04/2001
 
 
KORSO verlost in Kooperation mit der Neuen Galerie monatlich 5 x 2 Eintrittskarten für die Ausstellung beim Kulturquiz und bringt in den nächsten Ausgaben Kurzdarstellungen der Biographien von einigen der ausgestellten KünstlerInnen.
 
Karl Wiener (1901-1949)
„Ich hoffe, dass die Jungen über Not und Tod triumphieren“

Eines ist vielen der nun in der Ausstellung über die verdrängte steirische Moderne versammelten KünstlerInnen gemeinsam: Die Sicherung ihrer Spuren ist schwierig, allzu lange waren sie vergessen. Ganz besonders davon betroffen ist der Grazer Karl Wiener: ein nicht unbeträchtlicher Teil seines Oeuvres ist verschollen, und auch nur wenige Details seiner Biographie sind rekonstruierbar.
Wiener wuchs in einer sozialdemokratischen Familie auf, sein Vater war beim Parteiorgan „Arbeiterwille“ beschäftigt, er war Mitglied der ersten Kinderfreunde-Gruppe unter deren Gründer Anton Afritsch. Nach dem Besuch der Landesrealschule in Graz arbeitete er bei mehreren Banken in der Steiermark und in München; schließlich kehrte er nach Graz zurück, wo er 1924-26 die Landeskunstschule besuchte; er wurde Mitglied der Grazer Sezession, dürfte dort aber wenig Kontakte gepflegt haben. Seine frühen Werke zeigen bereits den Einfluss der Neuen Sachlichkeit und des Expressionismus.

Internationale Einflüsse
Seine Ausbildung setzte Wiener dann an der Wiener Kunstgewerbeschule fort; ein Stipendium ermöglichte ihm Reisen ins europäische Ausland, wo er mit den wesentlichen Strömungen der internationalen Kunst in Kontakt treten konnte: Der Einfluss von George Grosz, John Heartfield, Otto Dix, Kurt Schwitters und anderen auf seine danach entstandenen Werke ist unverkennbar. In dieser Zeit entstehen vor allem Bilder, die das Los der Arbeiter veranschaulichen: Ausbeutung und Entfremdung sind stark zu Tage tretende Motive.
Bis zu ihrem Verbot 1934 war Wiener Mitglied der SDAP, 1940 tritt er der „Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt“ bei – da keine Aktivitäten aus dieser Mitgliedschaft bekannt sind, dürfte dieser Beitritt aus Gründen der Existenzsicherung erfolgt sein. Ebenfalls 1940 erhält Wiener einen Lehrauftrag an der Reichshochschule für angewandte Kunst in Wien; er trifft sich aber weiterhin in der Steiermark mit seinen Freunden aus der Sozialdemokratie. Seine der Moderne verpflichteten Arbeiten finden während der NS-Zeit keine Öffentlichkeit: Zum Teil handelt es sich dabei um Collagen, die durch die Auswahl der Motive und die Anordnung der Bildelemente zueinander Merkmale der wesentlich späteren Pop-Art aufweisen.
 

Der Stier und die Europa, Collage, Gouache, 1940, 16 x 12 cm, Hist. Museum der Stadt Wien

Botschaft an die Zukunft
Nach dem Krieg kann Wiener mit seinen Werken wieder vor Publikum treten; der Wiener Kulturstadtrat Viktor Matejka zählt zu seinen Förderern.
Schon früh treten in Wieners Werk Hinweise auf eine intensive Beschäftigung mit dem Suizid auf – der Künstler portraitiert sich selbst mit einer Pistole, die er sich an die Schläfe hält, etwas später zeigt er sich in einer Zeichnung erhängt mit einem Leintuch. Diese Grundstimmung – vermutlich verstärkt durch erhöhten Medikamenten- und Suchtmittelkonsum – ändert sich auch nach dem Krieg nicht.
 

Drei Männer (Arbeiter), 1932, Gouache, um 1932, 34,6 x 25 cm, Hist. Museum der Stadt Wien

In seinen „Grotesken“ – zahlreiche Federzeichnungen, die das Horrorszenario des Krieges, der Nazi-Herrschaft und die eigene Befindlichkeit des Künstlers in einem Bild zu vereinigen suchen – tritt Wiener als Warner der zukünftigen Generationen auf. Im Zusammenhang mit diesen Werken schreibt er: „… ich hoffe, dass die Jugend und die ,Jungen‘ aller Völker und Länder, aus unermesslicher materieller, geistiger und seelischer Zerstörung über Not, Tod und … Bedrängnis (trotz allem) triumphieren …“. Für sich selbst kann er diesen Optimismus allerdings nicht wieder gewinnen. 1947 verliert er seine Arbeit an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien; am 29. April 1949 begeht er in seinem Atelier Selbstmord.

Der vorliegende Artikel folgt dem Beitrag Günter Holler-Schusters im Ausstellungsband Moderne in dunkler Zeit. Widerstand, Verfolgung und Exil steirischer Künstlerinnen und Künstler 1933-1948. Hrsg. Von Peter Weibel und Günter Eisenhut.  ISBN 3-85420-564-3. Graz: Droschl 2001, ca. 650 Seiten, 850 Abb., öS 490,-.
 
 
Dauer der Ausstellung: 24. März - 30. Juni 2001 
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr 


Enormes Publikumsinteresse bei der Ausstellung „Moderne in dunkler Zeit“: Mehrere hundert Personen drängten sich in den Räumlichkeiten der Neuen Galerie, um bei der Eröffnung der ersten Schau über die verfemte steirische Avantgarde der Zwischenkriegszeit dabeizusein. 

Leiter des Forschungsprojektes: Peter Weibel 
Idee, Recherche: Günter Eisenhut 
Kurator: Günther Holler-Schuster 
Ausstellungsarchitektur: Erika Thümmel 
Plakatsujet: Karl Wiener, „Collage“, 1941 (Historisches Museum der Stadt Wien) 

Eintrittspreise: Erwachsene: ATS 60.–; Senioren / StudentInnen / Schülerinnen / Lehrlinge / Behinderte / Präsenz- und Zivildiener: ATS 40.–; 
Familienkarte (2 Erw. und Kinder bis 15 Jahre): ATS 100.–; Gruppenkarte (ab 7 Pers.): ATS 40.– pro Person; Schulklasse (pro SchülerIn): ATS 10.–; Führungskarte: ATS 20.– 
Kunstvermittlung: Erlebnisorientierte Führungen für Schulklassen mit Gewinnspiel 
Führungen: So 11 Uhr, Do 18 Uhr und gegen Voranmeldung 
Voranmeldung für Gruppen unbedingt erforderlich! Tel. 0316-82 91 55-93 11 (Christian Krump) 

Neue Galerie Graz am Landesmuseum Joanneum 
8010 Graz, Sackstraße 16, 
Tel. 0316-82 91 55, Fax 0316-81 54 01 
e-Mail: post@neuegalerie.stmk.gv.at 
Web: http://www.neuegalerie.at

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