07 / 2001
  BildungsexpertInnen aus 10 Nationen auf Schloss Retzhof
 

ErwachsenenbildnerInnen aus 10 Nationen tagten im Rahmen eines hochklassig besetzten Symposiums vom 28. Juni bis 1. Juli im Bildungshaus des Landes Steiermark, Schloss Retzhof, zum Thema „Grenzüberschreitende Erwachsenenbildung. Geschichte – Gegenwart – Zukunft.“
 

Retzhof-Hausherr Gruber: Der Retzhof war ein idealer Ort für dieses Symposium

„Der Retzhof war ein idealer Ort für dieses Symposium. Zum einen als ein Bildungshaus in unmittelbarer geografischer Nähe zweier Staaten, die in die EU streben. Zum anderen als ein Haus mit langer Tradition in der Auseinandersetzung mit diesem Thema. Schließlich als ein Treffpunkt für internationale BildungsexpertInnen, die im südsteirischen Grenzgebiet – direkt vor Ort also – über viele jener Fragen und Probleme diskutierten, die die Menschen in wohl allen Grenzregionen besonders betreffen und bewegen“, zieht Organisator und Retzhof-Hausherr Dr. Joachim Gruber rückblickend eine positive Bilanz der Veranstaltung. 
In seiner Begrüßungsrede wies der Vorstand der Kulturabteilung des Landes Steiermark, Hofrat Dr. Manfred Glawogger, auf elementare, manchmal schon in Vergessenheit geratene und dennoch hoch aktuelle Grundsätze humanistisch orientierter Bildungsbestrebungen hin. „Mündigkeit, Toleranz und das Bemühen um das Verstehen seiner selbst und des anderen - Bildung in einem solchen Sinne ist jedenfalls wesentlich mehr als bloß zweckorientiertes Streben nach Wissen und Qualifikation“, konstatierte auch a.o.Univ.-Prof. Mag.Dr. Elke Gruber von der Abteilung Weiterbildung der Universität Graz, die seit sieben Jahren gemeinsam mit der Universität Maribor und dem Verband Österreichischer Volkshochschulen diese Symposiumsreihe wissenschaftlich betreut.
Der renommierte deutsche Bildungswissenschaftler Univ.-Prof. DDr. Franz Pöggeler stellte in seinem Referat die Frage nach den eigentlichen Motiven der Grenzüberschreitung in der Bildungsarbeit und gab Antworten darauf, wie bei der Schaffung der Europäischen Union und der Globalisierung von Kommunikation, Politik und Wirtschaft eine grenzüberschreitende Erwachsenenbildung mitwirkt. Zunächst sei aber zu klären, welche Grenzen überhaupt gemeint sind. Die Grenzen einzelner Staaten und nationaler Kulturen bestehen ja nach wie vor und haben auch ihren Sinn. Allerdings nur einen begrenzten: In einer Welt der Kommunikation und Mobilität kann Staat und nationale Kultur keinesfalls mehr nach dem Prinzip der Selbstgenügsamkeit existieren. Dies gilt auch für die staatlichen Bildungssysteme. Dadurch wurde in den letzten Jahren ein Bewusstsein der Freiheit und Offenheit bewirkt, das in früheren Epochen noch ungeläufig war. Staaten und Kulturen lernen vermehrt voneinander. „Eine so verstandene Grenzüberschreitung war im Bildungswesen bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts relativ selten“, so Pöggeler. 
 

Konzert der Gruppe „Lavan Laila“ aus St. Petersburg mit russisch-jüdischen Liedern im Rahmen des Symposiums
 

Unter dem Eindruck einer beginnenden EU-Osterweiterung waren es vor allem Fragen und Probleme der sprachlichen und kulturellen Identität, die die BildungsexpertInnen aus den beiden EU-Ländern Deutschland und Österreich und aus den so genannten Reformstaaten Kroatien, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Jugoslawien am meisten bewegten und auch am kontroversiellsten diskutierten. Deutlich wurde dabei auch, dass eine nachhaltige grenzüberschreitende Bildungsarbeit in Europa ebenfalls zu den „harten Brettern“ gehören wird, die es von ErwachsenenbildnerInnen der europäischen Staaten schon in naher Zukunft mit Energie, Ausdauer und Geduld zu bohren gilt. 

drm

 
JULI/AUGUST-AUSGABE
WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG