Die Aussage des Generaldirektors der internationalen Atom-Energie-Behörde
IAEA, Mohammed al-Baradei, ein Atomkrieg sei „noch nie so nahe gewesen
wie heute“, hat weltweite Ängste ausgelöst. Baradei hatte dabei
besonders Staaten wie Nordkorea und den Iran im Auge, gab aber zu,
dass er auch „Angst vor den Atomwaffen im Besitz demokratischer
Staaten“ habe – denn, so erklärte er im Interview mit dem deutschen
Nachrichtenmagazin SPIEGEL, „solange diese Waffen existieren, gibt
es keine absolute Garantie gegenüber den katastrophalen Konsequenzen
aus Diebstahl, Sabotage oder Unfall.“ Christian Stenner sprach
mit dem Leiter des Grazer Büros für Frieden und Entwicklung und
Friedensforscher Dr. Karl Kumpfmüller über Hintergründe und
Konsequenzen der Missachtung des NVV (Nichtverbreitungsvertrages).
Es wird immer wieder der Verdacht laut, dass auch so genannte
„seriöse Firmen“ an der Verbreitung von Atomwaffentechnologie
beteiligt sind.
Das kann man am Fall Israel und auch am Irak von vor 1991 klar
nachweisen, und das gilt auch für Südafrika, das aber wie Brasilien
inzwischen seine Nuklearprogramme aufgegeben hat. Es geht dabei
zumeist um Vorfeld-Technologien, um Advanced Technology, für deren
Verbreitung es keine Verbote gibt: So kann die moderne Wiederaufbereitungs-Technik
nicht von einer möglichen militärischen Nutzung getrennt werden.
Im Irak war etwa Siemens Lieferant von Nukleartechnologie.
Welche Konsequenzen sind daraus abzuleiten?
Zunächst die generelle Forderung weiter Teile der Friedensbewegung
nach einem generellen Ausstieg auch aus der zivilen Nutzung der
Kernenergie, weiters der Ausbau der Kompetenz und Kontrollmechanismen
der Atomenergiebehörde der UNO. Die Kontrollfunktion darf auf keinen
Fall den USA überlassen werden, die ein Vieltausendfaches von jenem
nuklearen Zerstörungspotenzial angehäuft haben, das die kleinen
Nuklearmächte besitzen. Und die in Hiroshima und Nagasaki als bisher
einzige Macht bewiesen haben, dass sie bereit sind, es wirklich
einzusetzen.
Inzwischen taucht auch immer wieder der Verdacht auf, auch
terroristische Gruppen verfügten über Nuklearwaffen.
Das halte ich von der damit verbundenen Logistik her für völlig
unwahrscheinlich. Aber: Wenn die USA ihre Ankündigung wahr machen,
kleine, „handliche“ Nuklearwaffen auf Hafniumbasis zu entwickeln
– ein Gramm Hafnium hat die gleiche Sprengkraft wie 50 Kilo TNT
und vernichtet durch extrem starke Strahlung alles Leben im Detonationsgebiet
– dann steht zu befürchten, dass alle Kontrollen nicht mehr ausreichen,
um die Proliferation zu verhindern. Und wir haben allen Anlass,
uns zu fürchten. Der militärisch-industrielle Komplex in den USA
ist im Vergleich zu den anderen Ländern dieser Erde so gut alimentiert
wie noch nie: Das Militärbudet der USA ist gleich hoch wie jene
der 197 übrigen Staaten der Erde zusammen. Es macht für die USA
absolut keinen Sinn mehr, die bestehenden atomaren Raketen weiter
zu vermehren – sie können damit den Planeten ohnehin schon mehrfach
zerstören; von daher ist es wahrscheinlich, dass sie – auch unter
dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung – solche neuartigen, leicht
handhabbaren Bomben entwickeln werden.
Welche Perspektiven könnte die EU gegenüber der atomaren
Bedrohung entwickeln?
Europa hätte, wenn man den Einigungsprozess nicht nur als wirtschaftliches,
sondern auch als politisches Projekt sieht, die Chance, aus der
atomaren Bewaffnung auszusteigen, sich als vermittelnde Macht zu
positionieren und auf diese Art auch Druck auf die USA auszuüben
– denn immerhin 40% der AmerikanerInnen würden laut Umfragen eine
Art europäischer Positionierung der USA gegenüber den jetzigen Hegemonialbestrebungen
bevorzugen. Wenn Großbritannien und Frankreich auf ihre Atomwaffen
verzichteten, dann wären sie wieder auf Augenhöhe mit Deutschland,
was der inneren Kohäsion der Union nur gut täte. Leider passiert
ja jetzt das Gegenteil: Teile der CDU wollen auch Deutschland atomar
bewaffnen.
Das Szenario eines europäischen Atom-Ausstiegs hätte den zusätzlichen
Vorteil, dass man Russland leichter ins Boot holen könnte – und
gegenüber den USA wäre die EU nicht mehr oder weniger erpressbar
als jetzt; ein atomarer Schlag der USA gegen Europa, um die Union
zu einem bestimmten außenpolitischen Verhalten zu zwingen, ist nicht
denkbar. Voraussetzung für einen Ausstieg Europas aus der atomaren
Bewaffnung ist eine stärkere Demokratisierung der Union – in Südafrika
hat sich gezeigt, dass die Atomprogramme die radikale Demokratisierung
nach dem Ende des Apartheid-Regimes nicht überlebt haben. Zur Eindämmung
der internationalen Bedrohung müsste die Union darauf hinarbeiten,
die Institutionen der UNO zu stärken und wirtschaftliche Kooperationsprogramme
zur Einbindung der Peripherie intensivieren – nur so kann langfristig
jene Bedrohung beseitigt werden, die letztendlich auf eine extrem
ungerechte Weltwirtschaftsordnung zurückzuführen ist.
