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Anlässlich des 110. Geburtstages und
in Vorschau auf die im Herbst 2000 in der Neuen Galerie
Graz zu sehenden Ausstellung: "Verfolgung, Widerstand
und Exil steirischer Künstlerinnen und Künstler"
präsentieren Ihnen KORSO und der Verein CLIO hier
nach Herbert Eichholzer und Hubert Hoffmann diesmal einen
der bedeutendsten Verfertiger von Holzschnitten und -stichen
den Mitbegründer der Sezession Graz, Axl Leskoschek.
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Ich habe von Ihrem Wunsch gehört, im Sommer Wien zu besuchen
und lade Sie als Stadtrat für Kultur und Volksbildung
der Stadt Wien recht herzlich ein, Ihr Vorhaben durchzuführen.
Sie und Ihre Kunst haben in Wien und Österreich so viele Freunde,
daß Sie mit einer herzlichen Aufnahme in Ihrer Heimat rechnen
können. Wir haben Ihren Aufenthalt in Wien auch schon in bescheidenem
Maße vorbereitet, indem wir an zwei Stellen der Wiener Volksbildung
Ihre Holzschnitte ausgestellt haben und nun in der graphischen
Sammlung Albertina eine kleine Schau vorbereiten. Ich hoffe
Sie bald in Wien begrüßen zu dürfen und verbleibe
mit den besten Grüßen Ihr Stadtrat Viktor Matejka."
Der legendäre Wiener Stadtrat Viktor Matejka war
1948 einer der wenigen Offiziellen in Österreich, der sich
um die Rückkehr des im brasilianischen Exil befindlichen
Axl Leskoschek bemühte.
Axl Leskoschek (eigentlich Albert von Leskoschek) wurde am
3. September 1889 als Sohn eines Feldmarschallleutnants in
Graz geboren. Nach dem Jusstudium war er Fliegerleutnant im
Ersten Weltkrieg, aus dem er schwer verwundet zurückkehrte.
Durch dieses einschneidende Kriegserlebnis verzichtete er
in der Folge auf eine Justizkarriere und begann statt dessen
an der Landeskunstschule Graz bei Alfred Schrötter zu studieren.
Zwischen 1921 und 1923 setzte er bei Cossmann in Wien an der
Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt sein Studium fort. Gleichzeitig
begeisterte Leskoschek sich für die politischen Umwälzungen,
die 1917 in Russland ihren Ausgang genommen hatten, und wurde
Sozialist. Für die sozialdemokratische Tageszeitung "Arbeiterwille"
wirkte er bis 1934 als Kulturredakteur. Bereits 1920 entstand
das erste von Axl Leskoschek mit Holzschnitten illustrierte
Buch, dem bis zu seinem Tod über 50 weitere Bücher
folgen sollten. Die künstlerische Spannweite reichte
von Andersens Märchen und Geschichten und den
mittelalterlichen Märchen und Legenden aus den Gesta
Romanorum über E.T.A. Hoffmann, Christoffel von Grimmelshausen,
Heinrich von Kleist, Johann Nestroy, Peter Rosegger und Anzengruber
bis zu Illustrationen zu Romanen der Weltliteratur in der
Wiener Volksstimme - Victor Hugo, Henry Fielding, Daniel
Defoe und Robert Louis Stevenson. Seine Visualisierungen des
geschriebenen Wortes begründete auch den Ruf einer der
ganz Großen der "Kleinkunst" - der kleinen Holzschnitte
und Stiche - dieses Jahrhunderts zu sein. In Brasilien, wohin
er 1940 vor den Nationalsozialisten geflohen war, zählt
er - der dort neben zeitgenössischen brasilianischen Autoren
auch die brasilianische Werkausgabe von Dostojewski und Ulrich
Bechers Versbuch Brasilianischer Romanzero illustriert
hatte - zu den bedeutendsten Holzschnitzern des Jahrhunderts,
was auch durch mehrere Ausstellungen in Rio de Janeiro dokumentiert
wurde.
Axl Leskoschek gehörte in Graz zu den Gründern des Werkbunds
"Freiland" (1919) und der Sezession (1923), den
für das steirische Kunstleben bestimmenden Vereinigungen
der Zwanziger- und Dreißigerjahre. Mit Holzschnitten
- so seinen Faust-Illustrationen - und expressionistischen
Bildern trat er innerhalb der Sezession von Beginn an in Erscheinung
und konnte erste Preise gewinnen. Leskoschek war aber nicht
nur als Holzstecher und Schnitzer in all den Jahren tätig,
sondern wirkte unter anderem auch zwischen 1928 und 1931 als
Bühnenbildner am Stadttheater in Augsburg. Für sein
graphisches Werk erhielt er 1925 den Österreichischen Staatspreis.
Leskoschek hatte sich daneben aber auch sehr stark innerhalb
der Sozialdemokratie engagiert. So nahm er im Februar 1934
an den Kämpfen in Graz teil, was zur Folge hatte, dass
er mehrere Monate in Haft war. Wegen des Verdachtes der illegalen
politischen Betätigung im Rahmen der Kommunistischen
Partei, der er nach den Kämpfen beigetreten war, wurde
er 1935 erneut angehalten, konnte aber untertauchen und lebte
fortan unter falschem Namen in der CSR und in Wien. 1936 wurde
er enttarnt, verhaftet und im Anhaltelager Wöllersdorf interniert,
wo eine Reihe von Arbeiten auf grobem Packpapier entstanden.
Um seine Freilassung bemühten sich damals unter anderem
Franz Theodor Csokor und die Labourparty, die anlässlich
des Englandaufenthalts des österreichischen Staatssekretärs
für Auswärtige Angelegenheiten diesem eine Liste
politischer Häftlinge mit der Bitte um Amnestie überreichte.
In der Folge (1937/38) war er gemeinsam mit Herbert Eichholzer
und dem ehemaligen stellvertretenden Redakteur des "Arbeiterwillen",
Dr. Kurt Neumann, auch im Rahmen der "Grazer-Gruppe"
am Entstehen der ersten und einzigen Nummer der Avantgarde-Zeitschrift
Österreichs "Der Plan" führend beteiligt. Die
politischen Ereignisse - der "Anschluss" Österreichs
an das Deutsche Reich und die damit verbundenen Verfolgungen
österreichischer Antifaschisten - ließen ein weiteres
Erscheinen der Zeitschrift nicht mehr zu: Axl Leskoschek und
Herbert Eichholzer flohen zudem gemeinsam am 12. März
1938 aus Österreich. Während Herbert Eichholzer vorerst
nach Paris ins Exil ging, floh Leskoschek in die Schweiz,
wo er mit einer Holzschnittserie begann, die er erst im Jahre
1959 abschließen sollte und die die illustrierte Geschichte
seines Lebens darstellt: die Odyssee. Denn die Schweiz war
nur die erste Station auf seiner Flucht. Wegen antinationalsozialistischer
Tätigkeit verhaftet wurde Leskoschek 1940 aus der Schweiz
auf Lebzeiten ausgewiesen. Es gelang ihm über eine kirchliche
Hilfsorganisation gemeinsam mit seiner Frau, die er in der
Schweiz kennengelernt hatte, weiter nach Brasilien zu fliehen,
wo er im Jänner 1941 ankam und bis August 1948 bleiben
sollte.
In Brasilien entstand eine Reihe von Ölbildern, Aquarellen,
Linol- und Holzschnitten, Pochoirs, Lithographien und Radierungen,
die voll vom Zauber und der Exotik der Menschen und der Landschaft
Brasiliens sind. Daneben unterrichtete Leskoschek an der Akademie
der Bildenden Künste in Rio de Janeiro Holzschnitt und
Komposition und wurde so zum Lehrer einen ganzen Generation
brasilianischer Künstler. Die Bildhauerin Edith Behring
meint etwa:
"Seine kulturelle Bildung und außerordentlichen
menschlichen Fähigkeiten haben dem künstlerischen
Milieu Rios einen starken Anstoß gegeben, einem Milieu,
das damals noch wesentlich kleinstädtischer war. Sein
Beispiel als Fachmann sowie die Genauigkeit seiner Lehre beeinflussten
sichtlich die Grundausbildung mancher unserer Künstler."
Sein Ruf wurde zudem durch seine über 200 Illustrationen
zu den Büchern Dostojewski begründet. Auch schuf
Leskoschek in Brasilien die besten Holzstiche zu seinem graphischen
Hauptwerk, dem autobiographischen Zyklus Odysseus. Aus seinem
Exil war Leskoschek 1948 nach Österreich zurückgekehrt
und ihm geht es wie dem griechischen Helden, der nach vielen
Jahren zurückkehrte und von niemanden erkannt wird außer
von seinem Hund. Das bittere Bild im Odysseus - Zyklus "Bettler
vor der eigenen Tür" zeigt dies sehr deutlich. In
Wien, wo sich Leskoschek nun wieder niederließ, wirkte er
als freischaffender Künstler und Kulturredakteur. Viele
Illustrationen in Zeitschriften, Zeitungen und Büchern
folgten in den kommenden Jahren. So schloss er unter anderem
1959 auch den bereits 20 Jahre zuvor begonnenen Zyklus der
Odyssee ab.
Das zweite graphische Hauptwerk (1961-1964), der Kainzyklus
- ein elf Farblinolschnitte umfassendes Mappenwerk, hat wie
bereits in der Odyssee nicht die historische Figur im Zentrum,
sondern den Menschen in seiner Zeit, der kein Mittel unversucht
lässt, das Böse in der Welt weiterleben zu lassen und
sich dadurch immer mehr selbst in den Abgrund drängt.
Axl Leskoschek wurde nach seiner Rückkehr nach Österreich
nicht wirklich heimgeholt und sein Exil setzte erst jetzt
richtig ein. Kurz vor seinem Tod 1976 meinte er in einem Rückblick,
es sei der größte Fehler seines Lebens gewesen, Brasilien
zu verlassen, wo er so viele Freunde und Schüler hatte,
um in sein Land zurückzukehren und dort weiterhin unbekannt,
fast anonym zu bleiben.
Denn während er in Brasilien bereits in den Vierzigerjahren
durch Ausstellungen entsprechend gewürdigt wurde, kam
es erst 1971 bzw. 1974 in Graz und Wien zu größeren
Ausstellungen, um ihn gleich darauf wieder zu vergessen. Eine
zu seinem 100. Geburtstag 1989 geplante Ausstellung wurde
unter dem Vorwand des Geldmangels wieder abgesagt.
Virtuelle Austellung Axl Leskoschek
(1889 - 1976)
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