09 / 2001
 
Kinderarmut in Österreich

Obwohl Österreich zu den zehn reichsten Nationen der Welt gehört, gelten rund 11% der österreichischen Bevölkerung als armutsgefährdet – 884.000 Personen, davon 245.000 Kinder. Jedes vierte dieser Kinder lebt in einer Alleinerzieherfamilie. 

Es gibt nur sehr wenige offizielle Unterlagen zu diesem Thema und die „aktuellsten“ Zahlen beziehen sich auf das Jahr 1997 und wurden im Rahmen des Sozialberichtes 1999 in Mai 2001 publiziert – ein Hinweis darauf, welche geringe Bedeutung der Armutsforschung in Österreich beigemessen wird.
Um diesem Manko zu begegnen, initiierte und vermittelte der Wissenschaftsladen Graz nun zwei Diplomarbeiten zu diesem Thema: Mag. Isabella Baumgartner forschte zu „Armut von Kindern in Österreich – Empirische Befunde und Möglichkeiten der Armutsbeseitigung“ und Mag. Gudrun Markusch untersuchte die „Familienförderung in Österreich – Ist-Situation und alternative Modelle hinsichtlich ihrer Effektivität bei der Bekämpfung von Armut von Kindern.“

Psychosoziale Folgen
Beschränkte materielle Verhältnisse beeinträchtigen alle sozialen Kontakte innerhalb und außerhalb der Familie. Kinder und Jugendliche geraten schnell in eine Außenseiterrolle, wenn sie nicht mit ihren Altersgenossen mithalten können. In diesem Zusammenhang ist arm auch der, der kein oder nicht das richtige Handy hat, nicht die richtige Pullover- oder Schuhmarke trägt oder das richtige Computerspiel besitzt.
Diese Kinder und Jugendlichen bleiben häufig auch als Erwachsene in der „Armutsspirale“ gefangen, zumal der Zugang zur Bildung in Österreich stark mit der Herkunftsschicht zusammenhängt.
Mag. Christian Theiss, der Kinder- und Jugendanwalt für die Steiermark, nennt einige der Faktoren, die am Ursprung von Kinderarmut stehen: die prekäre Situation am Arbeitsmarkt, Unterschiede bezüglich Chancengleichheit und Lohnniveau zwischen Männern und Frauen, mangelnde Möglichkeiten für kostenlose Schul- und Weiterbildung, die ungleiche Verteilung der finanziellen Ressourcen, neue Familienformen, die Kürzung staatlicher Unterstützungen im Rahmen von Sparpaketen und gesellschaftliche Entsolidarisierung.
 

Der steirische Kinder- und Jugendanwalt Mag. Christian Theiss engagiert sich auch im Kampf gegen die Kinderarmut

Staatliche Maßnahmen
Welche Auswirkungen hat das neu eingeführte, heiß umstrittene Kindergeld auf die Entwicklung der Kinderarmut? Univ. Prof. Dr. Richard Sturn vom Institut für Finanzwissenschaft der Universität Graz beurteilt es vom Einkommenseffekt her grundsätzlich positiv. Tendenziell ungünstig sieht er indessen die Anreizeffekte, die in Richtung verminderter vorschulischer Erziehung/Betreuung und in Richtung verminderter Arbeitsmarktteilnahme der Frauen wirken.
Die Einführung des Kindergeldes, so Sturn, macht weitere staatliche Maßnahmen in den Bereichen Kindergärten und Vorschulerziehung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf notwendiger als zuvor – sowohl aus Gründen der nachhaltigen Armutsbekämpfung als auch aus volkswirtschaftlichen Gründen.        

 Ulrike Kraber

 
SEPTEMBER-AUSGABE
WIRTSCHAFT UND ARBEIT