10 / 1999
 

„Die Gänse vom Feliferhof schnattern“

   „In nicht allzu langer Zeit wird die Arbeit realisiert“, glaubt Jochen Gerz, wenn er über sein für das Bundesheer konzipiertes Mahnmal „Die Gänse vom Feliferhof“ spricht. So auch am Rande des „steirischen herbstes 1999“. Voll Optimismus berichtet er, dass die Gänse im Internet (unter: http://www.farm.de/gerz/gerzDE/vita*DE.html) schnattern und das Mahnmal bald schon realisiert werden könnte. Dann nämlich, wenn eine neue Generation im Heer die Täter nicht mehr fürchten muss und daher selbst dieses Denkmal will.

Jochen Gerz hat mit seiner Frau Esther den 1995 ausgeschriebenen internationalen Wettbewerb für die Gestaltung einer Gedenkanlage auf dem Gelände der Bundesheerschießstätte Feliferhof (Graz / Wetzelsdorf) gewonnen. Hier war es während der NS-Zeit zu Hinrichtungen von Gegnern des Nationalsozialismus gekommen.


Jochen Gerz

Die „Gänse vom Feliferhof“ sind kein „herkömmliches“ Denkmal. Gerz greift das Ritual der Fahnenhissung auf und wendet es auf das Mahnmal an. Bei jeder Benutzung der Schießstätte am Feliferhof sollen den Rekruten vier Fahnen mit Texten ausgegeben werden, die an vier 7 Meter hohen Fahnenstangen gehisst und beim Verlassen des Schießplatzes wieder eingeholt werden. Durch das Fahnen-Ritual wird Präsenz-Abwesenheit, Erinnerung-Vergessen symbolisiert. Mittels einer Informationstafel, die die historischen Ereignisse am Feliferhof kurz skizziert, und den Fahnentexten wird eine Erinnerungs-, Nachdenk- und Erziehungsarbeit im Sinne der Menschenrechte angeregt und eingefordert. Die ständige Auseinandersetzung soll wie ein „Frühwarnsystem“ ähnlich den Gänsen des Kapitols im antiken Rom funktionieren – daher der Name des Denkmals.
Die Auseinandersetzung der Rekruten mit der Geschichte und den Menschenrechten wird durch die Vorgabe der jährlichen Neugestaltung der Fahnen-Texte durch einen vom Heeresgeschichtlichen Museum ausgeschriebenen Wettbewerb unter den Soldaten zusätzlich gefördert. Jochen und Esther Gerz geben nur die Sprüche des ersten Fahnenentwurfes vor. Die Textierung dieses ersten Fahnensatzes ist der Grund, warum das Mahnmal noch nicht errichtet worden ist. Die von Gerz in roter Schrift gehaltenen vier Sprüche auf weißem Fahnenstoff lauten: „Auf Mut steht der Tod“, „Verrat am Land wird dekoriert“, „Barbarei ist die Soldatenbraut“ und „Soldaten so heißen wir auch“.
Diese Sätze seien, so Militärkommandant Divisionär Arno Manner 1996, nicht dazu geeignet, die Soldaten zum „Nachdenken über die Greuel der Scharfrichter und Henker eines menschenverachtenden Regimes anzuregen“. Durch Bemühungen vor allem seitens der Grünen schnatterten die Gänse in Ausstellungen, im Parlament, in Schulen und anderen Orten. Und der Versuch des Bundesheeres, sich aus der Geschichte zu stehlen und die Gänse zu Verschwinden zu bringen, scheiterte. Denn, so Gerz: „Etwas was nicht da ist, kann nicht verschwinden.“
Heimo Halbrainer
 



DIE ANDERE STEIERMARK