korso Global Corner
Das Informationsmagazin 
der Steiermark
 
04/2004
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  Bei den neuen EU-Bürgern von Hostice Unterstützt von der Vinzi-Gemeinschaft fuhr KORSO-Redakteurin Claudia Windisch mit dem Wiener Fotografen Hugo Daxbacher Anfang März mit einer Hilfslieferung für Romakinder in die Slowakei – wenige Tage nach den unter Einsatz von Militär niedergeschlagenen „Roma-Unruhen“, die in der Folge von Kürzungen der Sozialhilfe ausgebrochen waren.


Am Weg zum ersten Fahrziel, dem Roma-Getto in Detva, stößt Erik Palus, slowakischer Dolmetschstudent aus Bratislava, zu uns. Er klärt uns über die sozialen Hintergründe der „Unruhen“ auf: „Inoffiziellen Schätzungen zufolge leben ca. 500.000 Roma auf slowakischem Boden, mindestens 90% davon sind arbeitslos. Die Sozialhilfe, welche schon bisher kaum zum Leben reichte, wurde mit 1. März 2004 um 50% gekürzt – das hat die Menschen zum Plündern getrieben.“

Einer von 1000 hat Arbeit
In Detva angekommen, treffen wir auf Marisá Oláhová, Leiterin des hiesigen „Romski Club Spolu“. Wir betreten eines der desolaten Gettowohnhäuser und versuchen angesichts des schockierenden „Innenlebens“ des Gebäudes die Fassung zu bewahren – es ist kalt, das Tageslicht findet kaum „Eintritt“ in die dunklen Gänge, Kunstlicht ist Luxus. Das winzige Büro von Marisá ist das einzige ansehnliche Zimmer in dem abbruchreifen Wohnhaus. Sie erzählt: „Als erste Reaktion auf die Sozialhilfekürzungen gab es vorerst Sitzstreiks vor den Gemeindeämtern, mit der Forderung: Wir wollen keine Sozialhilfe, wir wollen Arbeit!“ Sozialminister Kanik konterte mit dem Argument, dass es genug Arbeit für jene gebe, die arbeitswillig seien. Nur leider hatte er zuvor vergessen, die Arbeitsplätze zu schaffen!“ In vielen Dörfern wie Hostice, aus welchem die hiesigen Grazer Bettler „einpendeln“, liegt die Arbeitslosenrate bei 100%, von den 1000 im Getto von Detva lebenden Roma hat ein einziger Arbeit als Schuster.

 

Hunger und Schulden
Pro Person werden monatlich nunmehr knapp 36 Euro Sozialhilfe ausbezahlt – eine Familie muss einen ganzen Monat mit rund 100 Euro auskommen. Not macht nicht nur erfinderisch, sondern bringt Menschen manchmal in dramatische Ausnahmesituationen. So ist es kein Wunder, dass Roma in der Ostslowakei Geschäfte plündern, um ihre Kinder nicht verhungern zu lassen. Verschärfend kommt dazu, dass die Roma als wenig gebildete Menschen immer wieder Wucherern auf den Leim gehen, die ihnen Kredite einreden, erzählt Oláhová. „Die meisten Roma sind schwer verschuldet und wissen keinen Ausweg mehr, das Geld zurückzuzahlen. Auch deswegen haben die Sozialhilfekürzungen Panik ausgelöst.“

Zwangsassimilierung als „Lösung“
Verfolgt und ausgegrenzt wurden die Roma seit jeher. Mit der Befreiung vom Faschismus war zwar die unmittelbare Lebensgefahr gebannt, die Gesellschaft zeigte aber weiterhin ihre Verachtung gegenüber den „Zigeunern“: Ab der Machtübernahme der Kommunisten im Jahr 1948 wurden sie zur Arbeit gezwungen, um ihre so genannte „Rückständigkeit“ zu überwinden. Zehn Jahre später wurden im Zentralkomitee der KP Beschlüsse zur Lösung der „Roma-Frage“ gefasst, die de facto einer Zwangsassimilierung gleichkamen und in welchen die Roma nicht als Minderheit, sondern als „kulturell und sozial rückständige Bevölkerung“ tituliert wurden. Erst 1991 wurden die Roma anderen Minderheiten wie den Ungarn gleichgestellt. Dennoch sind rassistische Gewalttaten an der Tagesordnung, berichtet Oláhová. Verkommene Sozialbauten, Gettos ohne Strom, Wasser und Müllabfuhr, künftig mit hoher Wahrscheinlichkeit zunehmende „Hungerrevolten“ und minimale bis keine finanzielle Unterstützung, eine dreimal so hohe Kindersterblichkeit wie bei der Durchschnittsbevölkerung und Mangelernährung: Das ist die Lebensrealität der neuen EU-BürgerInnen.

