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  Wissenschaft und Forschung
 
 
  02 / 2002
 
"Geistige Grundlagen für die Selbstorganisation der Zivilgesellschaft"

Anlässlich der Präsentation des neuen Programmes der Akademie Graz sprach
KORSO mit Akademie-Präsident Emil Breisach und Geschäftsführer Günter Eisenhut.
 

Akademie-Graz-Präsident Emil Breisach (rechts) und Geschäftsführer Günter Eisenhut: "Die steirische Moderne wieder ins Blickfeld rücken".
 

Zwei Veranstaltungsblöcke im ersten Halbjahr 2002 sind der Kunst gewidmet: Eine Ausstellungsreihe beschäftigt sich mit steirischen Künstlern, die in Wien leben – besser: leben müssen, und in einer Vortragsreihe geht es um Aspekte der klassischen Moderne in der Steiermark. Sie haben schon des Öfteren moniert, dass die lokale Kulturpolitik der zeitgenössischen steirischen bildenden Kunst zu geringen Stellenwert beimisst …

Breisach: Wir haben oft ausländische Gäste hier – und immer wieder werde ich gefragt: ,Wo kann ich die steirische Kunst des 20. Jahrhunderts sehen?‘ Da muss ich leider jedes Mal: ,Nirgends‘ zur Antwort geben. Ich meine, dass es eigentlich eine Pflichtaufgabe ist, im Jahr der Kulturhauptstadt die steirische Moderne in einer Ausstellung darzustellen und auch eine entsprechende Publikation herauszugeben, für die ja Vorarbeiten bereits durch die Vortragsreihe am Kunsthistorischen Institut geleistet wurden. Ich bin überzeugt davon, dass die steirische Moderne jeden Qualitätsvergleich aushält – nur ist sie durch die Provinzlage nie so sehr ins Blickfeld des europäischen Kulturgeschehens gerückt, wie sie das verdient hätte.
Eisenhut: Wir haben im Zuge der Planungen zum Schlossberg vorgeschlagen, das alte Bezirksgerichtsgebäude beim Paulustor für ein Museum der steirischen Moderne zu nützen, wobei ein wesentlicher Teil als Sammlermuseum konzipiert sein sollte: Es gibt Sammler, welche Werke als Dauerleihgaben zur Verfügung stellen würden; dazu kämen eventuell Bestände aus den Depots der Museen für thematische Ausstellungen.
Breisach: Diese müssten allerdings auch aufgebessert werden, weil z.B. die Neue Galerie ja lange Zeit über kein nennenswertes Ankaufsbudget verfügt hat, sondern auf Schenkungen angewiesen war. Dabei muss auch die Situation der steirischen Gegenwartskünstler bedacht werden, die – so weit sie noch nicht im Markt beheimatet sind – unter unwürdigen Verhältnissen leben.

Das leitet zur nächsten Frage über: Die Reihe „Steirer im Wien“ ist, so meinten Sie kürzlich, auch als Unterstützung der Forderung nach einer Hochschule für bildende Kunst in Graz zu verstehen …
Breisach: Diese Forderung ist bereits in den 60er Jahren erhoben worden: Während es im Bereich der Musik eine hervorragende Hochschule gibt, müssen Begabungen aus der bildenden Kunst in Wien studieren – das führt zu einem ununterbrochenen Substanzverlust.
Eisenhut: Es ist nicht einzusehen, warum Graz im Gegensatz zu Linz und Salzburg keine Hochschule für bildende Kunst hat …
Breisach: … noch dazu, wo ihre Einrichtung keinen besonderen organisatorischen Aufwand zur Folge hätte: So wie die Kunstuniversität bereits über eine Schauspielklasse verfügt, könnte man ihr auch eine Abteilung für bildende Kunst angliedern und/oder die „Meisterklassen“ an der Ortweinschule aufwerten.

Den zweiten Schwerpunkt des Akademie-Programmes des ersten Halbjahres 2002 bilden mit der Reihe „Im Brennpunkt: Gedanken zur Orientierung“ über die Welt nach dem 11. September 2001, mit Vortragsabenden zur interkulturellen Philosophie und mit einem Tagessymposium zur Situation im Sudan Veranstaltungen, die sich auf verschiedene Art kritisch mit dem Thema Globalisierung auseinander setzen. 
Breisach: Wir versuchen, damit in eine Auseinandersetzung einzugreifen, die sich zurzeit zwischen einer machtbestimmten Politik und jenen Tendenzen abspielt, die eine friedliche Weltpolitik anstreben. Zu letzterer gehört auch ein aufgeklärter Umgang mit dem eigenen Selbstverständnis – und jenem des Gegenüber.

Das führt naturgemäß auf die Frage nach dem Selbstverständnis der Akademie …
Eisenhut: Wir möchten mit unseren Mitteln einen Beitrag dazu leisten, die geistigen Grundlagen für eine stärkere Selbstorganisation der Zivilgesellschaft zu bereiten. Die Akademie Graz kann dabei eine zentrale Rolle spielen, weil sie parteiunabhängig und weder an Konfessionen noch an Interessengruppen gebunden ist.

