09 / 2000
  Internet – The New Frontier

Was verbindet den „Wilden Westen“, eine exotische Insel in der Karibik und das Internet? Wissenschaftliche Methoden der Vermessung, Katalogisierung und Kategorierung versuchen sie zu erfassen,  kartografische Darstellungen sie erfahrbar zu machen. Die Politik legitimiert die unterschiedlichen Besitznahmen, Bürokratie regelt die Verwertung. Das Internet – virtueller Natur und anarchistischer Grundprägung – erschwert das Bemühen all dieser Disziplinierungsversuche; Widerstand und Selbstorganisation sind zu orten – doch wer steht dahinter?
Das Experiment Route Tracer Project (http://routetracer.tonto.at/) der diesjährigen Landesausstellung (zu sehen im Schloss Eggenberg) unternimmt den Versuch der Kartografierung des Internet auf Grund von Datenmengen. Unterschiedliche Programme durchsuchen das Web, das einfach betrachtet ein Zusammenschluss von unabhängigen Netzwerken ist und sich u.a. dadurch auszeichnet, dass auf Grund der Vielzahl von Verbindungsmöglichkeiten jeder Computer den anderen kontaktieren kann, auch wenn Teile des Netzwerkes ausfallen. Dabei werden die Daten in voneinander unabhängige Informationspakete aufgespalten, die über jeden verfügbaren Weg von Computer zu Computer geschickt werden können. Die einzelnen Pakete enthalten ihren Bestimmungsort, der nach der Internet Protokoll (IP- internet protocoll) genannten Norm kodiert ist. 

Ausschluss angedroht
Der Grazer Internet-Experte Winfried Ritsch verwendete unterschiedliche Programme, um eine „Map of known world of the Computer“ zu erstellen: Als Erstes wurden ‚ping‘-Anfragen, kleine Daten-Pakete, an eine Netzwerkadresse geschickt, welche eine Antwort dieser erzwingen. Dadurch kann festgestellt werden, ob das Routing zu diesem Computer funktioniert bzw. ob dieser überhaupt aktiv ist.  Da nicht benützte Adressen von Hackern auf diese Weise ausgeforscht und verwendet werden könnten, gibt es bei vielen Netzwerkbetreibern Software, welche diesen Vorgang automatisch feststellt und dem Administrator meldet. Diese reagierten auf unterschiedliche Weise. Ein freundlicherer Versuch einer Kontaktaufnahme aus Europa: „Ihr System routetracer.tonto.at (212.183.24.130) hat heute um 6.41 Uhr versucht einen ping auf eine unserer Intranet-Workstations abzusetzen. Welchem Zweck diente dieser Versuch?“ 
Harschere Worte kamen aus den USA, bis hin zur Androhung der Sperre der IPs des Routetracers: „Subject: Network Attack on ornl.gov 000614A. We have detected unfriendly activity, directed at our network, from  Host:  212.183.24.130 (routetracer.tonto.at). Time:  08:25 EDT (GMT-0400) on June 13, 2000.  Type:  ping scan - ICMP type 8. Subnet attacked: 128.219.X.X. This type of activity is not desired on the ‚ornl.gov‘ domain. Please advise your system managers and users that this activity should stop immediately.“                                                           
„Routetracer.tonto.at“ wurde sogar so genannten „Abuse-Listen“ gemeldet, das sind „Schwarze Listen“, selbst ernannt, von der Netzcommunity und von Netzwerkbetreibern als Einschätzungsunterstützung anerkannt, welche Informationen über wirkliche (oder vermeintliche) abusive users veröffentlichen (siehe http://www.abuse.net). Eine Erklärung der Grazer Projektbetreiber konnte gerade noch den Ausschluss aus der Netzcommunity verhindern …
 

Winfried Ritsch, Scout in den Weiten des Internet

Neue Hierarchien
Als zweiter Teil des Experimentes wurde der Weg zu den gefundenen IP-Adressen bestimmt und die Whois-Datenbank von RIPE (Réseaux IP Européens, Organisation, welche alle Internet-Adressen in Europa koordiniert) abgefragt, um Informationen zur Zugehörigkeit der Computer zu bekommen. Natürlich hat sich RIPE binnen eines Tages selbst bei den Betreibern selbst gemeldet und um Aufklärung des Projektes gebeten. 
Diese Beispiele zeigen die Internet-eigene Herausbildung einer spezifischen Hierarchie; zunehmend stehen, so Ritsch, hinter Netzwerkbetreibern Konzerne, die ihre Lobbyisten in diesbezügliche Vertretungen entsenden und somit „informelle Wissens- und Zugangs-Feudalismen herausbilden“. Grundsätzlich konstatiert Ritsch die „Internet Engineering Task Force“ (IETF - http://www.ietf.org) als wichtigste Regierungseinheit im Internet, welche Netiquette und Standards in deren Arbeitsgruppen festlegen. 

Ausführlichere Informationen: 
http://duplox.wz-berlin.de/endbericht/jeanette.htm sowie in: „Regierende Techniken und Techniken des Regierens: zur Politik im Netz“ in: Sabine Helmers, Ute Hoffmann and Jeanette Hofmann, Internet... the Final Frontier: eine Ethnografie. Hrsg. Projektgruppe Kulturraum Internet im Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung 1999.
 
Margit Franz



Wem gehört die Information – und wer kontrolliert sie?

Mit der Ausweitung des Internet, der Verbesserung der Übertragungsgeschwindigkeiten und den neuen Übertragungs- und Komprimierungstechnologien stellen sich die Fragen nach dem Schutz intellektuellen (auch künstlerischen) Eigentums und nach der Verfügungsgewalt über Informationen immer drängender. Ein mit hochkarätigen internationalen ReferentInnen besetzter Kongress (27.-29.09. im Palais Eschenbach, Wien) wird unter dem Titel „KnowRight 2000“ das gesamte Spektrum der damit zusammenhängenden Themen debattieren. Am Programm stehen Vorträge zu den rechtlichen Aspekten des intellektuellen Eigentums, zu den technischen Möglichkeiten seines Schutzes, zu Cyber-Verbrechen, ethischen Problemen (etwa: Der Schutz der Menschenwürde in der Informationsgesellschaft) und zu den brennenden Fragen der „Besitzverhältnisse“ des Internet als Infrastruktur und der Informationskontrolle, die von Seiten der Regierungen über das Web ausgeübt wird.
 
 

Veranstaltet wird das Symposium von InfoEthics Europe in Kooperation mit der UNESCO. 
 

Programm: 
www.ocg.at/KR-IE2000.html

Anmeldung: 
http://www.ocg.at/cgi-bin/knori.pl oder http://www.knori.ocg.at/knorireg.pdf


 
 
 

 
SEPTEMBER-AUSGABE WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG