03 / 2001
  „Kein Alpha und kein Omega?“

Nach Schätzungen der UNESCO gibt es in Österreich 300.000 Analphabeten, ungefähr 50.000 davon in der Steiermark.

Die tatsächlichen Zahlen dürften aber noch höher liegen, weiß Mag. Otto Rath vom Verein ISOP (Innovative Sozialprojekte). Die Gründe? „Häufig liegt es an der Erziehung, weil im Elternhaus dem Schriftverkehr keine große Bedeutung beigemessen wird; und obwohl sich unser Schulsystem sicherlich verbessert hat, orientiert man sich zu sehr an den Leistungen der besseren Schüler, um den Lehrstoff unterzubringen.“ Grundsätzlich müsste man aber, so Rath, die Schuldzuweisung an die Gesellschaft richten: „Wenn die Verantwortung zwischen Elternhaus und Schule hin- und hergeschoben wird, gilt es zu fragen, wie denn Eltern sich bei dem Erwerbsdruck, unter dem sie in einem neoliberalen Wirtschaftssystem stehen, mit diesen Problemen ihrer Kinder auseinander setzen sollen.“ Der bei uns auftretende Analphabetismus sei in der Hauptsache ein funktionaler: Die Anforderungen an die Schreib- und Lesekompetenz des Individuums sind höher als die zur Verfügung stehenden Fertigkeiten. „Den totalen Analphabetismus findet man hier zu Lande höchstens bei MigrantInnen, und auch seine sekundäre Form – erlernte Fähigkeiten werden wieder vergessen – tritt bei uns sehr selten auf.“

Verspätete Reaktion
Bedauerlich: Österreich nimmt sich dieser Problematik – verglichen mit den anderen westeuropäischen Staaten – mit einer Verspätung von einigen Jahren an. Während es in Deutschland bereits einen Dachverband gibt, in dem alle Alphabetisierungsprojekte zusammengeschlossen sind, werken in Österreich gerade drei Vereine bzw. Institutionen an einer Verbesserung der Situation: Die Volkshochschule Wien Floridsdorf, der Verein ABC in Salzburg und der Verein ISOP in Graz, der eng mit dem AMS kooperiert.

Kursangebote
Analphabeten sind stark von Arbeitslosigkeit betroffen und isolieren sich gesellschaftlich, da es ihnen an Selbstvertrauen fehlt. Rath fordert daher ein Ende der Bagatellisierung des Problems: „Alle relevanten Organisationen und alle politischen Parteien müssen bei der Lösung des Problems mit eingebunden werden, da viele gesellschaftlichen Ebenen und politischen Bereiche betroffen sind.“ Prophylaktisch müsste man beim Schulsystem ansetzen und rechtzeitig die richtige Hilfe anbieten. Für die bereits Betroffenen bietet ISOP Grundbildungskurse an, wobei den Teilnehmern die Möglichkeit geboten wird, Schreiben, Lesen und Rechnen zu erlernen; zudem werden auch PC-Einführungen mit verschiedenen Lernprogrammen angeboten und „Self-Empowerment“ betrieben. Rath: „Durch unsere enge Zusammenarbeit mit dem AMS verbessern sich auch die Chancen der Betroffenen auf einen Arbeitsplatz.“
 

Informationen:
Mag. Otto Rath, Projektleiter der Alphabetisierungskurse, 
Verein ISOP (Innovative Sozialprojekte) 
Dreihackengasse 2, 8020 Graz, Tel. 0316/764646-16, Fax:0316/764646-6, 
e-mail: neustart@isop.at 
td, uk

 
MÄRZ-AUSGABE WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG