korso Global Corner
Das Informationsmagazin 
der Steiermark
 
03/2004
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„Europa hätte die Chance aus der Nuklearbewaffnung auszusteigen“
< Friedensforscher Karl Kumpfmüller: Kontrollfunktion über weltweites Nuklearpotenzial darf nicht den USA überlassen bleiben


Die Aussage des Generaldirektors der internationalen Atom-Energie-Behörde IAEA, Mohammed al-Baradei, ein Atomkrieg sei „noch nie so nahe gewesen wie heute“, hat weltweite Ängste ausgelöst. Baradei hatte dabei besonders Staaten wie Nordkorea und den Iran im Auge, gab aber zu, dass er auch „Angst vor den Atomwaffen im Besitz demokratischer Staaten“ habe – denn, so erklärte er im Interview mit dem deutschen Nachrichtenmagazin SPIEGEL, „solange diese Waffen existieren, gibt es keine absolute Garantie gegenüber den katastrophalen Konsequenzen aus Diebstahl, Sabotage oder Unfall.“ Christian Stenner sprach mit dem Leiter des Grazer Büros für Frieden und Entwicklung und Friedensforscher Dr. Karl Kumpfmüller über Hintergründe und Konsequenzen der Missachtung des NVV (Nichtverbreitungsvertrages).

Es wird immer wieder der Verdacht laut, dass auch so genannte „seriöse Firmen“ an der Verbreitung von Atomwaffentechnologie beteiligt sind.

Das kann man am Fall Israel und auch am Irak von vor 1991 klar nachweisen, und das gilt auch für Südafrika, das aber wie Brasilien inzwischen seine Nuklearprogramme aufgegeben hat. Es geht dabei zumeist um Vorfeld-Technologien, um Advanced Technology, für deren Verbreitung es keine Verbote gibt: So kann die moderne Wiederaufbereitungs-Technik nicht von einer möglichen militärischen Nutzung getrennt werden. Im Irak war etwa Siemens Lieferant von Nukleartechnologie.

Welche Konsequenzen sind daraus abzuleiten?

Zunächst die generelle Forderung weiter Teile der Friedensbewegung nach einem generellen Ausstieg auch aus der zivilen Nutzung der Kernenergie, weiters der Ausbau der Kompetenz und Kontrollmechanismen der Atomenergiebehörde der UNO. Die Kontrollfunktion darf auf keinen Fall den USA überlassen werden, die ein Vieltausendfaches von jenem nuklearen Zerstörungspotenzial angehäuft haben, das die kleinen Nuklearmächte besitzen. Und die in Hiroshima und Nagasaki als bisher einzige Macht bewiesen haben, dass sie bereit sind, es wirklich einzusetzen.

Inzwischen taucht auch immer wieder der Verdacht auf, auch terroristische Gruppen verfügten über Nuklearwaffen.

Das halte ich von der damit verbundenen Logistik her für völlig unwahrscheinlich. Aber: Wenn die USA ihre Ankündigung wahr machen, kleine, „handliche“ Nuklearwaffen auf Hafniumbasis zu entwickeln – ein Gramm Hafnium hat die gleiche Sprengkraft wie 50 Kilo TNT und vernichtet durch extrem starke Strahlung alles Leben im Detonationsgebiet – dann steht zu befürchten, dass alle Kontrollen nicht mehr ausreichen, um die Proliferation zu verhindern. Und wir haben allen Anlass, uns zu fürchten. Der militärisch-industrielle Komplex in den USA ist im Vergleich zu den anderen Ländern dieser Erde so gut alimentiert wie noch nie: Das Militärbudet der USA ist gleich hoch wie jene der 197 übrigen Staaten der Erde zusammen. Es macht für die USA absolut keinen Sinn mehr, die bestehenden atomaren Raketen weiter zu vermehren – sie können damit den Planeten ohnehin schon mehrfach zerstören; von daher ist es wahrscheinlich, dass sie – auch unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung – solche neuartigen, leicht handhabbaren Bomben entwickeln werden.

Welche Perspektiven könnte die EU gegenüber der atomaren Bedrohung entwickeln?

Europa hätte, wenn man den Einigungsprozess nicht nur als wirtschaftliches, sondern auch als politisches Projekt sieht, die Chance, aus der atomaren Bewaffnung auszusteigen, sich als vermittelnde Macht zu positionieren und auf diese Art auch Druck auf die USA auszuüben – denn immerhin 40% der AmerikanerInnen würden laut Umfragen eine Art europäischer Positionierung der USA gegenüber den jetzigen Hegemonialbestrebungen bevorzugen. Wenn Großbritannien und Frankreich auf ihre Atomwaffen verzichteten, dann wären sie wieder auf Augenhöhe mit Deutschland, was der inneren Kohäsion der Union nur gut täte. Leider passiert ja jetzt das Gegenteil: Teile der CDU wollen auch Deutschland atomar bewaffnen.

Das Szenario eines europäischen Atom-Ausstiegs hätte den zusätzlichen Vorteil, dass man Russland leichter ins Boot holen könnte – und gegenüber den USA wäre die EU nicht mehr oder weniger erpressbar als jetzt; ein atomarer Schlag der USA gegen Europa, um die Union zu einem bestimmten außenpolitischen Verhalten zu zwingen, ist nicht denkbar. Voraussetzung für einen Ausstieg Europas aus der atomaren Bewaffnung ist eine stärkere Demokratisierung der Union – in Südafrika hat sich gezeigt, dass die Atomprogramme die radikale Demokratisierung nach dem Ende des Apartheid-Regimes nicht überlebt haben. Zur Eindämmung der internationalen Bedrohung müsste die Union darauf hinarbeiten, die Institutionen der UNO zu stärken und wirtschaftliche Kooperationsprogramme zur Einbindung der Peripherie intensivieren – nur so kann langfristig jene Bedrohung beseitigt werden, die letztendlich auf eine extrem ungerechte Weltwirtschaftsordnung zurückzuführen ist.

 

 

  „Without money you cannot win“Der Grazer Public-Relations-Experte Martin Novak hat sich den US-Wahlkampf aus der Nähe angeschaut. In der Zentrale der Demokraten von Oregon geht es in erster Linie um Geld.


Jeff Merkley
ist so etwas wie der Christopher Drexler (oder Walter Kröpfl) der Demokraten Oregons. Als Abgeordneter im Parlament des nördlichen Nachbarstaats von Kalifornien und „House Democratic Leader“ unterscheidet sich sein Tagesablauf aber ganz entscheidend von dem eines steirischen Landesparlamentariers. Es geht um’s Geld – um jenes Geld, das notwendig ist, um bei der gleichzeitig mit den US-Präsidentschaftswahlen stattfindenden Entscheidung um das regionale Repräsentantenhaus gegen die republikanischen Kontrahenten die Nase vorn zu haben.

Denn: In den USA gilt ein ganz einfaches Gesetz. Wer mehr Wahlkampfspenden zusammengetragen hat, wird mit höchster Wahrscheinlichkeit gewinnen. „Without money you cannot win – because without money there is no campaign”, bringt es ein Fundraising-Manual auf den Punkt. Das gilt natürlich auch für österreichische Wahlkämpfe, bloß spricht man hierzulande nicht über Geld, man hat es – oder zumindest den Anspruch darauf.

Für Jeff Merkley dagegen ist Geldbeschaffung Knochenarbeit. Gecoacht von seinem aus Österreich stammenden Finanzdirektor Ivo Trummer setzt er sich fast täglich mehrere Stunden ans Telefon, um Lobbyisten und Vertreter von Interessensgruppen davon zu überzeugen, dass deren politische Anliegen – und daher auch ihr Geld – bei ihm gut aufgehoben ist. Oder er schreibt Briefe: „Dear Chuck, … I want to ask you for a donation of $ 1.000 …” Dazu kommen diverse Fundraising-Events, die Spender begeistern sollen. Zielsetzung: Eine Million Dollar für die Kampagnen der neu in den Ring steigenden demokratischen Kandidaten in Oregon. Bereits gewählte Amtsinhaber besitzen ihre eigene Fundraising-Infrastruktur.

< Die Demokraten werden Bush kaum entblättern – er hat einfach zu viel Geld. < Geldbeschaffung – zumindest alle vier Jahre die Hauptbeschäftigung von US-Politikern

Listen spendabler Bürger zusammenzustellen, die treffenden Argumente für Lobbyisten finden, Spenderbriefe richtig zu formulieren, für mehrere Monate ist das der 60-Wochenstunden-Job Trummers. Unter erschwerten Rahmenbedingungen: Im Vergleich zu den Zentralen der regionalen Großparteien in der Steiermark hat das demokratische Hauptquartier Oregons den Charme einer Vorstadtbaracke, die Computer der vorletzten Generation sind Liebesgaben von Anhängern – bei einigen hat man den Verdacht, dass die Sachspende ein günstiger Weg war, Elektronik-Schrott elegant loszuwerden.

Aber bei aller Tristesse: Hinter der Fundraising-Kampagne steckt hohe Professionalität. Möglich wird diese nicht zuletzt durch das Prinzip der Transparenz, das zumindest theoretisch für alle Wahlkämpfe in den Vereinigten Staaten gilt. Wer wie viel Geld bekommt und gibt, weiß anders als in Österreich, nicht nur der Rechnungshofpräsident, sondern jeder, der Interesse an solchen Informationen hat. Private Einrichtungen wie das „Institute on Money in State Politics“ oder das „Center for Responsive Politics“ tragen die Daten zusammen und veröffentlichen sie allgemein zugänglich im Internet. Da kann man auch nachlesen, von wem Georg Bush seine rund 130 Millionen Dollar für die Kampagne 2004 erhalten hat. John Kerry liegt übrigens bei nur knapp 30 Millionen – und hat damit nach den US-Wahlkampfgesetzen praktisch keine Chance. Der Slogan „Defoliate Bush“ auf einem leuchtend gelben Kleber in der Demokraten-Zentrale Oregons wird also voraussichtlich ein frommer Wunsch bleiben.

 

 

„Zwölf gute Gründe für einen Antiamerikanismus …“ ...glauben Wilhelm Langthaler und Werner Pirker in ihrem bei Promedia jüngst erschienenen Buch „Ami go home“ namhaft machen zu können.


Ausgehend von einer korrekten Analyse der Heuchelei des Vorgehens der letzten US-amerikanischen Administrationen gegenüber den von ihr selbst definierten „Schurkenstaaten“ wird die „Pax americana“ als Weltherrschafts-Anspruch der USA gedeutet; vor allem die fortwährende Missachtung internationalen Rechts bei der Durchsetzung US-amerikanischer Interessen spricht aus Sicht der Autoren für die Existenzberechtigung des Anti-Amerikanismus. Die Begriffswahl erweist sich trotz der Realitätsnähe der Sicht, dass derzeit wesentlich weniger ein kollektiver Imperialismus der mächtigen Industrienationen als eben partikuläres amerikanisches Hegemoniestreben die Auseinandersetzung mit der Peripherie eskalieren lassen, letztendlich als Falle: Sie rechtfertigt die pauschale Ablehnung einer gesamten Nation, negiert die radikaldemokratischen Anteile deren Tradition und heizt die undifferenzierte Ablehnung nicht etwa der an der Macht befindlichen Oligarchie, sondern eben alles „Amerikanischen“ an.

Wilhelm Langthaler, Werner Pirker: Ami go home. Zwölf gute Gründe für einen Antiamerikanismus.
Wien: Promedia 2004, ISBN 85371-204-5, 160 Seiten, 11.90

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