02 / 2001
  Damit (Berufs)träume nicht wie Seifenblasen platzen

Wie reif sind 15-Jährige für’s Berufsleben? Oder, anders herum gefragt: Ist die „Berufswelt” reif für 15-Jährige?

Die Beratung arbeitsloser Jugendlicher ist das verantwortungsvolle Aufgabenfeld des Vereins PASCH. „Die Bewältigung des Übergangs zwischen Schule und Lehre“, weiß Vereins-Geschäftsführer Wolfgang Rath, „ist ganz entscheidend für das Gelingen oder Scheitern der beruflichen Karriere und damit für die gesamte Biografie eines jungen Menschen.“
Im Rahmen einer von PASCH organisierten Enquete („Märchenprinzen und Seifenblasen II“) Mitte Jänner gingen ExpertInnen den (schwierigen) Bedingungen der Berufswahl der 15-jährigen Schulabgänger nach.
Der Soziologe und AMS-Steiermark-Vizechef Dr. Helfried Faschingbauer stellte eine Kritik des Begriffes „Reife“ an den Beginn: „Reife ist nicht das Merkmal einer Person, sondern muss immer in Relation zu den Anforderungen gesehen werden, die von der Gesellschaft oder der Wirtschaft gestellt werden.“ Und: Alle Erkenntnisse sprächen für eine Beibehaltung des dualen Ausbildungssystems. „Dieses hat letztendlich dazu beigetragen, die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich in Grenzen zu halten.“ Faschingbauer plädierte dementsprechend für eine Aufwertung der Lehre durch stärkere gesellschaftliche Anerkennung – und unterstrich die Bedeutung der Orientierungsmöglichkeiten, die Organisationen wie PASCH bieten: „Dort wird extrem wichtige Arbeit für die Persönlichkeitsentwicklung der Jugendlichen geleistet.“
Die Vorschläge des Soziologen Univ.-Prof. Dr. Bernd Marin zielten auf eine „serielle Polygamie“ (O-Ton Marin) in den ersten Berufsjahren ab – also auf die Ermöglichung verschiedener Berufs-Erfahrungen. Marin: „Niemand unter 20 Jahren soll existenziellem Druck bei der Berufswahl ausgesetzt sein.“ Ähnlich die Psychologin Dr. Michaela Wagnest: „Dass SchülerInnen die Schule wechseln, gilt als normal – von Lehrlingen wird Flexibilität verlangt, aber so weit, dass sie den Lehrplatz wechseln, soll diese Flexibilität dann doch nicht gehen.“
Aus der Praxis berichteten dann die Lehrlingsausbildungs-Verantwortlichen zweier steirischer Großbetriebe: Dr. Armin Kreuzthaler von Steyr Daimler Puch bildet zurzeit (bei insgesamt 5000 Mitarbeitern) immerhin 165 Lehrlinge aus. Er unternimmt besondere Anstrengungen, Mädchen für eine Ausbildung in technischen Berufen zu gewinnen: „Heuer wird es einen Schnuppertag ,For girls only’ geben“, berichtet Kreuzthaler. Für Josef Pungersek von der Maschinenfabrik Andritz AG zählen klassische Auswahlkriterien wie „zumindest ein Befriedigend in Mathematik, Deutsch und Englisch.“
Oft stellt sich aber trotz Auswahlverfahren im Betriebsalltag heraus, dass der Bedarf der Firma und die Wünsche und Qualifikationen der Jugendlichen weit auseinander klaffen. Durch entsprechende Beratungs- und Qualifikationsmaßnahmen noch vor Antritt einer Lehre kann hier Abhilfe geschaffen werden.
 

Hochkarätig besetzte ExpertInnen-Runde bei der Tagung „Märchenprinzen und
Seifenblasen II" des Vereins PASCH

Immerhin 500 Jugendliche – das ist etwa ein Viertel der Lehrstellensuchenden in Graz – nehmen jährlich die Beratungsangebote oder eine Kursmaßnahme des Vereins PASCH in Anspruch. Wolfgang Rath: „Sowohl in der Einzelberatung als auch in den Kursen geht’s vor allem darum, sowohl die Wünsche der Jugendlichen als auch die Anforderungen des Marktes transparent zu machen und die möglichen Übereinstimmungen auszuloten. Natürlich kommt’s auch vor, dass ein Berufswunsch nicht erfüllt werden kann – dann versuchen wir, gemeinsam mit den Betroffenen Alternativen zu erarbeiten, die vielleicht doch zum Wunschziel hinführen.“

Enge Zusammenarbeit mit AMS
PASCH setzt in seiner Tätigkeit, die in enger Zusammenarbeit mit dem Arbeitsmarktservice Steiermark konzipiert und durchgeführt wird, auf zwei Schienen: In der Arbeit mit den Jugendlichen steht die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen im Vordergrund – Rath: „Vor allem Klein- und Mittelbetriebe wissen diese Form der Vorqualifikation ihrer Lehrlinge sehr zu schätzen“; nun will man auch verstärkt Workshops für die Ausbildner in den Betrieben anbieten: „Es geht uns dabei darum, ihnen die Welt der heutigen Jugendlichen verständlicher zu machen und damit Kommunikationsprobleme auszuräumen.“ Mag. Peter Tarkusch, der PASCH-Verantwortliche für die Kontaktstelle für Unternehmen: „Im Bereich der Personalauswahl kooperieren wir mit dem Service für Unternehmen (SFU) des AMS; zunächst versuchen wir, in Zusammenarbeit mit den ausschreibenden Firmen in unserem TeilnehmerInnenpool geeignete AnwärterInnen zu finden; wenn keine passende Person gefunden wird, dann schickt das SFU weitere Jugendliche.“

Raum für’s Lernen schaffen
Zentrales Ziel bei allen PASCH-Maßnahmen ist immer, die Bedürfnisse der Unternehmen und der Jugendlichen abzugleichen, um Enttäuschungen hintanzuhalten. Rath: „In letzter Konsequenz geht es natürlich darum, den Jugendlichen auf der einen Seite etwas von der Ernsthaftigkeit zu vermitteln, die der Eintritt ins Berufsleben mit sich bringt – und auf der anderen Seite den Verantwortlichen in den Betrieben klar zu machen, dass Fünfzehnjährige nicht einfach von vornherein als reibungslose Rädchen im Produktionsprozess funktionieren können, sondern dass sie eben im eigentlichen Sinn des Wortes ,Lehre‘ Freiraum zum Lernen brauchen.“ 

PASCH-Kontakt
Verein PASCH
8010 Graz, Kalchberggasse 1/III
Tel. 0316/848486, Fax: -5, 
e-mail: office@pasch.or.at
URL: www.pasch.or.at
 
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