korso Global Corner
Das Informationsmagazin 
der Steiermark
 
06/2004
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Orangenland Brasilien braucht faire Konsumenten Mit einer Jahresproduktion von 19 Mio Tonnen ist Brasilien das wichtigste Orangen-Anbauland der Welt. Durch die Preispolitik der Exportmultis stehen zahlreiche kleinbäuerliche Betriebe vor dem Ruin. Die österreichischen Weltläden forcieren seit Jahren den fairen Handel. Anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Weltladen Graz wurde der Orangenbauer Ederaldo dos Santos Viera nach Graz eingeladen. KORSO-Redakteurin Claudia Windisch sprach mit Ederaldo über die aktuelle Situation vor Ort.


Wie ist die derzeitige Lage der Orangenbauern Brasiliens?

Im Juni wird in San Paulo eine große Orangenernte erwartet, somit wird der Preis für die Orangen auf dem Weltmarkt sinken. Über den fairen Handel bekommen wir aber einen stabilen Preis garantiert, das sind derzeit 1200 US Dollar pro Tonne plus zusätzlicher FAIRTRADE-Prämie von weiteren 100 US Dollar pro Tonne. Im Vergleich dazu beträgt der Weltmarktpreis etwa 880 US Dollar.

Wie sieht das Verhältnis zwischen den kleinen Familienbetrieben und Großgrundbesitzern aus – besteht hier eine Konkurrenz?

Es gibt keine Verbindung zwischen den Großen und den Kleinen. Den Großen ist es egal, was die Kleinen machen, solange sie nicht zu organisiert im Verkauf auftreten.

Gibt es spürbare gesellschaftliche Veränderungen seit der Machtübernahme durch den linkssozialistischen Präsidenten Lula?

Konkret gibt es für die Kleinbauern keine Veränderungen – nur Ansätze, wie das „Hungerprogramm“. Über 3 Mio Familien bekamen Geld, um sich die notwendigsten Lebensmittel zu kaufen. Lula wurde einerseits von der armen Bevölkerung gewählt, welche die Hoffnung hatte, dass sich etwas verändert. Er wurde aber auch gewählt, weil er mit den traditionellen Parteien Koalitionen eingegangen ist. Lula dachte, dass er alles unter einen Hut bringen und so die Situation verbessern könne, wobei sich diese Hoffnungen nicht einmal für die in das Hungerprogramm integrierten Familien erfüllt haben. 112 von 172 Mio Menschen leben in Elend und Armut. Landesweit liegt die Arbeitslosigkeit bei 20 Prozent, in den großen Städten bei bis zu 50 Prozent.

Wie steht es mit der Umsetzung der Landreform? Steht die Bewegung der Landlosen weiterhin hinter dem Präsidenten?

Aus meiner Sicht wurde von der besagten Landreform mehr erwartet, es ist aber nicht wirklich zu Veränderungen gekommen. Es gibt drei Gruppen, die in Brasilien eine Veränderung möchten: Ein Teil steht hinter dem Präsidenten und sagt: Wir dürfen ihm nicht in den Rücken fallen, weil das wieder die traditionellen, konservativen Parteien stärken würde. Der andere Teil sagt, die PT wurde vom System korrumpiert. Deshalb sei es notwendig eine ganz neue Partei zu gründen, um eine wirkliche Opposition zu haben. Die dritte Gruppe, die der sozialen Bewegungen, sagt: Lula ist unser Partner – wir wollen ihm helfen, Versprechungen zu erfüllen, die er in seiner Wahlkampagne gemacht hat. Das Ganze ist ein Machtspiel, denn sowohl die traditionellen Parteien, mit denen Lula Koalitionen eingegangen ist, als auch wir üben nun Druck auf ihn aus.

Was hat sich seit der Kooperation mit der Fair-Trade-Organisation für die Orangenbauern verbessert?

Über den fairen Handel und den stabilen Preis haben die Bauern mehr Bewusstsein erlangt. Über die Weiterbildungsarbeit war es ihnen möglich, sich z.B. Gedanken über den biologischen Anbau zu machen. Der stabile Preis sichert die Existenz der Kleinbauern und -bäuerinnen. Es ist ihnen erstmals möglich, an die Zukunft zu denken.

CEALNOR, der Dachverband von 17 Kleinbauern-Genossenschaften, bietet seinen Mitgliedern technische Beratung an und die Möglichkeit, die Ernte zu fairen Bedingungen zu vermarkten. Die Organisation setzt sich inzwischen auch für eine stärkere Wahrnehmung der Rechte von Kindern und Frauen ein und führt Umweltschutzprojekte durch. Alle Fair-Trade-Orangenbauern bauen Bio-Orangen an!

