korso EDITORIAL
Das Informationsmagazin 
der Steiermark
 
10/2005
     
    The Wind of Change
   

Die steirische Wende folgt einem europäischen Muster und hat doch ihre eigene Prägung: Regierungsparteien – egal ob sozialdemokratisch oder christlich-sozial – die sich allzu offensichtlich auf die Seite der Privilegierten (und heißen diese nur Andrea Herberstein) und der Konzerninteressen geschlagen haben, haben‘s derzeit einfach schwer. Angesichts fallender Reallöhne und steigender Arbeitslosenraten hegen nämlich immer mehr Menschen den Verdacht, dass die abstrakten Kenngrößen der Wirtschaftsforschung wenig damit zu tun haben, wie‘s der Mehrheit der Bevölkerung geht; dass das Anspringen der Konjunktur und der Anstieg der Exporte – beides Jubelmeldungen aus dem Wahlkampf – sich nur in den Taschen einiger weniger bemerkbar machen.

In einer solcherart angespannten Situation steigt die Sensibilität für jede Art von Ungerechtigkeit – dann reichen ein paar Hunderttausend Euro Abstandszahlung an einen Ex-Landesrat, und der Wunsch nach einem politischen Wechsel wird übermächtig. Dieser hat sich im Zeitalter des allzu offensichtlichen Scheiterns neoliberaler Rosskuren so stark links artikuliert, dass neben dem strahlenden sozialdemokratischen Wahlsieger Franz Voves auch noch Ernest Kalteneggers kommunistische Partei in respektabler Stärke in den Landtag einzieht und alle Gruppierungen rechts von der VP nicht (mehr) im Landesparlament vertreten sind. Diese Änderung der Kräfteverhältnisse hat post electionem auch die Volkspartei ergriffen, zu deren Frontmann nun zumindest vorläufig der Obmann des Arbeitnehmerflügels Hermann Schützenhöfer emporstieg. Dass die steirischen Grünen weder den Wunsch der Menschen nach politischer Erneuerung noch die zunehmende Ablehnung einseitig unternehmerfreundlicher Politik begriffen haben und ihre wirtschaftskonservative Spitzenkandidatin Ingrid Lechner-Sonnek sich immer die Option einer Koalition mit der Volkspartei offen hielt, hat fast zum Abschied aus dem Landtag geführt, der gerade noch durch das Grazer Grundmandat verhindert wurde. Wenn Franz Voves seine Ankündigung wahr macht und Öko-Programmatik wie Energieautarkie in seine praktische Politik übernimmt, wird‘s für die Grünen noch enger.

Christian Stenner

 

ROBIN HUT / Briefe aus Absurdistan / 7. Brief: Oktober 2005


 

Lieber Freund!

Mein heutiger Brief kommt aus einem anderen Absurdistan als bisher. Ist unsere Steiermark doch nach dieser Landtagswahl plötzlich ein Land mit einer klaren linken Mehrheit (zumindest für jene, welche die Grünen gerne als Linkspartei sehen möchten). Jetzt sind es nicht mehr wir, die es als absurd empfinden, was hier läuft, sondern die Politiker der Rechtsparteien, die offensichtlich nicht verstehen können, warum die Menschen einer Politik der Geldgeschenke an eigene Ex-Landesräte und Gräfinnen eine Absage erteilten. „In fünf Jahren muss die Steiermark wieder uns gehören“, gab die scheidende Parteichefin Klasnic noch am Abend der verlorenen Wahl als Parole aus. Für fünf Jahre werden die stillen Reserven wohl reichen, die man sich in den 60 guten Jahren wahrscheinlich geschaffen hat. Denn: Länger als fünf Jahre darf eine Politik nicht währen, die zum Beispiel Firmen dazu überreden will, wenigstens einen finanziellen Beitrag zur Ausbildung der jungen Menschen im Land zu leisten, wenn sie schon selbst keine Lehrlinge ausbilden, obwohl sie dazu in der Lage wären. Das könnte ja den Milliardärsminister Bartenstein mit seinem Pharmakonzern glatt ein paar zehntausend Euro im Jahr kosten. Länger als fünf Jahre darf eine Politik nicht dauern, die auf eine Energie-Autonomie der Steiermark abzielt, nachdem wir gerade dem Verbundkonzern unsere landeseigene Energieproduktion zum Geschenk gemacht haben. Und länger als fünf Jahre dürfen PolitikerInnen, die einer Gräfin Herberstein in die Bücher schauen wollen, nicht an der Macht bleiben, ein Ansinnen, zu dem wohl schon Kaiser Franz Josef gemeint hätte: „Ja dürfen die denn das?“

Absurd ist für die bürgerliche Rechte aber sicher auch, dass nun die Kommunisten die drittstärkste Partei im steirischen Landtag sind. Wäre Ernest Kaltenegger, der mit seinem stillen Dauerlächeln manche an Nikita Chrutschow erinnert, gar in die Regierung gekommen, hätte die Steiermark in der paranoiden Weltkarte von US-Präsident Bush sicher einen Ehrenplatz gleich neben dem Irak und dem Iran bekommen. Wobei hier wohl auch ein Stachel im Fleisch der steirischen Grünen steckt: Hätte ihnen jemand vor einem Jahr erklärt, dass Nikita Kaltenegger aus dem Stand an Ingrid Lechner-Sonnek vorbeiziehen wird, hätten sie das wohl auch für absurd gehalten.

Die Spitze der Absurdität schafft aber dann doch der neue ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer: Nachdem seine Partei im Wahlkampf monatelang Ernest Kaltenegger dafür gegeißelt hatte, dass dieser angeblich als Grazer Stadtrat nirgends mitstimmt, wählt er nun für seine ÖVP dasselbe Verhaltensmuster: Franz Voves und die SPÖ haben zwar die absolute Mehrheit in der Landesregierung, aber es gebe keinen Grund ihn deshalb zum Landeshauptmann zu wählen. Vielleicht möchte Schützenhöfer gar selber Landeshauptmann werden. Und dann gegen eine Mehrheit regieren? Offenbar bleibt doch alles beim Alten: Irgendwer sorgt immer für ein neues Absurdistan,
meint dein besorgter

Robin Hut

 

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