06 / 2000
  Wähler ohne Eigenschaften

Warum ein Roter braun wird oder warum die SPÖ in den letzten Jahren fast eine Million Wähler verloren und Haiders FPÖ eben fast so viele Stimmen gewonnen hat, hat die Grazer Soziologin und ehemalige Gemeinderätin Marianne Egger de Campo bereits vor fünf Jahren in einer Studie zu beantworten gesucht. Mit ihrem ersten Buch „Wähler ohne Eigenschaften” (Verlag Nausner&Nausner) legt Egger nicht das 185. Werk über Jörg Haider vor, sondern unterzieht seine Wähler einer soziologischen Untersuchung. In dem vom Renner-Institut dieser Tage in einer Diskussionsveranstaltung vorgestellten Buch geht sie der Frage nach, warum Wähler ihre oft langjährigen Bindungen an eine politische Partei aufgeben und einer rechtspopulistischen Partei ihre Stimme geben, ohne damit allerdings eine politische Überzeugung auszudrücken.

Marianne Egger de Campo

Der Wähler ohne Eigenschaft ist Robert Musils „Mann ohne Eigenschaften“ nicht unähnlich, von dem es heißt, er sei das Porträt des modernen Menschen mit multiplen Identitäten. Nach Egger ist er ein politisch amorpher – d.h. nicht einer politischen Partei emotional verbundener – Mensch, der in einem von pervertierter politischer Patronage und Hang zum Spektakel geprägten Österreich politisch mitreden, aber weder Zeit noch Energie aufwenden will. Egger: „Durch Events und den Haiderschen Populismus wird diesem Typus ein Integrationsprojekt geboten.“
Sozialdemokratische Kopien der Unterhaltungsdemokratie, wie im letzten Wahlkampf, können – wie auch in der Diskussion mehrfach betont wurde – daher nur billige Kopien bleiben und führen letztlich dazu, dass der zweite Typ von Wählern, der mit der Partei verbundene, der kristalline, wie ihn Egger nennt, auch noch vergrault wurde.
hgh


Marianne Egger de Campo, Wähler ohne Eigenschaften. Rechtsruck oder Unterhaltungsdemokratie? Nausner & Nausner, Graz-Wien 2000, 210 Seiten, ISBN 3-901402-23-3, öS 280,—

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