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Werner
Schandor ist PR-Agent und Autor. Als letzterer fungiert er u.a.
als Herausgeber des Feuilletonmagazins „schreibkraft“
(http//:schreibkraft.adm.at),
als ersterer startet er im Oktober seine Agentur „Textbox“
(www.textbox.at)
in Graz.
Ab September 2005 schreibt Werner Schandor
für KORSO Feuilletons über Schein und Sein zu Beginn des
Untergangs des amerikanischen Imperiums.
Neulich war ich bei einem so genannten Persönlichkeitsseminar.
Es ging um Schlagfertigkeit. Ein so genannter Rhetorik-Papst aus
Deutschland war extra nach Österreich geholt worden, um 40
interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern das kleine 1x1
der Schlagfertigkeit beizubringen. Der Rhetorik-Papst beschäftigte
uns Lernwillige mit Übungen und Spielen, bei denen es unter
anderem darum ging, auf wahllos geäußerte Vorwürfe
mit einer fixen Phrase zu antworten. Dann wurde uns erklärt,
dass man sich von eingefahrenen Moralvorstellungen trennen soll,
um den anderen mit spontaner Aufrichtigkeit verblüffen zu können.
(„Sie behaupten, ich hätte mich an dem kleinen Jungen
vergangen?! – Natürlich habe ich das getan!“).
Dazwischen gab es eine Pause, wo der übliche grauenhafte Thermoskannenpausenkaffee
serviert wurde und wo man sich vor dem Small Talk nur auf die Toiletten
flüchten konnte. Nach 4 Stunden war die Show vorbei, und als
ich zu Hause nachschauen wollte, was ich denn gelernt hätte,
musste ich feststellen, dass ich den A5-Block mit meiner Mitschrift
glatt im Seminarraum liegen gelassen hatte. Außerdem hatte
ich weder das Buch noch die Übungs-CD erworben, die der Rhetorik-Papst
zum Abschluss seiner Show allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern
wärmstens empfahl. Aber mein „Zeugnis“ –
die Bestätigung der erfolgten Teilnahme – habe ich mitgenommen,
und ich kann sie in der Mappe ablegen, wo ich anderes bedrucktes
Papier derselben Sorte horte, und notfalls könnte ich sie einem
Arbeitgeber vorweisen, aber nach solchen Bestätigungen hat
noch nie jemand gefragt.
Während Mitte des 19. Jahrhunderts Benimmbücher
reüssierten, um jenen rechte Höflichkeit beizubringen,
die sich im gesellschaftlichen Querdrift befanden, nämlich
den aufsteigenden Bürgerschichten der deutschen Landen, fördert
die Wirtschaft des frühen 21. Jahrhunderts mit der Globalitäts-Rute
im Fenster die persönliche Biegsamkeit, um die Arbeitskräfte
an die vermeintlichen Erfordernisse des Marktes anzupassen. Das
läuft dann unter dem Begriff lebenslanges Lernen, ausgerufen
anno 1996 von der EU, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen
Landen zu gewährleisten. Inzwischen halten 9 von 10 Europäern
das Lebenslange Lernen (mit großem L bei lebenslang!) für
wichtig, wie die EU-Kommission 2004 stolz in einer Pressemeldung
verkündete. Ja, Kunststück, bei der Propaganda, die dafür
seit fast 10 Jahren betrieben wird. Doch zum Glück lässt
sich der europäische, insbesondere der österreichische
Charakter von solchen Heilsversprechungen zwar kurzfristig lädieren,
aber im tiefen Inneren nicht allzu sehr beeindrucken. Nur jeder
200. Arbeitnehmer, lese ich in einem deutschen Weblog, nimmt in
Hessen an Weiterschulungsmaßnahmen teil. Im Rest des mitteleuropäischen
EU-Gebietes dürfte es nicht viel anders aussehen.
„Teamverhalten“, „sicher präsentieren
- wirksam vortragen“, irgendetwas mit Rhetorik und schließlich
„Leadership-Training“, das waren die Seminare, die mich
verschiedene Arbeitgeber vor der „Schlagfertigkeit“
besuchen ließen, um meine Soft Skills zu trainieren. „Verhandlungstaktik“
würde ich noch gerne besuchen, und NLP hätte ich mir auch
mal liebend gerne zu Gemüte geführt, um herauszufinden,
ob es der billige Selbstbetrug ist, als der es mir aus der Ferne
erscheint. Aber NLP kommt langsam aus der Mode. Bei drei meiner
fünf besuchten Seminare habe ich etwas für mich und über
die Arbeitswelt gelernt. Immerhin. Eines, bezeichnenderweise das
Rhetorik-Seminar, bestand aus sechs Stunden schier unerträglichem
Dauergeschwafel des Seminarleiters, und beim „Leadership-Training“
habe ich zumindest erfahren, dass sich „echte Leader durch
den Charisma-Aspekt auszeichnen“, was immer das bedeuten mag.
Von Zeit zu Zeit - d. h. im Schnitt alle zwei
Jahre - finde ich es lustig, mich in so ein Seminar zu begeben.
Selbst wenn es inhaltlich Schrott sein sollte, lernt man doch zumindest,
dass auch die Möchtegern-Gurus nur mit Wasser kochen. Diese
Erkenntnis stärkt die Selbstsicherheit, und damit wird das
Ziel des Seminarbesuchs so oder so erreicht. Man betritt am darauf
folgenden Tag das Büro als neuer Mensch mit dem festen Vorsatz,
sich nicht länger von seinen Kolleginnen und Kollegen mobben
zu lassen oder nicht mehr auf die seichten Versprechungen des Chefs
reinzufallen, wenn es darum geht, die fällige Gehaltserhöhung
hinauszuschieben. Drei Tage lang kann man dieses neue Selbstbild
zur Anwendung bringen, spätestens am vierten Tag ist man wieder
unter der Tagesarbeit begraben, und das Werkl läuft, wie es
immer gelaufen ist. Übrig bleibt der Schein in der Mappe, und
keiner fragt danach. Aber falls jemand von der EU käme und
mir fest in die Augen blickte und folgenden Satz formulierte: „Und
was hast du für das Lebenslange Lernen getan?!“ - Ich
könnte ruhigen Gewissens auf die besuchten Seminare verweisen
und behaupten, die Soft Skills seien tipptopp geschult worden und
ich sei, was das betreffe, gut im Training.
Das meiste ist Augenauswischerei, wie wir wissen.
Die Kurse und Seminare, die Arbeitnehmern zur Schulung ihrer Qualifikationen
angeboten werden, zielen so sehr darauf ab, das Verhalten an die
vermeintlichen Erfordernisse des Berufslebens anzupassen, dass zumeist
übersehen wird, dass sie überhaupt nicht einlösen,
was sie versprechen. Jeder von NLP noch halbwegs unverseuchte Mensch
- und insbesondere jeder Personalverantwortliche - weiß, dass
die Seminarzeugnisse das Papier, auf dem sie gedruckt sind, nicht
wert sind. Aus einem rhetorischen Untalent wird kein Rhetoriker,
auch wenn er oder sie noch so viele einschlägige Seminare absolviert
haben sollte und z. B. die „erfolgreiche Teilnahme am
Seminar ‚Weniger denken - Besser reden’“ bescheinigt
bekommen hat. Bestenfalls wird ein bemühter Rhetoriker daraus,
und darunter hat man als Zuhörer ja oft genug zu leiden, dass
sich jemand vor die Leute stellt und hölzerne Reden hält,
die mit einstudierten eckigen Gesten garniert werden, und man merkt
genau, dass hinter der Pinocchiofassade Blut geschwitzt wird. Oder
Politiker, die so overcoached sind, dass sie auf die einfachste
Frage nur noch hohle Phrasen dreschen – auch sie zeugen davon,
dass sich das eigene Verhalten nur bedingt und nur an der Oberfläche
manipulieren lässt. Wenn man sich verstellen muss, gelingt
das recht gut für maximal 2 bis 3 Wochen. Das ist andererseits
ein Vorteil bei Bewerbungsgesprächen und in neuen Jobs: Man
präsentiert sich beispielsweise als junger, dynamischer, flexibler
und belastbarer Mitarbeiter, und wenn die Probezeit vorbei ist und
man den unbegrenzten Vertrag in der Tasche hat, kann man allmählich
und immer stärker das raunzerte, inkompetente, auf seine Vorteile
bedachte, intrigante Aas raushängen lassen, das man im Grunde
ist.
Das ist das Schöne am Berufsleben: Dass es
auch in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit, allen Leistungsmythen
des Turbokapitalismus zum Trotz, in realiter vor allem völlig
ungeeignete Personen in Positionen schaffen, die aufgrund ihrer
Beziehungen oder sonstiger glücklicher Zu- und Umstände
von dort gar nicht mehr zu entfernen sind. Nur die Unseligen, die
beispielsweise nach einem ausführlichen Studium das Glück
einer Fixanstellung nicht für sich beanspruchen können,
gehen der Mär auf den Leim, ihre Arbeitslosigkeit hätte
etwas mit Kompetenzen und Qualifikationen zu tun, von denen sie
entweder zu wenig oder – neuerdings nimmt das überhand
– zu viele besäßen; oder – noch abstruser
– Schuld sei ihre Persönlichkeitsstruktur. Diese Leute
besuchen dann Persönlichkeitsseminare oder lassen sich für
Bewerbungsgespräche coachen, bis sie sich abends vor lauter
Verzweiflung nicht mehr wieder erkennen, wenn sie in den Spiegel
schauen.
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Lieber Freund!
Du hast wohl den Nagel auf den Kopf getroffen,
wenn du meinen letzten Brief mit der Bemerkung beantwortest: „Absurdistan
ist doch überall!“ Die führende Weltmacht USA bzw.
eigentlich ihre neoliberale Regierung überlässt tagelang
die Hurricanopfer von New Orleans ihrem Schicksal, nur weil es ohnehin
nicht ihre Wähler sind. In Deutschland droht die CDU Wahlen
mit der Ankündigung zu gewinnen, dass sie ihre Steuersenkungen
durch Einsparungen in der „Bundesagentur für Arbeit“
finanziert, sprich auf Kosten der Arbeitslosen und Arbeitssuchenden.
In Österreich weist die Bundesregierung jede Verantwortung
für die Versorgung der berechneten 2,4 Millionen (!) Kranken
im Fall der befürchteten Vogelgrippe-Pandemie von sich.
Und unsere liebe kleine Steiermark versinkt in
einem Wahlkampfsumpf, wie es ihn wohl noch nie gegeben hat:
Die Klasnic-ÖVP, die nach dem Wahltriumph von 2000 alles im
Land an sich gerissen hat, muss jetzt logischerweise auch alles
verantworten, was da so zutage tritt: Etwa den ESTAG-Skandal, der
die Steuerzahler unfassbare 400 Millionen Euro gekostet hat. Das
sind genau jene 5,6 Milliarden Schilling, die der Verkauf der ESTAG-
Anteile nach Frankreich gebracht hat: Genau um diesen Betrag musste
das Unternehmen, das uns allen gehört, jetzt abgewertet werden.
Dann Herberstein: Noch heuer hat Frau Klasnic alles getan, um ihrer
Freundin, der Gräfin, weitere Millionen zukommen zu lassen.
Und jetzt zuletzt die Schwarzgeldaffäre – im wahrsten
Wortsinn – um Ex-Landesrat Hirschmann. Bevor er die Stimmen
kriegt, die Klasnic verloren hat, lässt man auch ihn hochgehen.
Denn seine Erklärung, dass die knapp 300.000 Euro, die er aus
ÖVP-nahen Kreisen noch auf seine Abfertigung von rund 750.000
Euro nach neun Monaten Arbeit im Unternehmen draufgelegt bekommen
hat, auch als Abfertigung zu sehen sind, lässt wohl nur noch
einen Schluss offen: Die einzige Chance für Hirschmann oder
Klasnic, wenigstens noch ein paar Wählerstimmen zu retten,
ist jedem steirischen Arbeitnehmer ähnliche Abfertigungen –
woher auch immer – zu versprechen. Der Normalbürger wäre
sicher auch schon zufrieden, wenn er das erst nach einem Jahr Arbeit
bekommt …
Über die Wählbarkeit der Blauen und
Orangen soll hier nicht spekuliert werden. Wem soll man am 2. Oktober
also seine Stimme geben: Den Grünen steht ihre eigene spröde
Spitzenkandidatin im Weg herum: Mit dem gewachsenen Urgestein ihrer
Partei hat sie aufgeräumt, ob sie mit ihren Werbeplakaten für
den Jurassic Park neue Wählerstimmen gewinnen kann, bleibt
auch offen. Und Ernesto Kaltenegger, der Paradekommunist westlich
der Mongolei? Der hat schon in Graz einen Bürgermeister Nagl
ermöglicht, jenen Mann, der bisher durch nichts anderes aufgefallen
ist als durch Ausgrenzung von Homosexuellen und AusländerInnen.
Wir dürfen also annehmen, dass Kaltenegger auch im Landtag
wieder für die Schwarzen zu haben wäre. Bleibt also die
SPÖ mit ihrem Franz Voves. Geht man davon aus, dass die Neueinrichtung
seines Büros mit den 16 Mitarbeitern immerhin der einer kleineren
Firma gleichkommt, sind die Ausgaben dafür nachvollziehbar.
Und sonst hat selbst die ÖVP ihm nichts ankreiden können.
Und Konzepte für die Steiermark soll er auch haben. Wahrscheinlich
wird man ihm eine Chance geben müssen, wenn sich in der Steiermark
was ändern soll. Und da kenne ich wenige, die das nicht wollen,
meint dein
Robin Hut
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