korso Global Corner
Das Informationsmagazin 
der Steiermark
 
02/2004
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  „Der Irak-Feldzug war ein ,Anschluss‘“
Für KORSO sprach Dan Funk mit dem US-Grünpolitiker Mike Feinstein – dem ersten grünen Bürgermeister einer größeren Stadt (Santa Monica, CA) der USA – anlässlich dessen Graz-Besuchs im Dezember 2003.


Der unkonventionelle Politiker (der erste Bürgermeister, dessen Haupt ein Pferdeschwanz zierte – wie er nicht ohne Stolz betont), der seinen Spürsinn für neue Trends schon in seiner Jugend bewiesen hat (er war der erste Handelsvertreter für Rollerblades in den USA), findet scharfe Worte zur sozial-politischen Lage der USA und ihren Einsatz im Irak und analysiert die Chancen der US-Grünen.

Mike Feinstein (rechts) im Gespräch mit Dan Funk: „Exorbitantes Militärbudget der USA verhindert Sozialprogramme“

„Schwarzenegger hat nur privat eine soziale Einstellung“
Als Kalifornier stattete Feinstein natürlich dem Geburtsort Thal seines am anderen Ende des politischen Spektrums angesiedelten Gouverneurs, Arnold Schwarzenegger, einen Besuch ab.

„Auch wenn Schwarzenegger immer wieder betont, dass die Kennedys seine politischen Vorbilder sind, weil sie ihn das soziale Gewissen gelehrt haben, seine politischen Ziele sind alles anderes als sozial“, stellt Feinstein fest, will aber dem Gouverneur „eine rein private soziale Einstellung“ allerdings nicht absprechen. Schwarzenegger gewann nach Ansicht Feinsteins die Wahlen deswegen, weil die Wähler der Meinung waren, dass seine Frau Maria Shriver einen mäßigenden Einfluss auf ihn auszuüben vermag.

Keine echten Alternativen
„Ist Grün im Trend in den USA?“ drängt sich die Frage an den Trendsetter Feinstein auf, der noch vor dem dafür bekannten Leonardo Di Caprio ein hybrides Auto fuhr.
Auf lokaler Ebene (in Gemeinden und Städten) verzeichnen die US-Grünen Zuwächse (über 200 Mandatare). National stellt sich die Situation wegen des undemokratischen amerikanischen Wahlsystems, das auf dem Prinzip „The winner takes all“ basiert, anders dar. Die kleineren Parteien sind die Leidtragenden, aber auch alle jene, seien sie Demokraten oder Republikaner, die einfach im „falschen“ Wahlkreis leben. Das ist auch einer der Gründe, warum die Wahlbeteiligung in den USA unter 50% liegt. Den anderen Grund ortet Feinstein in der Tatsache, dass sich die beiden großen Parteien grundsätzlich kaum unterscheiden und dadurch auch keine echten Alternativen darstellen.

Militär kontra Soziales
Was die Sozialpolitik betrifft, so sieht Feinstein alle Sozialprogramme in der nahen Zukunft wegen des exorbitanten Militärbudgets undurchführbar. Hier werde ein sehr durchschaubarer strategischer Plan durchgeführt – durch das Abzweigen von Mitteln fürs Militär werden die öffentlichen Aufgaben des Staates, unter anderem die Bildung, noch mehr reduziert, sodass immer mehr Amerikaner aus ärmeren Schichten ihre einzige Chance zur Ausbildung beim Militär sehen.
Schon bisher gingen hauptsächlich die Ärmeren zur Army. Was Feinstein besonders schmerzt: Ausgerechnet diese Leute habe man zu den Ärmsten der Armen geschickt, „nicht um, was natürlich wäre, sich mit ihnen solidarisch zu erklären, sondern ganz im Gegenteil, um sie auszubeuten.“ Denn alle Beteuerungen der Regierung, im Irak handele es sich um einen Krieg, könnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Irakfeldzug, so Feinstein, einen „Anschluss“ zum Ziel gehabt hätte.

Demokratie am Prüfstand
Als amerikanische Soldaten sahen, dass sie belogen worden waren und das auch der Presse mitteilten, wurde ihnen der Zugang zu den Medien verboten. Für Feinstein eine Informationspolitik, die den düstersten Orwellschen Vorstellungen entspreche. Noch nie habe eine Regierung so unverschämt die Bürgerrechte und Demokratie in den USA gefährdet wie diese, die unter Berufung auf 9/11 darauf aus sei, alle Dissidenten einzuschüchtern und Kritiker zum Schweigen zu bringen. Feinstein stellt fest, dass die amerikanischen demokratischen Institutionen jetzt dem entscheidenden Test unterzogen werden. Ob sie ihn auch bestehen werden, dessen ist er sich nicht sicher. Die Hoffnung will er aber nicht aufgeben, denn schließlich seien es die amerikanischen Grünen, die trotz widriger Umstände und ohne finanzielle Unterstützung durch das Großkapital einen wichtigen Gegenpol zu den undemokratischen Tendenzen darstellen. Durch den unermüdlichen Einsatz ihrer Mandatare für die Benachteiligten und für menschengerechtere Gemeinden und Städte gewännen sie an Glaubwürdigkeit und erfreuten sich immer mehr Stimmen von Erst- und ehemaligen Nichtwählern, die in ihnen eine tatsächliche Alternative zu den zwei großen Parteien sähen. Und: „Jetzt, wo auch die Angehörigen der Mittelklasse eine Verschlechterung ihres Lebensstandards erfahren, werden sie sich zwangsläufig auch politische Fragen nach Ursachen und Alternativen stellen – und das ist auch unsere Chance“, ist sich Feinstein sicher.

 

 

 

„Sozialdemokratie muss überlegen, wo sie sich einreiht“ Beim kürzlich in Bombay/Mumbai abgehaltenen Weltsozialforum versammelten sich 100.000 AktivistInnen und politische MandatarInnen aus aller Welt unter dem Motto „Eine andere Welt ist möglich“ zu Workshops, Vorträgen und Demonstrationen gegen die neoliberale Offensive. Mit dabei: der steirische Sozial-Landesrat Dr. Kurt Flecker. Mit ihm sprach Christian Stenner über das Sozialforum und die Möglichkeiten, die dort propagierten Alternativen in konkrete Politik umzusetzen.


Warum fährt ein sozialdemokratischer steirischer Politiker nach Bombay zum Welt-Sozialforum?

Zunächst: Ich identifiziere mich mit Bewegungen, die sich gegen die neoliberale Form der Globalisierung richten, die nur nach den Interessen weltweit agierender Wirtschaftsunternehmen ausgerichtet ist, und ich sympathisiere mit allen, die von dieser Globalisierung ins Abseits gedrängt werden. Darüber hinaus war ich natürlich auch neugierig zu sehen, wie diese gewaltigen Treffen ablaufen.

Die bekannte indische Aktivistin Vandana Shiva hat beim Sozialforum gemeint, dass der Kampf gegen den Neoliberalismus im eigenen Land beginnen muss. Teilen Sie diese Meinung – und sehen Sie in Ihrem eigenen Wirkungsbereich Chancen für eine solche Politik?

Mit dieser Aussage stimme ich völlig überein. Leider ist die österreichische Sozialdemokratie noch immer ein wenig von ihren Regierungsbeteiligungen verdorben; es fällt ihr schwer zu sagen, dass dieses neoliberale System nicht das unsere ist und wir eine andere Welt als jene wollen, wie sie die kapitalistische Weltordnung im Begriff ist zu schaffen.

Als Soziallandesrat in einer konservativ dominierten Landesregierung und unter einer neoliberalen Bundesregierung hab’ ich natürlich ziemlich wenig Möglichkeiten, eine anti-neoliberale Politik zu betreiben. Es geht immer nur um Nuancen: Was beispielsweise den Integrationsbereich betrifft, so hoffe ich – ohne in Selbstlob verfallen zu wollen –, dass ich im Bundesländervergleich die integrationsfreundlichste Politik umsetze.

Die sozialdemokratische Friedrich-Ebert-Stiftung hat im Bombay einen Workshop zum Thema der Kooperation zwischen NGOs und Sozialdemokratie abgehalten – wie halten Sie’s mit dieser Zusammenarbeit?

In manchen Fällen ist sie möglich, in anderen wieder nicht. Ich denke, dass ich zum Beispiel zu allen NGOs im Integrationsbereich ein gutes Verhältnis habe, ohne sie gleich vereinnahmen zu wollen. Und ich weiß die Arbeit von NGOs auch im sozialpräventiven, bewusstseinsbildenden Bereich sehr zu schätzen – wie etwa die demokratiefördernde Tätigkeit der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus.

Die Wissenschafterin Dot Kee hat am Sozialforum die These vertreten, der Neo­liberalismus sei bereits in der Defensive und müsse täglich neue Legitimationsstrategien erfinden – teilen Sie diese Meinung?

Nein, leider kann ich das nicht so optimistisch sehen. Im Gegenteil: Die neoliberale Offensive hat ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. Sie wird von der Politik der Notenbanken und vieler nationaler Regierungen – leider auch sozialdemokratisch geführter – vorangetrieben. Die deutsche und die britische Regierung zählen an vorderster Front zu jenen, die sich Einschränkungen im Sozialbereich zugunsten der Interessen der Großunternehmen verschrieben haben.

Andererseits gibt es auch Verbindungen zwischen Teilen der Sozialdemokratie und der globalisierungskritischen Bewegung …

Ja, vor allem GewerkschafterInnen nehmen aktiv an den Sozialforen teil wie etwa in Österreich Teile der Eisenbahnergewerkschaft. Es ist an der Zeit, dass die sozialdemokratischen Parteien überlegen, wo sie sich einreihen, weil sie sonst spaltungsgefährdet sind und in einen sozialistischen und einen sozialdemokratischen Teil zerfallen könnten.

Werden Sie auch hier vor Ort am österreichischen Sozialforum teilnehmen? Und: Was ist Ihr ganz persönliches Bombay-Resümee?

Ich möchte mich gerne an diesen Bemühungen vor Ort beteiligen – ich möchte allerdings nicht den Eindruck erwecken, dass ich mich da als Landespolitiker in irgendeiner Form aufdränge oder anbiedere, dazu bin ich an der Sache selbst zu interessiert.

Was Bombay betrifft, so fände ich es wichtig für viele meiner PolitikerkollegInnen, auch einmal hautnah zu erleben, wie viele unterschiedliche Gesichter die Unterdrückung annehmen kann, die unserem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem innewohnt – von der Kinderarbeit bis zu Repressionen gegen Prostituierte; und umgekehrt, wie sehr die Bemühungen in vielen Ländern der so genannten dritten Welt auf eine Demokratisierung gerichtet sind. Ich hab’ zum Beispiel an einem Workshop über die Verfassungsdebatten in den Entwicklungsländern teilgenommen, und der dort anwesende Außenminister von Tansania hat berichtet, dass sein Land eine Verfassungsbestimmung einführen möchte, wonach ein Drittel aller Parlamentsabgeordneten Frauen sein müssen. Ich bin jedenfalls mit einer Realität konfrontiert worden, mit der sich der durchschnittliche europäische Politiker üblicherweise nicht auseinander setzt.