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Morgenrot für Neue Arbeit?
Archiv - Arbeit und Wirtschaft
Montag, 13. März 2006
ImageSteigende Arbeitslosenzahlen und düstere Globalisierungs-Zukunftsszenarien tragen zu zunehmender Verunsicherung unter den Arbeitnehmern bei. Alternative Konzepte für selbst bestimmte Beschäftigungsformen, die ein Auskommen ermöglichen, haben daher Konjunktur. Auf Einladung der von der Grazer Sozialstadträtin Tatjana Kaltenbeck-Michl ins Leben gerufenen Initiative „Forum Morgenrot" sprach Dr. Frithjof Bergmann über seine Vision von der „Neuen Arbeit".

Schwere Krise des Systems. Der amerikanische Soziologe mit deutschen Wurzeln basiert sein Konzept der „Neuen Arbeit" und „Neuen Kultur" auf einer Analyse des kapitalistischen Arbeitssystems, „das seit etwa zweihundert Jahren vorherrscht und gegenwärtig in einer tiefen Krise steckt."
Er beschreibt den Neoliberalismus, der so gar nichts Liberales an sich hat als die Tyrannei der Arbeitgeber, die ständig mehr Flexibilität und Leistungsbereitschaft von den Dienstnehmern fordern. So wird die Arbeitswelt von vielen Menschen immer häufiger wie „eine chronische Krankheit" erlebt, durch die man sich hindurchquälen muss. Die Krise des neoliberalen Systems ist für Bergmann nicht so einfach durch das Drehen an ein paar Stellschrauben lösbar, gefordert sei vielmehr ein völlig neuer Denkansatz.

Alternative Arbeits-Modelle. Bergmanns Vorschlag lautet, dass wir uns in erster Linie mehr auf das besinnen müssen, was wir „wirklich wirklich wollen". Anstelle von Entlassungen muss eine Aufteilung der vorhandenen „Jobarbeit" stattfinden, die langfristig für jeden Bürger nur noch ein Drittel seiner Arbeitszeit ausmachen wird. Die gewonnene Zeit gibt Raum für Alternativen zur hergebrachten Erwerbsarbeit: Zum einen sollen sich die persönlichen Neigungen entwickeln können, etwa in Form von Arbeit für die Gemeinschaft. Die Mittel für ein adäquates Einkommen sollen durch den Verkauf von Produkten oder die Besteuerung von Vermögen und Zinserträgen erzielt werden. Einen Beitrag soll auch High-Tech Self-Providing mit Hilfe eines „Personal Fabricators" leisten, einer Art 3-D-Drucker, der die „Selbstversorgung auf hohem technischen Niveau" möglich mache.

Utopie und soziale Wirklichkeit. Seit mittlerweile über zwanzig Jahren ist Bergmann in der Propagierung seiner New-Work-Philosophie weltweit unterwegs. Dass sich die Erfolge in der Praxis noch bescheiden ausnehmen, bekümmert den Soziologen wenig: „Es handelt sich um einen sehr langfristigen Strukturwandelprozess, aber wir haben schon viel mehr erreicht als ich je hoffen konnte." Selbsthilfegruppen in verschiedenen deutschen Städten, die seine Konzepte zu leben versuchen, scheinen aber nur selten über lokale Beschäftigungsinitiativen hinauszugehen.
Mehr Erfolg erhofft er in Ländern der Dritten Welt, wie Südafrika, wo der Gedanke der Selbstversorgung aus dem „Fab" auf fruchtbaren Boden fallen soll.
Aber noch ist die futuristisch anmutende Maschine, die von Neil Gershenfeld am MIT ausgetüftelt wurde, alles andere als serienreif. Auch wenn Prototypen schon erfolgreich getestet wurden, bleibt die Frage nach einer billigen Rohstoffquelle für die Produktion ungeklärt.

Josef Schiffer

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