07 / 2001
  Steirische Thermen: Besser privat plätschern?

Seit Mitte der neunziger Jahre bestehen seitens der Landesregierung Bestrebungen, Unternehmen des Landes oder Anteile davon zu verkaufen. So gingen etwa Anteile der Hypobank an die Raiffeisenbank und 25 Prozent der ESTAG an den französischen staatlichen Atommulti Electricité de France (EdF). Jetzt sollen die Landesdruckerei, die Landes-Schilifte und die touristischen Vorzeigebetriebe – die Thermen – veräußert werden.
 

„Es wird keine weiteren Privatisierungen geben: Derzeit ist es gescheiter zu investieren als Schulden zurückzuzahlen!” hieß es noch im Vorjahr seitens des damaligen Finanzlandesrates Joachim Ressel. Jetzt hat sich das Blatt gewendet: Wirtschaftstreuhänder sollen die Betriebe der Landesholding bewerten, um sie auf den Markt zu werfen – Schilifte, Bergbahnen und Thermen. Wirtschafts- und Finanzlandesrat DI Herbert Paierl: „Mit diesem Schritt wollen wir das bereits angekündigte Privatisierungsprogramm professionell in die Wege leiten. Ziel ist es, diese Betriebe einem Bewertungsverfahren zu unterziehen und sie ohne Zeitdruck in die Privatisierung zu führen.“

Loipersdorf und Bad Radkersburg: Völlig selbstfinanziert
Über fünf Milliarden an Steuergeldern sind in den 16 Jahren des Bestehens der Landesholding in die steirische Tourismusinfrastruktur geflossen. Gelder, die nicht nur den Landes-Unternehmen, sondern vor allem der umliegenden privaten Hotellerie zugute gekommen sind. Die beiden großen Thermen Bad Radkersburg und Loipersdorf benötigen schon lange keine Förderungen mehr: Wolfgang Riener, Geschäftsführer der Therme Loipersdorf, weiß seinen Betrieb im Bestzustand: „Wir haben seit sieben Jahren keine Förderung gebraucht, es wurde kein Gewinn entnommen, wir haben in letzter Zeit rund eine halbe Milliarde Schilling aus Eigenmitteln investiert. Nur für unseren Kindergarten haben wir fünf Millionen bekommen, die kamen aber aus dem Kindergartentopf.” 

Sanierungsfall Gleichenberg 
Nachholbedarf hat nur die Therme  Gleichenberg. Bis zu Beginn der 90-er Jahre stand sie zu hundert Prozent in Familienbesitz, dann wollte ein Wiener Immobilienspekulant 60% der Anteile erwerben. Als dieser letztendlich nicht einmal die Kaufsumme aufbringen konnte, übernahm die Bank für Kärnten und Steiermark diese Anteile, die dann wiederum im Jahr 1998 vom Land übernommen werden mussten, damit die Wirtschaft der industriearmen Region nicht noch weiter geschwächt würde. Man begann die heruntergewirtschaftete Therme wieder herzurichten, auch eine Übernahme der restlichen teils noch in Familienbesitz verbliebenen Anteile war im Gespräch. Verkauft werden kann vorerst nicht: Die Therme ist noch nicht attraktiv genug. In Kürze sollen aber 180 Millionen öS an Steuergeldern investiert werden …

Skepsis beim Management
Die Leistungen der steirischen Landesthermen für die regionale Wirtschaft können sich sehen lassen: Die Anzahl der Nächtigungen in der Thermenregion hat sich in den letzten 10 Jahren nahezu versechsfacht. 1999 erhielt die steirische Thermenregion auf der europäischen Tourismusmesse in Madrid den „Award for Tourist, Hotel and Catering Industry“, der zuvor an attraktive Touristenorte wie Barbados, Hongkong und die Kapverdischen Inseln verliehen worden war. Bei einer Umfrage im Vorjahr vergaben Tourismusexperten Spitzenplätze für die steirischen Thermen unter 17 beurteilten Thermalbädern.
Angesichts dieser Erfolge herrscht auch beim Thermen-Management Skepsis, was die Sinnhaftigkeit einer Veräußerung betrifft.
Der Paradebetrieb Loipersdorf hätte bereits 1996 verkauft werden sollen, doch kein Interessent wollte die entsprechende Kaufsumme auf den Tisch legen, und auch die Auflagen des Landes bezüglich einer weiteren Einbindung der regionalen Wirtschaft wollte niemand erfüllen. Dann wurde weiter investiert: Erst im März dieses Jahres wurde das neue Schaffelbad fertiggestellt, mit 8500 Quadratmetern Teil der größten Wellness-Oase Europas. Ein Konferenzzentrum ist in Planung, ein neues Hotel bereits fertig und der Golfplatz um neun Löcher aufgestockt. Geschäftsführer Riener, auch Obmann des Regionalverbandes „Steirisches Thermenland”: „Die steirischen Thermen bringen für die Volkswirtschaft jährlich sicher an die fünf Milliarden Schilling, die in Hotels, Buschenschänken und Geschäfte fließen. Wir wollen keine Experimente. Es müsste jedenfalls gewährleistet sein, dass ein Investor die regionalen Interessen im Auge behält.”

Furcht vor Rendite-Maximierung und Spekulation
Auch in Bad Radkersburg – hier ist das Land Hauptgesellschafter, die umliegenden Gemeinden halten 26 Prozent der Anteile – steigt die Zahl der Gäste ständig. Erst im Jahr 2000 wurde umgebaut, das Vier-Sterne-Hotel wurde vergrößert, 150 neue Liegeplätze wurden geschaffen.
Geschäftsführer Mag. Josef Sommer sieht eine Privatisierung mit gemischten Gefühlen: „Wir möchten auch noch in zehn Jahren da sein und haben Angst, dass im Fall einer Privatisierung Renditemaximierung und Spekulation das Unternehmen bestimmen könnten. Gleichenberg ist ja ein Beispiel dafür. Man darf nicht übersehen, dass die Thermen wichtige Impulsgeber für die regionale Wirtschaft sind und nicht wir, sondern die Hotels die Hauptverdiener sind. Ich wünsche mir jedenfalls eine möglichst schnelle Entscheidung. Die Ungewissheit ist lähmend, der Thermentourismus entwickelt sich ständig, man muss weitermachen. Ein zukünftiger Investor soll vor allem nachhaltig wirtschaften  und regionale Interessen haben.”
 

Sorge um die Zukunft der Thermenregion: Geschäftsführer Wolfgang Riener, Loipersdorf (li) und Mag. Josef Sommer, Bad Radkersburg

Eine ähnliche Position bezieht auch der Geschäftsführer des Loipersdorfer Hotels „Vier Jahreszeiten”, Dr. Horst Wagner: „Es ist nicht so entscheidend, ob der Eigentümer privat oder das Land ist; entscheidend ist, ob die Therme gut geführt, also nachhaltig genutzt wird oder nur auf kurzfristige Gewinne Bedacht genommen wird.” Bei einem eventuellen Verkauf der Therme müsse „seitens der Region daraufgeachtet werden, dass nur solide und langfristig agierende Unternehmer als Käufer in Frage kommen.”

Rot und Grün gegen Thermen-Privatisierung
Gesundheitslandesrat Günter Dörflinger sieht zwei wichtige Gründe gegen eine Privatisierung: „Bei einem Verkauf von Loipersdorf und Radkersburg könnte ein Konkurrenz-Problem entstehen, denn zur Zeit sind die Betätigungsfelder zwischen den Landesthermen aufgeteilt: Gleichenberg setzt auf Gesundheit, Loipersdorf auf  Wellness und Radkersburg auf Familie. Und: Niemand wird verstehen, warum man zunächst Steuergelder in den Aufbau der Tourismusinfrastruktur pumpt und die Gewinne jetzt privatisiert werden sollen!”
Der grüne Landtagsabgeordnete Peter Hagenauer merkt an, dass „die Thermen ohnehin nicht von der Landesverwaltung geführt werden: Sie wurden ja schon vor geraumer Zeit ausgegliedert und arbeiten auch nach betriebswirtschaftlichen Prinzipien. Der Nutzen einer Therme liegt besonders im Infrastrukturbereich. Wenn sie von einem privaten Geschäftemacher heruntergewirtschaftet werden sollte, kommen nachher wieder alle gelaufen und wollen vom Land eine neue Therme.”
Mag. Karl Snider, Leiter der Abteilung Volkswirtschaft der Steirischen Arbeiterkammer, sieht bei einem Verkauf der Thermen die Möglichkeiten einer guten Regionalpolitik in Gefahr: „Die Gestaltungsmöglichkeiten werden geringer, das Land verliert das entsprechende Know-how.”

Landes-Thermen: Reste des Realsozialismus?
Tourismuslandesrat Dr. Gerhard Hirschmann nennt eher ideologische denn pragmatische Gründe für einen Verkauf: „Das Land hatte nie die Absicht einen staatlichen Tourismuskonzern zu führen. Die DDR, Russland und auch Albanien sind Beispiele, wo man hinkommt, wenn der Staat das tut, was Private besser können. Alle halbwegs florierenden Staaten funktionieren nur mit 98-prozentigem Engagement von Privaten.” Der Landesrat schlägt mit dieser Angabe selbst wirtschaftsliberale Ökonomen um Längen, die ein Mindestengagement des Staates von 15 Prozent des BIP für erforderlich halten. Hirschmann: „Das Land wollte mit dem Thermenbau regionalpolitische Initiativen setzten. Die Thermen Loipersdorf und Radkersburg stehen zwar gut da, müssen aber kein Investment verbuchen, zahlen an das Land keine Dividenden und tragen auch nicht selbst die Kosten der Geschäftsführer. Jetzt wird privatisiert, mit strategischen und regionalen Partnern. Ich denke da an Banken und Versicherungen, jemanden mit regionalem Interesse. Die Erlöse werden in neue touristische Projekte reinvestiert, z.B. in die Erschließung neuer Thermen wie Gabelhofen und Köflach.”

Rogner: Rückzug aus Stegersbach, Expansion nach Albanien
Dafür, dass private Thermenbetreiber nicht unbedingt die besseren Manager sind, gibt es neben dem bereits genannten Fall Gleichenberg ein weiteres, aktuelles Beispiel: Der Kärntner Bau-Mogul Robert Rogner, der die Entwicklung von Tourismusstrukturen als sein Geschäft bezeichnete und noch vor kurzem mit dem Ausspruch zitiert wurde: „Es gibt kein Geschäft, das ich nicht zu Ende gebracht habe”, verkaufte vor knapp einem Monat seine Thermenanlage Stegersbach für einen symbolischen Schilling an die landeseigene Wirtschaftsservice Burgenland AG (Wibag). Das Land war bereits 50-Prozent-Eigner der „Birdie-Therme”, die es auch zur Hälfte finanziert hatte. Die Bankverbindlichkeiten waren seit der Errichtung durch laufende Verluste bereits auf 150 Mio öS gestiegen. Die Familie Rogner war nicht bereit, die zum Weiterbestand der Anlage dringend notwendigen Investitionen zu tätigen und zieht sich jetzt aus dem 640-Millionen-Projekt als Eigentümer sowie als Betreiber zurück. Rogner will jetzt mit finanzieller Unterstützung durch die Weltbank auf der Krim Hotels renovieren, in Albanien ein Feriendorf und weitere Hotels in Sarajevo, Skopje und Siebenbürgen bauen: In den Ländern des ehemaligen Ostblocks herrscht Bedarf an solidem touristischem Know-how.

Susanne Haydvogel

 
JULI/AUGUST-AUSGABE
WIRTSCHAFT UND ARBEIT