Der unkonventionelle Politiker (der erste Bürgermeister, dessen
Haupt ein Pferdeschwanz zierte – wie er nicht ohne Stolz betont),
der seinen Spürsinn für neue Trends schon in seiner Jugend bewiesen
hat (er war der erste Handelsvertreter für Rollerblades in den USA),
findet scharfe Worte zur sozial-politischen Lage der USA und ihren
Einsatz im Irak und analysiert die Chancen der US-Grünen.
Mike Feinstein (rechts)
im Gespräch mit Dan Funk: „Exorbitantes Militärbudget der USA verhindert
Sozialprogramme“
„Schwarzenegger hat nur privat eine soziale Einstellung“
Als Kalifornier stattete Feinstein natürlich dem Geburtsort Thal
seines am anderen Ende des politischen Spektrums angesiedelten Gouverneurs,
Arnold Schwarzenegger, einen Besuch ab.
„Auch wenn Schwarzenegger immer wieder betont, dass die Kennedys
seine politischen Vorbilder sind, weil sie ihn das soziale Gewissen
gelehrt haben, seine politischen Ziele sind alles anderes als sozial“,
stellt Feinstein fest, will aber dem Gouverneur „eine rein private
soziale Einstellung“ allerdings nicht absprechen. Schwarzenegger
gewann nach Ansicht Feinsteins die Wahlen deswegen, weil die Wähler
der Meinung waren, dass seine Frau Maria Shriver einen mäßigenden
Einfluss auf ihn auszuüben vermag.
Keine echten Alternativen
„Ist Grün im Trend in den USA?“ drängt sich die Frage an den Trendsetter
Feinstein auf, der noch vor dem dafür bekannten Leonardo Di Caprio
ein hybrides Auto fuhr.
Auf lokaler Ebene (in Gemeinden und Städten) verzeichnen die US-Grünen
Zuwächse (über 200 Mandatare). National stellt sich die Situation
wegen des undemokratischen amerikanischen Wahlsystems, das auf dem
Prinzip „The winner takes all“ basiert, anders dar. Die kleineren
Parteien sind die Leidtragenden, aber auch alle jene, seien sie
Demokraten oder Republikaner, die einfach im „falschen“ Wahlkreis
leben. Das ist auch einer der Gründe, warum die Wahlbeteiligung
in den USA unter 50% liegt. Den anderen Grund ortet Feinstein in
der Tatsache, dass sich die beiden großen Parteien grundsätzlich
kaum unterscheiden und dadurch auch keine echten Alternativen darstellen.
Militär kontra Soziales
Was die Sozialpolitik betrifft, so sieht Feinstein alle Sozialprogramme
in der nahen Zukunft wegen des exorbitanten Militärbudgets undurchführbar.
Hier werde ein sehr durchschaubarer strategischer Plan durchgeführt
– durch das Abzweigen von Mitteln fürs Militär werden die öffentlichen
Aufgaben des Staates, unter anderem die Bildung, noch mehr reduziert,
sodass immer mehr Amerikaner aus ärmeren Schichten ihre einzige
Chance zur Ausbildung beim Militär sehen.
Schon bisher gingen hauptsächlich die Ärmeren zur Army. Was Feinstein
besonders schmerzt: Ausgerechnet diese Leute habe man zu den Ärmsten
der Armen geschickt, „nicht um, was natürlich wäre, sich mit ihnen
solidarisch zu erklären, sondern ganz im Gegenteil, um sie auszubeuten.“
Denn alle Beteuerungen der Regierung, im Irak handele es sich um
einen Krieg, könnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Irakfeldzug,
so Feinstein, einen „Anschluss“ zum Ziel gehabt hätte.
Demokratie am Prüfstand
Als amerikanische Soldaten sahen, dass sie belogen worden waren
und das auch der Presse mitteilten, wurde ihnen der Zugang zu den
Medien verboten. Für Feinstein eine Informationspolitik, die den
düstersten Orwellschen Vorstellungen entspreche. Noch nie habe eine
Regierung so unverschämt die Bürgerrechte und Demokratie in den
USA gefährdet wie diese, die unter Berufung auf 9/11 darauf aus
sei, alle Dissidenten einzuschüchtern und Kritiker zum Schweigen
zu bringen. Feinstein stellt fest, dass die amerikanischen demokratischen
Institutionen jetzt dem entscheidenden Test unterzogen werden. Ob
sie ihn auch bestehen werden, dessen ist er sich nicht sicher. Die
Hoffnung will er aber nicht aufgeben, denn schließlich seien es
die amerikanischen Grünen, die trotz widriger Umstände und ohne
finanzielle Unterstützung durch das Großkapital einen wichtigen
Gegenpol zu den undemokratischen Tendenzen darstellen. Durch den
unermüdlichen Einsatz ihrer Mandatare für die Benachteiligten und
für menschengerechtere Gemeinden und Städte gewännen sie an Glaubwürdigkeit
und erfreuten sich immer mehr Stimmen von Erst- und ehemaligen Nichtwählern,
die in ihnen eine tatsächliche Alternative zu den zwei großen Parteien
sähen. Und: „Jetzt, wo auch die Angehörigen der Mittelklasse eine
Verschlechterung ihres Lebensstandards erfahren, werden sie sich
zwangsläufig auch politische Fragen nach Ursachen und Alternativen
stellen – und das ist auch unsere Chance“, ist sich Feinstein sicher.
|
Warum fährt ein sozialdemokratischer steirischer Politiker
nach Bombay zum Welt-Sozialforum?
Zunächst: Ich identifiziere mich mit Bewegungen, die sich gegen
die neoliberale Form der Globalisierung richten, die nur nach den
Interessen weltweit agierender Wirtschaftsunternehmen ausgerichtet
ist, und ich sympathisiere mit allen, die von dieser Globalisierung
ins Abseits gedrängt werden. Darüber hinaus war ich natürlich auch
neugierig zu sehen, wie diese gewaltigen Treffen ablaufen.
Die bekannte indische Aktivistin Vandana Shiva hat beim Sozialforum
gemeint, dass der Kampf gegen den Neoliberalismus im eigenen Land
beginnen muss. Teilen Sie diese Meinung – und sehen Sie in Ihrem
eigenen Wirkungsbereich Chancen für eine solche Politik?
Mit dieser Aussage stimme ich völlig überein. Leider ist die österreichische
Sozialdemokratie noch immer ein wenig von ihren Regierungsbeteiligungen
verdorben; es fällt ihr schwer zu sagen, dass dieses neoliberale
System nicht das unsere ist und wir eine andere Welt als jene wollen,
wie sie die kapitalistische Weltordnung im Begriff ist zu schaffen.
Als Soziallandesrat in einer konservativ dominierten Landesregierung
und unter einer neoliberalen Bundesregierung hab’ ich natürlich
ziemlich wenig Möglichkeiten, eine anti-neoliberale Politik zu betreiben.
Es geht immer nur um Nuancen: Was beispielsweise den Integrationsbereich
betrifft, so hoffe ich – ohne in Selbstlob verfallen zu wollen –,
dass ich im Bundesländervergleich die integrationsfreundlichste
Politik umsetze.
Die sozialdemokratische Friedrich-Ebert-Stiftung hat im Bombay
einen Workshop zum Thema der Kooperation zwischen NGOs und Sozialdemokratie
abgehalten – wie halten Sie’s mit dieser Zusammenarbeit?
In manchen Fällen ist sie möglich, in anderen wieder nicht. Ich
denke, dass ich zum Beispiel zu allen NGOs im Integrationsbereich
ein gutes Verhältnis habe, ohne sie gleich vereinnahmen zu wollen.
Und ich weiß die Arbeit von NGOs auch im sozialpräventiven, bewusstseinsbildenden
Bereich sehr zu schätzen – wie etwa die demokratiefördernde Tätigkeit
der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus.
Die Wissenschafterin Dot Kee hat am Sozialforum die These
vertreten, der Neoliberalismus sei bereits in der Defensive und
müsse täglich neue Legitimationsstrategien erfinden – teilen Sie
diese Meinung?
Nein, leider kann ich das nicht so optimistisch sehen. Im Gegenteil:
Die neoliberale Offensive hat ihren Höhepunkt noch nicht erreicht.
Sie wird von der Politik der Notenbanken und vieler nationaler Regierungen
– leider auch sozialdemokratisch geführter – vorangetrieben. Die
deutsche und die britische Regierung zählen an vorderster Front
zu jenen, die sich Einschränkungen im Sozialbereich zugunsten der
Interessen der Großunternehmen verschrieben haben.
Andererseits gibt es auch Verbindungen zwischen Teilen der
Sozialdemokratie und der globalisierungskritischen Bewegung …
Ja, vor allem GewerkschafterInnen nehmen aktiv an den Sozialforen
teil wie etwa in Österreich Teile der Eisenbahnergewerkschaft. Es
ist an der Zeit, dass die sozialdemokratischen Parteien überlegen,
wo sie sich einreihen, weil sie sonst spaltungsgefährdet sind und
in einen sozialistischen und einen sozialdemokratischen Teil zerfallen
könnten.
Werden Sie auch hier vor Ort am österreichischen Sozialforum
teilnehmen? Und: Was ist Ihr ganz persönliches Bombay-Resümee?
Ich möchte mich gerne an diesen Bemühungen vor Ort beteiligen
– ich möchte allerdings nicht den Eindruck erwecken, dass ich mich
da als Landespolitiker in irgendeiner Form aufdränge oder anbiedere,
dazu bin ich an der Sache selbst zu interessiert.
Was Bombay betrifft, so fände ich es wichtig für viele meiner PolitikerkollegInnen,
auch einmal hautnah zu erleben, wie viele unterschiedliche Gesichter
die Unterdrückung annehmen kann, die unserem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem
innewohnt – von der Kinderarbeit bis zu Repressionen gegen Prostituierte;
und umgekehrt, wie sehr die Bemühungen in vielen Ländern der so
genannten dritten Welt auf eine Demokratisierung gerichtet sind.
Ich hab’ zum Beispiel an einem Workshop über die Verfassungsdebatten
in den Entwicklungsländern teilgenommen, und der dort anwesende
Außenminister von Tansania hat berichtet, dass sein Land eine Verfassungsbestimmung
einführen möchte, wonach ein Drittel aller Parlamentsabgeordneten
Frauen sein müssen. Ich bin jedenfalls mit einer Realität konfrontiert
worden, mit der sich der durchschnittliche europäische Politiker
üblicherweise nicht auseinander setzt.
|