Das Gespräch führte Christian Stenner.


Akademie Graz
Programm Februar bis Juli 2002

Den Anfang der neu begründeten Ausstellungsreihe Steirer in Wien macht Richard Fleissner, dessen Schau „ErdKlingen“ im Grazer Stadtmuseum noch bis 12. Februar zu sehen ist. Bilder von Susanne Sehn-Baumhakel sind im Rahmen der Ausstellung "Im Nachklang" vom 14. Februar bis 3. März ebenfalls im Grazer Stadtmuseum zu sehen. (Vernissage am 14. Februar, 19.00 Uhr).

Namhafte ReferentInnen diskutieren in der Reihe Im Brennpunkt im Kulturzentrum bei den Minoriten neue Aspekte der Weltpolitik nach den Anschlägen des 11. September 2001: Paul Lendvai (4. März), Thomas Assheuer (Die Zeit, 8. April), Eugen Freund (6. Mai). Beginn ist jeweils 19.30 Uhr.

Im Kulturzentrum bei den Minoriten werden am 14. März Journalismus und Politische Kultur in Österreich diskutiert. Teilnehmer sind Rudolf Bretschneider (Fessl), Manfred Jochum (Intendant Hörfunk), Heinrich Neisser (Politische Akademie), Armin Thurnher (Falter), Hubert Patterer (Kleine Zeitung) u.a. Beginn: 19.30 Uhr.

In der dreiteiligen Vorlesung Radikale Ökumene – "Der Gott aller Menschen – Eine philosophische Grenzüberschreitung" versucht der Grazer Philosoph Peter Strasser eine Annäherung an eine universalistische Haltung im Religiösen, die ein "friedliches Nachdenken über Gott und die Welt" im „postmetaphysischen“ Zeitalter ermöglicht.
26., 27. und 28. März, Beginn jeweils um 19.00 Uhr, Veranstaltungsort: Kulturzentrum bei den Minoriten.

Ebendort finden zwei Vorlesungen statt, die der Frage nachgehen möchten, ob Menschen aus verschiedenen Kulturen miteinander ein philosophisches Gespräch führen können. Rolf Eberfeld erläutert am 11. April "Dimensionen der Sinnlichkeit in interkultureller Perspektive", Hans Schelkshorn referiert am 16. Mai über "Katastrophische Vernunft? Postkolonialismus und Moderne". Beginn jeweils um 19.30 Uhr.

Ein von Manfred Prisching konzipiertes Symposium wird zu klären versuchen, in welcher Art von Gesellschaft wir denn nun eigentlich leben, um Licht ins verwirrende Durcheinander von Deutungen und Etikettierungen zu bringen. Über die Etikettengesellschaft diskutieren Ronald Hitzler (Dortmund), Jürgen Mittelstraß (Konstanz), Bernd Guggenberger (Berlin), Wolfgang Müller-Funk (Birmingham) und Peter Gross (St. Gallen) ab 14.30 Uhr bei den Minoriten.

Am 23. April diskutieren im Europasaal der Wirtschaftskammer u.a. Vizekanzler a.D. Josef Riegler (Ökosoziales Forum),  Werner Tessmar-Pfohl (Industriellenvereinigung), Ursula Schaupp (Fresenius, Kabi) und Hans-Peter Haselsteiner über "Das humane Unternehmen als Garant für Erfolg und Nachhaltigkeit". Beginn: 09.00 Uhr.

Januskopf der Weltpolitik – am Beispiel Sudan: Mit den negativen Folgen reicher Ölfunde im Sudan befassen sich Betroffene und MitarbeiterInnen von Menschenrechtsorganisationen am 4. Mai im Kulturzentrum bei den Minoriten. Beginn: 10.00 Uhr.

Am Institut für Kunstgeschichte der Grazer Universität werden Karl Wiener, Siegfried Neuburg, Gerhard Moswitzer, Rudolf Pointner und Heinrich Pölzl als Vertreter der klassischen Moderne in der Steiermark vorgestellt. Termine: 8., 15., 22. und 29. Mai sowie 5. Juni, Beginn jeweils 19.30 Uhr. 

In der Aula der Alten Technik findet am 7. Juni der Kongress Die Konkurrenz der Wissenschaften im Rahmen der "Science Week Österreich" statt. Diskutiert werden dabei Strategien von WissenschafterInnen angesichts der Forderung, sie müssten vor allem dem Markt dienen. Beginn: 10 Uhr.

Die Akademie Graz schreibt einen Satire-Wettbewerb für AutorInnen jeder Staatszugehörigkeit bis zum 35. Lebensjahr aus, der mit insgesamt ATS 100.000,-- /7267 EUR dotiert ist. Einzureichen sind bisher nicht veröffentlichte Texte in deutscher Sprache bis zu einem Umfang von maximal 8 maschinegeschriebenen Seiten. Einsendeschluss: 14. Juni 2002.

Detailinformationen bitte beim Veranstalter anfordern:
Akademie Graz, Albrechtgasse 7, 8010 Graz
Tel.: 0316 83 79 85-0
Fax: 0316 83 79 85-17


 
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