06 / 2000
  Haider und NLP:
Wahlen gewinnen mit dem „Psycho-Schmäh“?


Eine Psycho-Methode macht Schlagzeilen: Die politischen Erfolge des Kärntner Landeshauptmannes, so will es das Gerücht, seien auf seine meisterhafte Beherrschung des „Neurolinguistischen Programmierens“ (kurz: NLP) zurückzuführen. Prompt verordnete die Wahlkampfleitung der steirischen Sozialdemokraten ihren Funktionären ebenfalls eine kräftige Dosis NLP – quasi als Gegenmittel. KORSO befragte zwei Experten: Wie wirksam sind „zielorientierte Techniken“ wie NLP in der politischen Auseinandersetzung?

Psychotherapeut Philip Streit:
„Haider verwendet NLP-Strategien“

Dr. Philip Streit, Leiter des Instituts für Kind, Jugend und Familie in Graz und selbst NLP-Master, ist sich sicher: „Haider bedient sich bestimmter Kommunikationsstrategien, die auch im NLP verwendet werden.“ So etwa beherrsche er die Technik des Pacings – des Angleichens an sein Publikum – oder des Reframings (des Umdeutens bestimmter Sachverhalte in einen neuen Zusammenhang) perfekt. Streit nennt ein Beispiel: „Während die Opposition sich zur Zeit total schwer damit tut, die aktuelle Belastungswelle als solche zu charakterisieren, gelingt es Haider, sie zu einem ,Ausmisten des Augiasstalls‘ umzudeuten.“ So werden die Betroffenen selbst über die härtesten Sparmaßnahmen hinweggetröstet – schließlich geht’s um ein höheres Ziel.
Ist es im Sinn der NLP-Ausbildner, wenn ihre Methoden für politische Zwecke gebraucht werden – womöglich sogar, um Menschen gegen ihren Willen zu beeinflussen? Streit: „In meiner NLP-Ausbildung habe ich als oberstes Prinzip schätzen gelernt, dass die Techniken dazu genutzt werden, dem Gegenüber Entscheidungshilfen zu vermitteln, aber nicht, ihn in irgendein Eck zu drängen. In der Therapie rächt sich das ohnehin: Wenn man jemanden gegen seinen Willen zu einer Verhaltensänderung bringen will, dann funktioniert nach längstens fünf Therapiestunden nichts mehr. Im politischen Bereich scheint’s aber anders zu sein: Die FPÖ hat immerhin in letzter Zeit schon 3-4 größere Skandale überstanden, ohne dass sich an der Wählergunst Entscheidendes geändert hätte.“ Liegt das allein an der Kommunikationsstrategie? „Auf Dauer wahrscheinlich nicht. Aber: Über einen geschichtlich relevanten Zeitraum kommt’s allein überhaupt nicht auf den Inhalt, sondern nur auf die Kommunikationsstruktur an.“

Managementtrainer Gettinger:
„Wo politische Visionen fehlen, muss auch NLP versagen“

Zu anderen Schlüssen kommt der ebenfalls mit den NLP-Methoden bestens vertraute Grazer Managementtrainer und Organisationsberater Günther Gettinger, langjähriger Trainer von Managern und Gewerkschaftsvertretern: „NLP ist keine sozialpsychologische Wunderwaffe – bloß ein spezifisches Kommunikationsmodell. Wer es beherrscht und im Rahmen seiner politischen Überzeugungen zu nützen weiß, der wird seine Ziele rascher und flexibler erreichen.“ Aber, so Gettinger: „Wer keine politischen Visionen hat, dem nützt natürlich auch die beste Kommunikationsstrategie nicht – das Vranitzkysche Diktum von den Visionären, die einen Arzt brauchen, war da genau die falsche Botschaft.“ Haider, so Gettinger, habe ein klares – konservativ bis reaktionäres – Ziel, mit dem er bei jenen punkte, die sich von den Folgen der „Modernisierung“ bedroht fühlen; die Opposition lasse ein solches vermissen. „Wenn man der Haider’schen Polemik etwas entgegensetzen will, dem diese mit Sicherheit nicht gewachsen ist, dann kann das nur sachliche Klarheit und entschlossene Reformbereitschaft auf der Basis glaubwürdiger sozialpolitischer Visionen sein.“ Und, mit einem Seitenhieb auf die eigene „Szene“: „Die jetzt kolportierte Behauptung, dass Haider die Wahlen mit dem „Psycho-Schmäh“ gewinnt, nützt einzig den Trainern.“
Die WählerInnen dürfen jedenfalls gespannt sein, wie sich der psycho-kommunikative Aufrüstungswettlauf auf die Qualität der Politik auswirken wird.
cs
 


JUNI AUSGABE WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG