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der Steiermark
 
12/2005
     

ROBIN HUT / Briefe aus Absurdistan / 9. Brief: Dezember 2005


 

Lieber Freund!

Immer wieder beschleicht mich beim Schreiben meiner Briefe aus Absurdistan das Gefühl, als würde ich sie tatsächlich in eine andere Welt senden. In eine Welt, wo die Absurditäten welche Regierungen und Politiker fabrizieren, aber auch die mir teilweise unverständlichen Nicht-Reaktionen der Regierten, auf Betroffene treffen, die sich aber gar nicht betroffen fühlen, obwohl sie es sind.

Unbestrittener Spitzenreiter in der Produktion dieser Absurditäten ist, wie bekannt, das Regime Bush jr. in „Gods own country“. Daran, dass der Staat durchaus beliebte sexuelle Praktiken auch zwischen erwachsenen Eheleuten verbietet und im Ernstfall nicht den Voyeur bestraft, sondern die von ihm durchs Fenster beobachteten Ausführenden, haben wir uns kopfschüttelnd bereits gewöhnt. Dass der 1.000 seit Wiedereinführung der Todesstrafe Verurteilte auch Anlass zu einer kleinen Gedenkfeier – im Gegensatz zu den ebenfalls geplanten Protestkundgebungen – sein soll, passt auch ins Bild der wohl brutalsten Nation der Welt. Und dann ist wohl auch schlüssig, wenn man jetzt mit der Macht des Staates gegen die Theorien Darwins vorgeht. Wie alle einfachen Menschen wird wohl auch Mr. Bush darin nur das sehen, was ihn persönlich betrifft, nämlich die genetische Verwandtschaft mit den Affen (und da kann diese 100mal belegt sein). Womit gewährleistet ist, dass US-amerikanische Schüler künftig wieder lernen, dass alles, was Regierungen tun, gottgewollt ist.

Immerhin haben die amerikanischen Konservativen dafür ja auch wortgewaltige Unterstützung aus der zweiten Weltmacht, der katholischen Kirche, erhalten. Und wir Österreicher dürfen stolz darauf sein, dass es ein Kardinal aus unserem Land war, der sich berufen fühlt, diese zu postulieren. Den Affen jedenfalls wird’s recht sein: Bei aller Verwandtschaft kann man ihnen ja nicht nachsagen, dass sie sich gegenseitig zum Tode verurteilen oder einander vorschreiben, wer es wann mit wem wie treiben darf (wobei sie gegen Kindesmissbrauch übrigens scharf vorgehen: Der kommt tatsächlich vor, wird dann aber von der gesamten Horde sofort und scharf geahndet, allerdings auch nicht mit der Todesstrafe …).

Und Bush jr. braucht sich wohl auch keine Sorgen zu machen, dass die nächste Wortmeldung aus Österreich allzu kritisch ausfallen wird. Wenn unser aller (?) Bundeskanzler in Vorbereitung auf die EU-Präsidentschaft seinen Antrittsbesuch macht. Zwar haben die Vereinigten Staaten unter Bush wichtige soziale Errungenschaften des 20. Jahrhunderts rückgängig gemacht und eine Gesellschaft geschaffen, in der nur das Recht des entweder stärker Bewaffneten oder wirtschaftlich Stärkeren zählt, aber da kann Wirtschaftskämmerer Wolfgang Schüssel nun – zumindest was Zweiteres betrifft – wohl seinem großen Vorbild die Hand schütteln. In der staatseigenen Post werden jetzt z.B. eigene Mobbing-Center geschaffen, wo wenig geliebte MitarbeiterInnen geparkt und schikaniert werden; statt in Zeiten von Feinstaub, Ölkrise und allgemeinen Wohlstandsrückgangs endlich den öffentlichen Verkehr auszubauen, wird das Management der ebenfalls staatseigenen Bahn dafür gelobt, dass es das Heil im phantasielosen Mitarbeiterabbau sieht.

Und jene, von denen man da Widerstand erwarten hätte dürfen, die Grünen, haben endlich den Status einer professionellen Partei erreicht: Sie sind ausschließlich mit sich selbst beschäftigt.

Womit gewährleistet ist, dass sich nichts ändert im schönen Land Absurdistan und mir der Stoff für meine Briefe nie ausgehen wird, fürchtet dein

Robin Hut

 

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