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Die
steirische Wende folgt einem europäischen Muster und hat doch
ihre eigene Prägung: Regierungsparteien – egal ob sozialdemokratisch
oder christlich-sozial – die sich allzu offensichtlich auf
die Seite der Privilegierten (und heißen diese nur Andrea
Herberstein) und der Konzerninteressen geschlagen haben, haben‘s
derzeit einfach schwer. Angesichts fallender Reallöhne und
steigender Arbeitslosenraten hegen nämlich immer mehr Menschen
den Verdacht, dass die abstrakten Kenngrößen der Wirtschaftsforschung
wenig damit zu tun haben, wie‘s der Mehrheit der Bevölkerung
geht; dass das Anspringen der Konjunktur und der Anstieg der Exporte
– beides Jubelmeldungen aus dem Wahlkampf – sich nur
in den Taschen einiger weniger bemerkbar machen.
In einer solcherart angespannten Situation steigt
die Sensibilität für jede Art von Ungerechtigkeit –
dann reichen ein paar Hunderttausend Euro Abstandszahlung an einen
Ex-Landesrat, und der Wunsch nach einem politischen Wechsel wird
übermächtig. Dieser hat sich im Zeitalter des allzu offensichtlichen
Scheiterns neoliberaler Rosskuren so stark links artikuliert, dass
neben dem strahlenden sozialdemokratischen Wahlsieger Franz Voves
auch noch Ernest Kalteneggers kommunistische Partei in respektabler
Stärke in den Landtag einzieht und alle Gruppierungen rechts
von der VP nicht (mehr) im Landesparlament vertreten sind. Diese
Änderung der Kräfteverhältnisse hat post electionem
auch die Volkspartei ergriffen, zu deren Frontmann nun zumindest
vorläufig der Obmann des Arbeitnehmerflügels Hermann Schützenhöfer
emporstieg. Dass die steirischen Grünen weder den Wunsch der
Menschen nach politischer Erneuerung noch die zunehmende Ablehnung
einseitig unternehmerfreundlicher Politik begriffen haben und ihre
wirtschaftskonservative Spitzenkandidatin Ingrid Lechner-Sonnek
sich immer die Option einer Koalition mit der Volkspartei offen
hielt, hat fast zum Abschied aus dem Landtag geführt, der gerade
noch durch das Grazer Grundmandat verhindert wurde. Wenn Franz Voves
seine Ankündigung wahr macht und Öko-Programmatik wie
Energieautarkie in seine praktische Politik übernimmt, wird‘s
für die Grünen noch enger.
Christian Stenner
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Lieber Freund!
Mein heutiger Brief kommt aus einem anderen Absurdistan
als bisher. Ist unsere Steiermark doch nach dieser Landtagswahl
plötzlich ein Land mit einer klaren linken Mehrheit (zumindest
für jene, welche die Grünen gerne als Linkspartei sehen
möchten). Jetzt sind es nicht mehr wir, die es als absurd empfinden,
was hier läuft, sondern die Politiker der Rechtsparteien, die
offensichtlich nicht verstehen können, warum die Menschen einer
Politik der Geldgeschenke an eigene Ex-Landesräte und Gräfinnen
eine Absage erteilten. „In fünf Jahren muss die Steiermark
wieder uns gehören“, gab die scheidende Parteichefin
Klasnic noch am Abend der verlorenen Wahl als Parole aus. Für
fünf Jahre werden die stillen Reserven wohl reichen, die man
sich in den 60 guten Jahren wahrscheinlich geschaffen hat. Denn:
Länger als fünf Jahre darf eine Politik nicht währen,
die zum Beispiel Firmen dazu überreden will, wenigstens einen
finanziellen Beitrag zur Ausbildung der jungen Menschen im Land
zu leisten, wenn sie schon selbst keine Lehrlinge ausbilden, obwohl
sie dazu in der Lage wären. Das könnte ja den Milliardärsminister
Bartenstein mit seinem Pharmakonzern glatt ein paar zehntausend
Euro im Jahr kosten. Länger als fünf Jahre darf eine Politik
nicht dauern, die auf eine Energie-Autonomie der Steiermark abzielt,
nachdem wir gerade dem Verbundkonzern unsere landeseigene Energieproduktion
zum Geschenk gemacht haben. Und länger als fünf Jahre
dürfen PolitikerInnen, die einer Gräfin Herberstein in
die Bücher schauen wollen, nicht an der Macht bleiben, ein
Ansinnen, zu dem wohl schon Kaiser Franz Josef gemeint hätte:
„Ja dürfen die denn das?“
Absurd ist für die bürgerliche Rechte
aber sicher auch, dass nun die Kommunisten die drittstärkste
Partei im steirischen Landtag sind. Wäre Ernest Kaltenegger,
der mit seinem stillen Dauerlächeln manche an Nikita Chrutschow
erinnert, gar in die Regierung gekommen, hätte die Steiermark
in der paranoiden Weltkarte von US-Präsident Bush sicher einen
Ehrenplatz gleich neben dem Irak und dem Iran bekommen. Wobei hier
wohl auch ein Stachel im Fleisch der steirischen Grünen steckt:
Hätte ihnen jemand vor einem Jahr erklärt, dass Nikita
Kaltenegger aus dem Stand an Ingrid Lechner-Sonnek vorbeiziehen
wird, hätten sie das wohl auch für absurd gehalten.
Die Spitze der Absurdität schafft aber dann
doch der neue ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer: Nachdem
seine Partei im Wahlkampf monatelang Ernest Kaltenegger dafür
gegeißelt hatte, dass dieser angeblich als Grazer Stadtrat
nirgends mitstimmt, wählt er nun für seine ÖVP dasselbe
Verhaltensmuster: Franz Voves und die SPÖ haben zwar die absolute
Mehrheit in der Landesregierung, aber es gebe keinen Grund ihn deshalb
zum Landeshauptmann zu wählen. Vielleicht möchte Schützenhöfer
gar selber Landeshauptmann werden. Und dann gegen eine Mehrheit
regieren? Offenbar bleibt doch alles beim Alten: Irgendwer sorgt
immer für ein neues Absurdistan,
meint dein besorgter
Robin Hut
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