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Keine Zukunft ohne Kinder
Kinderkriegen soll in der Steiermark wieder in Mode kommen. Nur:
die früher gültigen, ideologisch abgesicherten Gründe für
zahlreiche Nachkommenschaft greifen nicht mehr. Die Politik muss neue Bedingungen
schaffen, um den Wunsch nach Kindern trotz der härter werdenden Anforderungen
des Erwerbslebens realisierbar erscheinen zu lassen – das machte der bekannte
Demograf Rainer Münz kürzlich einer interessierten 400-köpfigen
Zuhörerschaft im Rahmen einer Landes-Veranstaltung klar.
Schon Landeshauptmann Waltraud Klasnic ließ in ihrer Einleitung
zur Auftaktveranstaltung der (einstimmig in der Landesregierung beschlossenen)
neuen Landes-Initiative "Kind(er)leben" aufhorchen: Sehr nüchtern
nannte sie (teilweise schon realisierte) Wiedereinstiegs- und Beschäftigungsprogramme,
die Förderung von frauen- und familienfreundlichen Betrieben, kindergerechte
Arbeitszeitmodelle und die Verbesserung der Betreuungsangebote als zentrale
Faktoren für eine Umkehrung des demografischen Trends. Klasnic: "Wir
müssen in dieser Frage das Bewusstsein der Menschen langfristig und
nachhaltig verändern." Eine vom Land eingesetzte Arbeitsgruppe unter
der Leitung von Dr. Klaus Rundhammer wird die Schwerpunkte bündeln,
aber auch bereits bestehende Aktivitäten vernetzen.
2030: Mehr als ein Drittel über 60
Der früher auch in Österreich tätige, nunmehr an der
Berliner Humboldt-Universität lehrende Bevölkerungswissenschafter
Rainer
Münz breitete eine Fülle von Material aus, das die Ursachen
der Geburtsrückgänge ebenso erklärte wie es deren Folgen
belegte: Benötigte die Agrargesellschaft Kinder als Familienarbeitskräfte,
so wurden sie mit fortschreitender Industrialisierung zu Kostenfaktoren.
Sozialversicherung und andere Solidarsysteme machen das Überleben
im Alter oder bei Krankheit unabhängig von der Unterstützung
durch eigene Kinder. Gleichzeitig wächst der Widerspruch zwischen
dem Zwang zu immer mehr Flexibilität im Beruf und der durch Kinder
erzwungenen Bindung: "Kinder sind ein Mobilitätshindernis – und sie
verringern Berufschancen, Lebenseinkommen und Pensionsanspruch vor allem
von Frauen, da Männer nach wie vor weniger Verantwortung bei der Betreuung
und Erziehung von Kindern auf sich nehmen." Die Folgen seien klar: Die
Zahl der Kinder und Jugendlichen sinkt ebenso wie die Zahl der Erwachsenen
unter 60 Jahren – die Gesellschaft altert. In 30 Jahren werden mehr als
ein Drittel der SteirerInnen über 60 Jahre alt sein.
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Mit wissenschaftlicher Begleitung durch den Demografen Rainer
Münz
startete LH Waltraud Klasnic die Initiative "Kind(er)leben" |
Klare Prioritäten für eine kinderfreundliche
Gesellschaft
Die gesellschaftlichen Folgen sind unübersehbar: Die Zahl der
Schüler und Lehrlinge geht zurück, das gesellschaftliche Innovationspotenzial
sinkt. In bestimmten Branchen und Regionen kommt es zu Arbeitskräftemangel.
Die auf dem Generationenvertrag beruhenden Solidarsysteme geraten in Finanzierungsschwierigkeiten
(wobei diese laut Meinung von Ökonomen auch durch eine Anpassung der
Beitragsleistungen an den Produktivitätszuwachs überwunden werden
könnten). Eine alternde Wählerschaft drängt schließlich
die Politik in eine Richtung, die noch weniger Rücksicht auf die Interessen
der Kinder und Jugendlichen nimmt.
Die von Münz vorgeschlagenen Gegenstrategien sind vielfältig
und beschränken sich nicht auf "incentives" für’s Kinderkriegen:
Eine aktive Gestaltung der alternden Gesellschaft" – längere Lebensarbeitszeiten,
höheres Pensionsalter, ehrenamtliche Tätigkeiten für Ältere
und die Öffnung des Landes für Zuwanderer zählen ebenso
dazu wie die Schaffung eines familienfreundlichen Klimas, die Förderung
familienfreundlicher Betriebe, die flächendeckende Versorgung mit
Kinderbetreuungseinrichtungen und die Einrichtung von Ganztagsschulen.
Die Schlussfolgerung des Experten: "Unsere Gesellschaft braucht Kinder,
deshalb müssen klare politische Prioritäten gesetzt werden."
Die steirische Landespolitik zeigt mit der Initiative "Kind(er)leben",
dass sie dieser Aufforderung nachkommt.
cs
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