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Jeff Merkley ist so etwas wie der Christopher Drexler (oder
Walter Kröpfl) der Demokraten Oregons. Als Abgeordneter im Parlament
des nördlichen Nachbarstaats von Kalifornien und „House Democratic
Leader“ unterscheidet sich sein Tagesablauf aber ganz entscheidend
von dem eines steirischen Landesparlamentariers. Es geht um’s Geld
– um jenes Geld, das notwendig ist, um bei der gleichzeitig mit
den US-Präsidentschaftswahlen stattfindenden Entscheidung um das
regionale Repräsentantenhaus gegen die republikanischen Kontrahenten
die Nase vorn zu haben.
Denn: In den USA gilt ein ganz einfaches Gesetz. Wer mehr Wahlkampfspenden
zusammengetragen hat, wird mit höchster Wahrscheinlichkeit gewinnen.
„Without money you cannot win – because without money there is no
campaign”, bringt es ein Fundraising-Manual auf den Punkt. Das gilt
natürlich auch für österreichische Wahlkämpfe, bloß spricht man
hierzulande nicht über Geld, man hat es – oder zumindest den Anspruch
darauf.
Für Jeff Merkley dagegen ist Geldbeschaffung Knochenarbeit. Gecoacht
von seinem aus Österreich stammenden Finanzdirektor Ivo Trummer
setzt er sich fast täglich mehrere Stunden ans Telefon, um Lobbyisten
und Vertreter von Interessensgruppen davon zu überzeugen, dass deren
politische Anliegen – und daher auch ihr Geld – bei ihm gut aufgehoben
ist. Oder er schreibt Briefe: „Dear Chuck, … I want to ask you for
a donation of $ 1.000 …” Dazu kommen diverse Fundraising-Events,
die Spender begeistern sollen. Zielsetzung: Eine Million Dollar
für die Kampagnen der neu in den Ring steigenden demokratischen
Kandidaten in Oregon. Bereits gewählte Amtsinhaber besitzen ihre
eigene Fundraising-Infrastruktur.
< Die Demokraten werden Bush kaum entblättern – er hat einfach
zu viel Geld.
< Geldbeschaffung – zumindest alle vier Jahre die Hauptbeschäftigung
von US-Politikern
Listen spendabler Bürger zusammenzustellen, die treffenden Argumente
für Lobbyisten finden, Spenderbriefe richtig zu formulieren, für
mehrere Monate ist das der 60-Wochenstunden-Job Trummers. Unter
erschwerten Rahmenbedingungen: Im Vergleich zu den Zentralen der
regionalen Großparteien in der Steiermark hat das demokratische
Hauptquartier Oregons den Charme einer Vorstadtbaracke, die Computer
der vorletzten Generation sind Liebesgaben von Anhängern – bei einigen
hat man den Verdacht, dass die Sachspende ein günstiger Weg war,
Elektronik-Schrott elegant loszuwerden.
Aber bei aller Tristesse: Hinter der Fundraising-Kampagne steckt
hohe Professionalität. Möglich wird diese nicht zuletzt durch das
Prinzip der Transparenz, das zumindest theoretisch für alle Wahlkämpfe
in den Vereinigten Staaten gilt. Wer wie viel Geld bekommt und gibt,
weiß anders als in Österreich, nicht nur der Rechnungshofpräsident,
sondern jeder, der Interesse an solchen Informationen hat. Private
Einrichtungen wie das „Institute on Money in State Politics“ oder
das „Center for Responsive Politics“ tragen die Daten zusammen und
veröffentlichen sie allgemein zugänglich im Internet. Da kann man
auch nachlesen, von wem Georg Bush seine rund 130 Millionen Dollar
für die Kampagne 2004 erhalten hat. John Kerry liegt übrigens bei
nur knapp 30 Millionen – und hat damit nach den US-Wahlkampfgesetzen
praktisch keine Chance. Der Slogan „Defoliate Bush“ auf einem leuchtend
gelben Kleber in der Demokraten-Zentrale Oregons wird also voraussichtlich
ein frommer Wunsch bleiben.
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Ausgehend von einer korrekten Analyse der Heuchelei des Vorgehens
der letzten US-amerikanischen Administrationen gegenüber den von
ihr selbst definierten „Schurkenstaaten“ wird die „Pax americana“
als Weltherrschafts-Anspruch der USA gedeutet; vor allem die fortwährende
Missachtung internationalen Rechts bei der Durchsetzung US-amerikanischer
Interessen spricht aus Sicht der Autoren für die Existenzberechtigung
des Anti-Amerikanismus. Die Begriffswahl erweist sich trotz der
Realitätsnähe der Sicht, dass derzeit wesentlich weniger ein kollektiver
Imperialismus der mächtigen Industrienationen als eben partikuläres
amerikanisches Hegemoniestreben die Auseinandersetzung mit der Peripherie
eskalieren lassen, letztendlich als Falle: Sie rechtfertigt die
pauschale Ablehnung einer gesamten Nation, negiert die radikaldemokratischen
Anteile deren Tradition und heizt die undifferenzierte Ablehnung
nicht etwa der an der Macht befindlichen Oligarchie, sondern eben
alles „Amerikanischen“ an.
Wilhelm Langthaler, Werner Pirker: Ami go home. Zwölf gute Gründe
für einen Antiamerikanismus.
Wien: Promedia 2004, ISBN 85371-204-5, 160 Seiten, 11.90
KORSO verlost in Kooperation mit dem Promedia-Verlag drei Exemplare
des Buches beim KORSO-Kulturquiz!
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