 

 

„Ich schäme mich, ein Amerikaner zu sein!“
Stephen Gaskin, bald 70-jährige Ikone der amerikanischen Friedens-, Hippie- und Studentenbewegung und erster Träger des Alternativen Nobelpreises, weilte auf Besuch in der Steiermark – mit ihm sprach Dan Funk für KORSO.

< Stephen Gaskin


Der unermüdliche Friedensaktivist der ersten Stunde und Kämpfer für die Erhaltung des liberalen Gedankenguts, das seit der Revolution 1776 die Grundlage der amerikanischen Gesellschaft bildet, sieht dieses jetzt durch „die schlechteste US-Regierung aller Zeiten“ mit Füßen getreten. „Wir haben unser Ansehen in der Welt verspielt, die Freunde in Europa vergrämt und fragen uns ständig, warum sie uns alle hassen“ – dies ist seine nüchterne Bilanz der aktuellen Situation. Nie habe er sich gedacht, dass die Zeit kommen würde, wo er sich für sein Land richtiggehend schämen müsse. Ihm aber mangelnden Patriotismus vorzuwerfen ist fehl am Platz – denn schließlich ist er auch Korea-Kriegsveteran.

G. W. Bush ist „unterdurchschnittlich intelligent“
Die Gründe für Gaskins Befinden liegen in den Entwicklungen der letzten Jahre. Auch wenn die bedauernswerte Rechtswendung bereits mit Ronald Reagan eingeleitet wurde, die Schuld für die katastrophale Situation, in der sich USA jetzt befinden, sei unmittelbar mit einem Namen verbunden – George W. Bush. Zu seiner Person findet Gaskin keine schmeichelhaften Worte: „Unterdurchschnittlich intelligent, weder in Fremdsprachen noch in der eigenen Sprache gewandt, ohne Kenntnisse über andere Kulturen und Länder“. Was aber noch wesentlich gravierender zähle, sei die unselige Allianz von religiösem protestantischen Fundamentalismus und Großkapital der Weltkonzerne, in deren Dienst sich seine Politik stellt. Das einfach gestrickte Denkmuster von Gut und Böse stamme aus den fundamentalistischen Baptistenkreisen und bringe verheerende Konsequenzen mit sich – sowohl innerhalb der USA als auch in den Beziehungen mit dem Ausland. Wie in der McCarthy Ära, als alle Kritiker als Kommunisten denunziert wurden, werden heute Anti-Bush-Aktivisten als Terroristenhelfer gebrandmarkt.

Kein Interesse an tiefer gehenden Analysen
Gaskin fragt sich natürlich, wie eine so rudimentäre Denkweise auf so breite Zustimmung stoßen kann und findet zu den zwei erwähnten Faktoren noch einen Protagonisten – die Massenmedien, die gerade einen gewaltigen Prozess der Medienkonzentration hinter sich gebracht haben. Da im Grunde genommen der Bildungsstandard der amerikanischen Bevölkerung wegen der enormen Kosten einer höheren Ausbildung sehr zu wünschen übrig lasse, sei sie auch leicht manipulierbar.

Angst vor der Stimmenauszählung
Auch die amerikanische Wirtschaftslage trägt zur negativen Bestandsaufnahme bei. Die in die Billiglohnländer ausgelagerten Industrieproduktionsarbeitsplätze werden durch eher schlecht bezahlte Dienstleistungsjobs ersetzt und bewirken eine Verarmung der Bevölkerung. Die ärmeren Schichten könnten sich keine Ausbildung leisten und perpetuieren ihren Status von „working poor“ oder sehen den einzigen Ausweg in einer Karriere beim Militär. Damit spreche er den beschämendsten Teil seiner Analyse an: Anstatt als reiches Land der dritten Welt zu helfen, ihre Nöte zu beseitigen, indem man ihr zur notwendigen Infrastruktur verhelfe, werde sie schamlos ausgebeutet; in letzter Konsequenz würde nun auch Krieg gegen sie geführt.

Angesichts dieser düsteren Lage sieht Stephen Gaskin seine Aufgabe darin, der Welt das andere Amerika zu zeigen – das liberale, friedliebende und solidarische Gesicht der Weltmacht, das er und viele andere Denker, Künstler und Aktivisten verkörpern. Einen berechtigten Anlass zur Hoffnung gibt ihm, dem grünen Präsidentschaftskandidaten 2000, die chancenreiche Kandidatur von J. F. Kerry. Gaskins größte Sorge gilt dabei der Frage, ob diesmal Fairness bei der Auszählung der Stimmen walten wird – eine für die erste Demokratie der Welt eher bestürzende Befürchtung.