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Lieber Freund!
Immer wieder beschleicht mich beim Schreiben meiner
Briefe aus Absurdistan das Gefühl, als würde ich sie tatsächlich
in eine andere Welt senden. In eine Welt, wo die Absurditäten
welche Regierungen und Politiker fabrizieren, aber auch die mir
teilweise unverständlichen Nicht-Reaktionen der Regierten,
auf Betroffene treffen, die sich aber gar nicht betroffen fühlen,
obwohl sie es sind.
Unbestrittener Spitzenreiter in der Produktion
dieser Absurditäten ist, wie bekannt, das Regime Bush jr. in
„Gods own country“. Daran, dass der Staat durchaus beliebte
sexuelle Praktiken auch zwischen erwachsenen Eheleuten verbietet
und im Ernstfall nicht den Voyeur bestraft, sondern die von ihm
durchs Fenster beobachteten Ausführenden, haben wir uns kopfschüttelnd
bereits gewöhnt. Dass der 1.000 seit Wiedereinführung
der Todesstrafe Verurteilte auch Anlass zu einer kleinen Gedenkfeier
– im Gegensatz zu den ebenfalls geplanten Protestkundgebungen
– sein soll, passt auch ins Bild der wohl brutalsten Nation
der Welt. Und dann ist wohl auch schlüssig, wenn man jetzt
mit der Macht des Staates gegen die Theorien Darwins vorgeht. Wie
alle einfachen Menschen wird wohl auch Mr. Bush darin nur das sehen,
was ihn persönlich betrifft, nämlich die genetische Verwandtschaft
mit den Affen (und da kann diese 100mal belegt sein). Womit gewährleistet
ist, dass US-amerikanische Schüler künftig wieder lernen,
dass alles, was Regierungen tun, gottgewollt ist.
Immerhin haben die amerikanischen Konservativen
dafür ja auch wortgewaltige Unterstützung aus der zweiten
Weltmacht, der katholischen Kirche, erhalten. Und wir Österreicher
dürfen stolz darauf sein, dass es ein Kardinal aus unserem
Land war, der sich berufen fühlt, diese zu postulieren. Den
Affen jedenfalls wird’s recht sein: Bei aller Verwandtschaft
kann man ihnen ja nicht nachsagen, dass sie sich gegenseitig zum
Tode verurteilen oder einander vorschreiben, wer es wann mit wem
wie treiben darf (wobei sie gegen Kindesmissbrauch übrigens
scharf vorgehen: Der kommt tatsächlich vor, wird dann aber
von der gesamten Horde sofort und scharf geahndet, allerdings auch
nicht mit der Todesstrafe …).
Und Bush jr. braucht sich wohl auch keine Sorgen
zu machen, dass die nächste Wortmeldung aus Österreich
allzu kritisch ausfallen wird. Wenn unser aller (?) Bundeskanzler
in Vorbereitung auf die EU-Präsidentschaft seinen Antrittsbesuch
macht. Zwar haben die Vereinigten Staaten unter Bush wichtige soziale
Errungenschaften des 20. Jahrhunderts rückgängig gemacht
und eine Gesellschaft geschaffen, in der nur das Recht des entweder
stärker Bewaffneten oder wirtschaftlich Stärkeren zählt,
aber da kann Wirtschaftskämmerer Wolfgang Schüssel nun
– zumindest was Zweiteres betrifft – wohl seinem großen
Vorbild die Hand schütteln. In der staatseigenen Post werden
jetzt z.B. eigene Mobbing-Center geschaffen, wo wenig geliebte MitarbeiterInnen
geparkt und schikaniert werden; statt in Zeiten von Feinstaub, Ölkrise
und allgemeinen Wohlstandsrückgangs endlich den öffentlichen
Verkehr auszubauen, wird das Management der ebenfalls staatseigenen
Bahn dafür gelobt, dass es das Heil im phantasielosen Mitarbeiterabbau
sieht.
Und jene, von denen man da Widerstand erwarten
hätte dürfen, die Grünen, haben endlich den Status
einer professionellen Partei erreicht: Sie sind ausschließlich
mit sich selbst beschäftigt.
Womit gewährleistet ist, dass sich nichts
ändert im schönen Land Absurdistan und mir der Stoff für
meine Briefe nie ausgehen wird, fürchtet dein
Robin Hut
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