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  Wissenschaft und Forschung
 
 
  02 / 2002
 
Keine Zukunft ohne Kinder

Kinderkriegen soll in der Steiermark wieder in Mode kommen. Nur: die früher gültigen, ideologisch abgesicherten Gründe für zahlreiche Nachkommenschaft greifen nicht mehr. Die Politik muss neue Bedingungen schaffen, um den Wunsch nach Kindern trotz der härter werdenden Anforderungen des Erwerbslebens realisierbar erscheinen zu lassen – das machte der bekannte Demograf Rainer Münz kürzlich einer interessierten 400-köpfigen Zuhörerschaft im Rahmen einer Landes-Veranstaltung klar.

Schon Landeshauptmann Waltraud Klasnic ließ in ihrer Einleitung zur Auftaktveranstaltung der (einstimmig in der Landesregierung beschlossenen) neuen Landes-Initiative "Kind(er)leben" aufhorchen: Sehr nüchtern nannte sie (teilweise schon realisierte) Wiedereinstiegs- und Beschäftigungsprogramme, die Förderung von frauen- und familienfreundlichen Betrieben, kindergerechte Arbeitszeitmodelle und die Verbesserung der Betreuungsangebote als zentrale Faktoren für eine Umkehrung des demografischen Trends. Klasnic: "Wir müssen in dieser Frage das Bewusstsein der Menschen langfristig und nachhaltig verändern." Eine vom Land eingesetzte Arbeitsgruppe unter der Leitung von Dr. Klaus Rundhammer wird die Schwerpunkte bündeln, aber auch bereits bestehende Aktivitäten vernetzen.

2030: Mehr als ein Drittel über 60
Der früher auch in Österreich tätige, nunmehr an der Berliner Humboldt-Universität lehrende Bevölkerungswissenschafter Rainer Münz breitete eine Fülle von Material aus, das die Ursachen der Geburtsrückgänge ebenso erklärte wie es deren Folgen belegte: Benötigte die Agrargesellschaft Kinder als Familienarbeitskräfte, so wurden sie mit fortschreitender Industrialisierung zu Kostenfaktoren. Sozialversicherung und andere Solidarsysteme machen das Überleben im Alter oder bei Krankheit unabhängig von der Unterstützung durch eigene Kinder. Gleichzeitig wächst der Widerspruch zwischen dem Zwang zu immer mehr Flexibilität im Beruf und der durch Kinder erzwungenen Bindung: "Kinder sind ein Mobilitätshindernis – und sie verringern Berufschancen, Lebenseinkommen und Pensionsanspruch vor allem von Frauen, da Männer nach wie vor weniger Verantwortung bei der Betreuung und Erziehung von Kindern auf sich nehmen." Die Folgen seien klar: Die Zahl der Kinder und Jugendlichen sinkt ebenso wie die Zahl der Erwachsenen unter 60 Jahren – die Gesellschaft altert. In 30 Jahren werden mehr als ein Drittel der SteirerInnen über 60 Jahre alt sein.
 

Mit wissenschaftlicher Begleitung durch den Demografen Rainer Münz 
startete LH Waltraud Klasnic die Initiative "Kind(er)leben"

Klare Prioritäten für eine kinderfreundliche Gesellschaft
Die gesellschaftlichen Folgen sind unübersehbar: Die Zahl der Schüler und Lehrlinge geht zurück, das gesellschaftliche Innovationspotenzial sinkt. In bestimmten Branchen und Regionen kommt es zu Arbeitskräftemangel. Die auf dem Generationenvertrag beruhenden Solidarsysteme geraten in Finanzierungsschwierigkeiten (wobei diese laut Meinung von Ökonomen auch durch eine Anpassung der Beitragsleistungen an den Produktivitätszuwachs überwunden werden könnten). Eine alternde Wählerschaft drängt schließlich die Politik in eine Richtung, die noch weniger Rücksicht auf die Interessen der Kinder und Jugendlichen nimmt.
Die von Münz vorgeschlagenen Gegenstrategien sind vielfältig und beschränken sich nicht auf "incentives" für’s Kinderkriegen: Eine aktive Gestaltung der alternden Gesellschaft" – längere Lebensarbeitszeiten, höheres Pensionsalter, ehrenamtliche Tätigkeiten für Ältere und die Öffnung des Landes für Zuwanderer zählen ebenso dazu wie die Schaffung eines familienfreundlichen Klimas, die Förderung familienfreundlicher Betriebe, die flächendeckende Versorgung mit Kinderbetreuungseinrichtungen und die Einrichtung von Ganztagsschulen. Die Schlussfolgerung des Experten: "Unsere Gesellschaft braucht Kinder, deshalb müssen klare politische Prioritäten gesetzt werden." Die steirische Landespolitik zeigt mit der Initiative "Kind(er)leben", dass sie dieser Aufforderung nachkommt. 

cs

 
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