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Steirische Pflichtschulen: Der
Sparstift wütet
Durch die Einsparungen im Bildungswesen werden
mehr als 300 PflichtschullehrerInnen in der Steiermark ihren Job verlieren,
das Lehrangebot wird entsprechend reduziert.
Aus formalen Gründen wird es allerdings,
wie Mag. Josef Müller vom Büro des Steirischen Landesschulrats
betont, zu keinen Lehrer-Entlassungen kommen – es „trifft“ nämlich
nur solche LehrerInnen, die lediglich über befristete Einjahresverträge
verfügten. Diese müssen nicht gekündigt werden, sondern
werden einfach nicht weiter beschäftigt.
Für einige der Betroffenen wird das Zittern
um ihren Job erst in einigen Wochen vorüber sein. Denn wie viel Lehrpersonal
tatsächlich eingespart werden muss, wird, so Müller, erst ab
Mitte September klar sein, wenn nach Schulanfang die tatsächlichen
SchülerInnen- und Klassenzahlen in den Schulen fixiert sind.
Weniger SchülerInnen – weniger LehrerInnen?
Den Hauptgrund für die Einsparungen sieht
Müller im Umstand sinkender SchülerInnenzahlen: „Allein im Pflichtschulbereich
wird es heuer in der Steiermark rund 1500 SchülerInnen weniger geben.“
Für Sigrid Binder von der PULL-UG
(Parteiunabhängige LehrerInnenliste – Unabhängige GewerkschafterInnen)
sind die Ursachen für die Kürzungen jedoch völlig anders
gelagert. Binder: „Tatsächlich gibt es weniger SchülerInnen,
aber der wirkliche Grund für die Kürzungen ist im Zusammenhang
mit Maßnahmen der Bundesregierung zu sehen.“ So sind etwa durch
das neue LehrerInnendienstrecht so genannte Abschlagsstunden für die
Ausübung der Klassenvorstandsfunktion, der Abhaltung von Korrekturfächern
oder für so genannte Kustodiate weggefallen.
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Lehrer-Gewerkschafterin Sigrid Binder:
„In Graz gibt’s allein in den Schulen des rechten Murufers 40 LehrerInnen
weniger“ |
Alleine diese Neuerungen bedeuten, so haben Berechnungen
der PULL-UG ergeben, bei einer 8-klassigen Hauptschule einen Verlust von
45 Wochenstunden.
So wie Binder ist auch Helga Thomann,
Landesschulinspektorin für den Volksschulbereich, der Ansicht, dass
die Schulen durch Beschlüsse der Bundesregierung zu Einsparungen gezwungen
sind. So sollen nach den Vorstellungen von Ministerin Gehrer in Zukunft
auf eine/n LehrerIn mehr SchülerInnen als derzeit kommen – und das
bei sinkenden SchülerInnenzahlen. Thomann: „Gerade für die Steiermark
ist es nicht leicht, diese Anforderungen der Bundesregierung zu erfüllen,
da wir versuchen, auch kleinere Schulen zu erhalten.“
Obwohl es laut Thomann in Graz – im Vergleich
zu anderen steirischen Bezirken – relativ wenige Kürzungen gebe, haben
die Recherchen des KORSO unter Grazer SchuldirektorInnen ergeben, dass
es auch hier zu kräftigen Einschnitten beim Unterrichtsangebot kommen
wird.
Deutliche Kürzungen bei Schulversuchen
Wie Binder betont, werden alleine an den Grazer
Pflichtschulen des rechten Murufers rund 40 LehrerInnen weniger beschäftigt.
Zu einer deutlichen Reduzierung von acht Dienstposten komme es alleine
im Bereich von Schulversuchsstunden. Betroffen, so Binder, sei hier vor
allem der Schulverbund Graz-West, der in mehreren Neuen Mittelschulen
einen gemeinsamen Unterricht durch AHS- und HauptschullehrerInnen anbietet.
Franz
Frech, Direktor der Neuen Mittelschule Straßgang, die ebenfalls
zu diesem Schulverbund gehört, befürchtet vor allem für
die Einteilung der Wahlpflichtfächer in den 3. und 4. Klassen große
Nachteile. Frech: „Die Werteinheiten für unseren Schulversuch wurden
um 50% gekürzt. Gewisse Gruppenarbeiten werden dann ebenso wie unverbindliche
Übungen nicht mehr möglich sein.“ Auch moderne Unterrichtsmethoden
wie Teamteaching (so wird etwa das Fach Ökologie von einem Geografie-
und einem Biologielehrer gemeinsam unterrichtet) sind durch die Sparmaßnahmen
in ihrer Weiterführung gefährdet.
An der Neuen Mittelschule Albert-Schweitzer wird
es laut Aussage von Direktor Reinhard Wolf ebenfalls zu Kürzungen
kommen. Seine Schule verliert insgesamt fünf LehrerInnen, wobei er
zumindest rund 1,5 dieser verlorenen Dienstposten auf die Dienstrechtsänderungen
zurückführt. Wolf: „Ich finde das schade, denn durch die nun
fehlenden jüngeren VertragslehrerInnen geht den Kindern gerade die
Erlebniswelt dieser sehr engagierten LehrerInnen verloren.“
Weniger Stunden für Interkulturellen Unterricht
Neben Verschlechterungen im Integrationsbereich
setzt die Bundesregierung auch im Interkulturellen Unterricht neue Akzente.
Dazu gehört etwa die Verminderung von zusätzlichen Unterrichtseinheiten
für Schulen mit Kindern mit einer anderen Muttersprache als Deutsch.
Eine weitere gravierende Änderung ergibt sich für den muttersprachlichen
Unterricht an den Schulen. Wurde dieser bisher aus einem eigenen Stundentopf
des Ministeriums finanziert, fällt dieser nun zur Gänze weg.
Binder: „Wollen sich nun Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache auch
in ihrer Muttersprache weiterbilden, bedeutet das für die Schule einigen
Aufwand. Denn die dafür benötigten Stunden müssen schulintern
aus dem allgemeinen Stundenkontingent durch Umschichtung – etwa von Deutsch-
oder Geografiestunden – abgedeckt werden.“
„Native Speaker“: Sponsoring für „pädagogischen
Luxus“?
Dass auch im Managementbereich der Schulbehörden
noch Verbesserungspotenziale stecken, beweist zudem die Entscheidung des
steirischen Landesschulrates, einen an mehreren Grazer Volkschulen beschäftigten
„Native Speaker“ für den Englischunterricht nicht weiter zu beschäftigen.
Zumindest an der Afritsch-Volksschule ist man von dieser Entscheidung bis
Anfang September noch nicht offiziell informiert worden.
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Native Speaker (hier für Englisch
an der Afritsch-Volksschule): Teurer Luxus? |
Direktorin Renate Gottschuli: „Wir müssen
nun sehen, wie wir den Englischunterricht in Zukunft gestalten. Wir werden
eine Menge an Umschichtungen durchführen müssen, damit jene Lehrkräfte,
die in Englisch kompetenter sind, den Unterricht in allen Klassen durchführen
können.“ In jedem Fall sieht Gottschuli dadurch für diesen Schulstandort
am rechten Murufer, der geprägt ist von einem sehr geringen Anteil
von Kindern mit deutscher Muttersprache, einen Rückschlag. „Die
Beschäftigung eines ‚Native Speaker‘ für Englisch ist auch in
unserem Schulprofil festgeschrieben. Jetzt müssen wir dieses wieder
umändern.“ Dazu Landesschulinspektorin Thomann: „Ein ‚Native Speaker‘
ist ein pädagogischer Luxus, den ich aus pädagogischer Sicht
gerne hätte, den wir uns aber nicht leisten können. So etwas
ist nur in einem kostenneutralen Schulversuch möglich oder über
den Weg des Sponsoring bzw. der privaten Bezahlung über Elternvereine.“
Diese an anderen Grazer Schulen bereits praktizierte Vorgangsweise hält
Gottschuli an ihrer Schule jedoch für unwahrscheinlich: „Die Eltern
der SchülerInnen an der Afritschschule sind dazu finanziell sicher
nicht in der Lage.“
Privat finanzieren und „autonom“ sparen
Für Binder stellt die so propagierte Privatisierung
von Bildung jedoch eine bedrohliche Entwicklung dar, die sich schon länger
abzeichne. „So sind von den Kürzungen nun auch unverbindliche Übungen
betroffen, für die angeblich kein Geld mehr da ist.“ Für die
Teilnahme ihrer Kinder an unverbindlichen Übungen werden nun die Eltern
zur Kassa gebeten, die bereits in anderen Bereichen – wie durch Beiträge
zu Schulbüchern und SchülerInnen„Frei“fahrt – immer mehr finanziell
beisteuern müssen.
Durch die permanenten Kürzungen im Schulbereich
wird laut Binder auch die hoch gepriesene „Schulautonomie“ ad absurdum
geführt. Binder: „Das ist ein Zynismus, der in der österreichischen
Schulpolitik schon seit einigen Jahren durchgezogen wird: Die Autonomie
wird zum Vorwand dafür, die Verantwortung für Mängel an
die Schulen abschieben zu können.“
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