Ein Minimum an kulturellem Leben
Die Abhängigkeit von der staatlichen Fürsorge hat viele der Roma ihrer Identität entfremdet. Oláhová hat zehn Jahre lang nach dem eigenen Kulturerbe geforscht und einen beachtlichen Schatz an Romaliedern-, tänzen und -geschichten gesammelt, welchen sie im Rahmen ihrer Arbeit mit der Romajugend weitergibt. Die Romajugend im Getto tanzt – sie hat sogar extra für uns getanzt, ein „special for the guests“; wir waren beeindruckt. Auch einige Kilometer weiter, in Hostice, versuchen Unentwegte trotz der tristen materiellen Situation ein Minimum an kulturellem Leben aufrecht zu erhalten: Teresá Tschanková, die rechte Hand des Romabürgermeisters Ondrej Berki, führt uns zum „Vorzeigekulturzentrum“. „In diesem Raum tanzen die Romafrauen zu Cindy Crawford“, lächelt Tschanková und zeigt uns den Mini-Fitnessraum, „wir bieten auch Sportaktivitäten für 15- bis 20-jährige Burschen an, haben eine Kindertanzgruppe und gestalten regelmäßig Bastelnachmittage gemeinsam mit interessierten Müttern.“

Lieber arbeiten als betteln
„Betteln ist noch immer besser als Plündern“, betont Berki, der einst selbst in Graz um Almosen gebeten hat. Jetzt gibt es eine weitere „Alternative“: „Für 40 Stunden gemeinnütziger Arbeit im Monat wird ein Aktivierungszuschuss von 37 Euro ausbezahlt. Schon 260 Leute im Dorf haben sich dafür gemeldet. Weil die Anwesenheit bei diesen Gemeindearbeiten streng kontrolliert wird, werden wohl weniger Roma nach Graz zum Betteln fahren.“ Ich bin einigermaßen überrascht, weil ich von Bettlern erfahren habe, dass ein Tag Betteln in Graz 25 bis 35 Euro einbringt – den gleichen Betrag, der in Hostice mit 40 Stunden Arbeit monatlich „verdient“ werden kann.

„Wir wollen arbeiten, wir sind des Bettelns schon so überdrüssig“, lautet die Erklärung eines der Betroffenen. Seine Familie, so wie hier alle, ist in „Grazer Mode“ eingekleidet. Jeder Schuh, jedes Kinderkleid, jedes Spielzeug ist eine Spende. Die Stoffkatze, die früher der achtjährigen Mariella gehört hat, hält nun der kleine Isidór im Arm, nur: Sie nascht zuhause gerade an ihrem Vanillepudding, Isidórs Magen bleibt leer.

„Hilfe zur Selbsthilfe ist die einzige langfristige Lösung“, meint Agnes Truger, Projektreferentin vom Welthaus in Graz. Konkrete, nachhaltige Projekte zur Verbesserung der Situation der slowakischen Roma sind bis jetzt allerdings nicht in Sicht: Das Interesse der Europäischen Union an ihren neuen BürgerInnen in den ostslowakischen Elendsvierteln hält sich in engen Grenzen.

Claudia Windisch

 

 

  Reisen statt Urlaub machen von Christian Hlade
In unserer westlichen Gesellschaft sind Urlaub und Freizeit sehr zentrale Themen. Große Wirtschaftszweige vermitteln Angebote zur kurzweiligen Gestaltung der verfügbaren freien Zeit.


Aber je professioneller und organisierter die Gestaltung der Freizeit wird, desto weiter weg rücken die wertvollen Einflüsse des „Reisens“ auf die persönliche Entwicklung. Themenparks, große Hotelanlagen und Freizeitwelten sowie Billigflüge bieten abwechslungsreiche und schnell verfügbare, aber dennoch sterile Zeitvertreibe. Diese erfüllen immer perfekter die Erwartungen der BesucherInnen, lösen aber dadurch eigentlich ein Gefühl der Leere aus. Dieses kann dann nur durch immer schnellere, gewaltigere und billigere Angebote gefüllt werden. Reisen ist aber im Gegensatz zum „Urlaub machen“ immer ein Lernprozess. Ein Prozess des sich Aussetzens und Auslieferns. Eine „gute“ Reise verläuft kaum perfekt geplant. Gerade die ungeplanten, kleinen Dinge und die Begegnungen mit anderen Menschen, Weltanschauungen und Kulturen machen ihren wahren Wert aus.

DI Christian Hlade, Reiseveranstalter in Graz >

Das zentrale Thema dabei ist, das man sich selbst – abseits der gewohnten Umgebung – plötzlich als Fremder/e erlebt. Man kann plötzlich auch ein wenig nachvollziehen, wie es Fremden bei uns in Österreich geht. Ein anderer wichtiger Teil ist der Blick auf die eigene Welt von „außen“. Durch das Erleben weltweiter Zusammenhänge beim Reisen bekommen die kleinen Dinge in der näheren Umgebung oft einen anderen Stellenwert.

Beim „richtigen“ Reisen muß man selber auch immer unbedingt einen „Einsatz“ leisten. Richtiges Reisen bedeutet Ungewissheit. Viele eingefahrene Anschauungen geraten ins Wanken und neue Gedanken können entstehen.

Diesen Prozess des Reisens soll man natürlich auch bei sich zu Hause praktizieren. Die „Reise im Leben“ hat etwas mit Offenheit und Aufmerksamkeit zu tun. Mit Wachsamkeit und Neugier. Das gelingt natürlich im Alltag nicht immer. Am besten wirkt dann wieder eine Ortsveränderung: Leichter ist es den Geist zu bewegen, wenn man seinen Körper bewegt.