03 / 1998
  Graz, 1848: Die Tage des Aufbruchs
150 Jahre bürgerliche Revolution
   
 

von Heimo Halbrainer


13. März 1848, Wien: Metternich mokiert sich über die Bürger-"Krawalle". "Durchlaucht, das ist kein Krawall, das ist eine Revolution!", entgegnet ihm ein Deputierter des Bürgerkorps. Am Abend ist Metternich bereits geflohen.
Als die Meldungen vom Aufstand in Wien in Graz eintreffen, erheben sich auch hier Bürger, Studenten und Arbeiter. Nicht nur politische Forderungen nach mehr Freiheit werden gestellt: Durch die gesellschaftliche Aufbruchsstimmung bestärkt, fordern die verarmten unteren Klassen Preis- und Steuersenkungen.

Anfang März waren erste Informationen über die Leichtigkeit, mit der in Frankreich das Regime Louis Philippes gestürzt und die Republik ausgerufen wurde, nach Graz gelangt. Rasch wurden erste handgeschriebene Flugblätter angefertigt:

Drum auf, drum auf, ihr Völker all,
Ergreift die Waffen schnell,
Bekämpfet fest den Übermuth
Der sich am Throne Gutes thut,
Kommt, opfert Leib und Seel.
Auf, auf, ihr Völker, hier und dort,
Die Losung heißt: Tyrannenmord!


Dann, am 14. März, treffen die Meldungen aus Wien ein. Die Studenten berufen an der Universität in der Bürgergasse eine Versammlung ein und beschließen im Beisein freiheitlich gesinnter Professoren eine Petition an den Kaiser, in der sie politische Freiheit fordern.
 
Verkündung der Aufhebung der Zensur,
der Einführung einer Nationalgarde und der
Zusage für eine Konstitution in Graz (16.3.1848)
 

"Geben Sie Gedankenfreiheit!"


Gleichzeitig tagt eine Versammlung der Bürger unter der Führung des Grazer Advokaten Vinzenz Emperger im Gasthaus "Zum goldenen Rössel" in der Mariahilferstraße, in der eine ähnliche Resolution an den Herrscher beschlossen wird. Die Bürger fordern die Vertretung ihres und des Bauernstandes im Landtag, die Wahl des Bürgermeisters durch die Bürgerschaft, Geschworenengerichte, Aufhebung der körperlichen Strafen, ferner persönliche Denk-, Rede- und Gewissensfreiheit, die Ausweisung der Jesuiten und die Einziehung der Kirchengüter, aber auch Steuersenkungen. Die Abschaffung der Zensur, die Errichtung der Konstitution und die Bewaffnung des Volkes (Nationalgarde) war all diesen in den Märztagen vorgetragenen Petitionen gemeinsam.
Als noch am Abend des 14. März 1848 Erzherzog Johann die Nachricht vom Sturz Metternichs überbringt, kommt es im Theater zu stürmischen Beifallskundgebungen, als Marquis Posa in Schillers "Don Carlos" an Phillip II. die Worte richtet: "Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!"


Bürgerbewaffnung

Am nächsten Tag tritt der Landtag zusammen. Im Hof des Landhauses und in der Herrengasse kommt es zu einer großen Menschenansammlung, die sich bald in den Münzgraben zum Kloster der Jesuiten bewegt. Diese machte man nicht zu Unrecht für die geistige Knebelung des Volkes verantwortlich. Alle Fenster werden eingeworfen, am 28. März ziehen die Jesuiten aus Graz ab.
Der Gouverneur verfügt die Bewaffnung der Studenten aus den Beständen des Zeughauses. Die Waffen werden auf Handkarren in die Universität gebracht. Österreicher, Slawen und Italiener stehen dort noch vereint in Reih und Glied mit der weiß-grünen Kokarde geschmückt. Zum Befehlshaber wird der Oberst der Bürgergarde, Josef Andreas Kienreich, bestellt. Studenten und Bürgerschaft übernehmen die Verantwortung für die öffentliche Ruhe. Die Arbeiterschaft wird ängstlich von einer Bewaffnung ausgeschlossen.
Am 15. März wird am Hauptwacheplatz das kaiserliche Patent verlesen: Die Aufhebung der Zensur, Pressefreiheit, die Konstitution und die Aufstellung einer Nationalgarde werden bewilligt. Um die Freude darüber zu demonstrieren, heißt es: "Alle Häuser beleuchten".


Die zweite Revolution

Am 1. April schlägt die Stimmung um: Das neue Preßgesetz, das für Kritik an Regierung und Verwaltung hohe Strafen vorsieht, stößt auf breite Ablehnung, die Wut gegen die alte Ordnung entlädt sich. Die Aufschrift Franzensplatz wird heruntergerissen, und beinahe wird die Statue Kaiser Franz’ von ihrem Marmorsockel gestürzt. Der Auflauf lockt in den Abendstunden auch viele Arbeiter und Taglöhner an. Damit setzt die zweite, die soziale Revolution ein, und sie entzündet sich an den hohen Preisen für Nahrungsmittel. Fünftausend Menschen ziehen von der Inneren Stadt in die äußeren Stadtviertel und zertrümmern die Fenster der Bäcker.
Die Nationalgarde versucht Ordnung zu schaffen, wird aber von den Demonstranten mit Steinen beworfen. Durch den Erfolg ermutigt – noch in der Nacht verspricht die Bäckerinnung, das Brot größer zu backen – beschließt man für die nächste Nacht einen Sturm auf die Fleischer. Als die Menge jedoch im Kälbernen Viertel auf mit Hacken und Messern bewaffnete Fleischer stößt, zieht man weiter: das Mauthaus vor der Eggenberger Allee, das Symbol der Verzehrungssteuer, wird gestürmt, jenes am Steinfeld in Brand gesteckt. Die Aktionen sind von Erfolg gekrönt: Fleischer und Bierbrauer senken ihre Preise, und die Bäcker stellen ihr Oblaßbrot um 8 Lot schwerer her.
Nach den Errungenschaften des März – die Gewährung der Pressefreiheit und Einberufung eines Reichstages ebenso wie die Abschaffung von v. a. die sozial Schwachen treffenden Steuern – legt sich der Sturm, ehe er im Oktober noch einmal losbricht. Doch da haben die alten Mächte wieder die Oberhand. Prag und Mailand sind schon im Juni und August von Windischgrätz und Radetzky "zur Räson" gebracht worden. Im September werden Ungarn und im Oktober Wien folgen.
   
   


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