nun Druck auf ihn aus.
Was hat sich seit der Kooperation mit der Fair-Trade-Organisation
für die Orangenbauern verbessert?
Über den fairen Handel und den stabilen Preis haben die Bauern
mehr Bewusstsein erlangt. Über die Weiterbildungsarbeit war es ihnen
möglich, sich z.B. Gedanken über den biologischen Anbau zu machen.
Der stabile Preis sichert die Existenz der Kleinbauern und -bäuerinnen.
Es ist ihnen erstmals möglich, an die Zukunft zu denken.
CEALNOR, der Dachverband von 17 Kleinbauern-Genossenschaften,
bietet seinen Mitgliedern technische Beratung an und die Möglichkeit,
die Ernte zu fairen Bedingungen zu vermarkten. Die Organisation
setzt sich inzwischen auch für eine stärkere Wahrnehmung der Rechte
von Kindern und Frauen ein und führt Umweltschutzprojekte durch.
Alle Fair-Trade-Orangenbauern bauen Bio-Orangen an!
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