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Südbahn: 2005 um 30 Minuten
schneller?
ÖBB-Experte legt ein revolutionäres
Konzept vor: Mit rasch realisierbaren Ausbaumaßnahmen könnte
die Fahrzeit zwischen Wien und Villach um eine halbe Stunde verkürzt
werden.
Während der Ausbau der Südbahnstrecke
weiterhin auf Eis liegt, wird anderswo fleißig am Ausbau der Bahn
gewerkt: Heuer wurde die Bahnstrecke Murska Sobota (Slowenien) – Zalalövö
(Ungarn) eröffnet. Dieses Schlüsselstück einer künftigen
Hochleistungsbahn zwischen Norditalien über Budapest nach Osteuropa
ist Teil eines europäischen Hochleistungsnetzes. Künftig soll
der Güterverkehr aus dem Osten über diese Strecke laufen, über
die Adriahäfen Koper und Triest wird rund ein Drittel aller für
Europa bestimmten Schiffsladungen gelöscht. Eine Anbindung der Bahn
ab Szombathely über Sopron nach Wien ist bereits im Gespräch.
Damit gerät die Steiermark immer deutlicher ins verkehrspolitische
Abseits.
Mit der EU-Osterweiterung droht der Bevölkerung
besonders in Ostösterreich eine ähnlich Transitlawine wie auf
der Brennerstrecke. Anstatt neue Transitrouten zu eröffnen sollen
deshalb nach dem Willen der Verkehrsministerin zusätzliche Kapazitäten
auf die Schiene gebracht werden. Laut Wunsch von Monika Forstinger
soll in den nächsten zwei Jahren mindestens ein Drittel des Straßengütertransits
von jährlich 2,2 Mio Lkw auf die Schiene gebracht werden. Ohne Ausbau
der Bahnstrecken wird’s beim Vorsatz bleiben, sind sich alle Experten einig.
Auch in der steirischen Wirtschaft ist man sich
durchaus der Problematik bewusst. Kammerpräsident Peter Mühlbacher:
Die „Wirtschaftslokomotive Steiermark“ liegt in der EU als Wirtschaftsstandort
zwar auf Platz 53, so Mühlbacher, „bei der Infrastruktur aber auf
Rang 164 unter 243 Regionen. Allein der Semmeringtunnel würde uns
um 30 Punkte nach vorne bringen.“
Schein und Sein
Während Österreich sich mehr und mehr
zur Straßenverkehrs-Drehscheibe Mitteleuropas entwickelt, geht man
beim Schienennetz nahezu gegenteilige Wege. Besonders die Steiermark und
auch Kärnten sind seit langem von jeder Entwicklung im Schienenverkehr
ausgeschlossen. Für die ÖBB war bis jetzt der Ausbau der Westbahn
erklärtes Ziel und der Sparkurs der Regierung scheint auch für
die Zukunft nicht genügend Mittel für den Bahnausbau zuzulassen.
So werden 6,2 Milliarden Schilling, die für den Semmering-Basistunnel
reserviert waren, laut Verkehrsministerin Forstinger nun für den Streckenabschnitt
Koralmtunnel verwendet. Die Kompetenzen für die Bauverhandlungen wurden
bereits dem Kärntner Landeshauptmann übertragen und schon im
nächsten Jahr soll mit dem Bau von Sondierungsstollen auf Kärntner
und auf steirischer Seite begonnen werden. Der Erkundungsstollen ist für
2003 geplant. Wenig Gegenwehr gegen diese Umschichtung kommt von Seiten
der Verantwortlichen in der Steiermark: Für LR Gerhard Hirschmann
ist „jeder Schritt, der das Projekt Südbahn beschleunigt“, richtig.
Der Bau des Semmeringtunnels sei keineswegs gefährdet.
Faktum ist, dass auch der Koralmtunnel im günstigsten
Fall so lange für seine Fertigstellung benötigen wird, dass er
nicht zur Lösung der akuten Probleme beitragen kann. Ungeachtet der
Tunnelbauten sind also rasche Maßnahmen nötig, um die Kapazität
und die Fahrgeschwindigkeit auf der Südbahnstrecke zu erhöhen.
Ein ÖBB-Streckenbauexperte hat Pläne für einen raschen und
kostengünstigen Ausbau der Südbahnlinie zwischen Mürzzuschlag
und Villach vorgelegt.
Ein fertiges Beschleunigungsprojekt
Der Schöpfer dieser Pläne, DI Wilhelm
Steiner, war jahrelang in der Region Kärnten, Steiermark und Wien
als Streckenbauer tätig und ist zurzeit bei den Bundesbahnen für
Brandschutz und Immobilien zuständig. In seiner Freizeit beschäftigt
er sich allerdings mit dem Ausbau der Südbahnstrecke. Steiner: „Die
Ausbaupläne liegen den Österreichischen Bundesbahnen schon seit
gut vier Jahren vor, aber ihr Interesse galt in den letzen Jahren fast
ausschließlich der Westbahn.“
Der erfahrene Streckenbauer hält einen Ausbau
der Südbahnstrecke für unerlässlich: „Auf unserem Streckennetz
fahren wir nur mehr auf der Substanz. Den zukünftigen Anforderungen
sind wir so auf keinem Fall gewachsen.“ Steiner weiter: „Der Koralmtunnel
wird sicher nicht früher als in 20 Jahren fertig, die Semmeringschnellstraße
wird aber schon in zwei Jahren fertig sein und bei einer Osterweiterung
2005 werden wir vom Verkehr niedergewalzt werden. Der Anschluss an den
europaweiten Schienenverkehr wird versäumt, alle Verkehrskorridore
der EU gehen an Kärnten und der Steiermark vorbei.“
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Allein durch Streckenbegradigungen und
ähnliche Ausbaumaßnahmen könnte
zwischen Wien und Villach eine halbe Stunde gewonnen
werden |
Eine Stunde Zeit gewonnen
Durch den Ausbau, wie ihn Steiner vorschlägt,
könnten Zugreisegeschwindigkeiten von 160 Stundenkilometer erreicht
und so auf der Strecke Wien – Villach bereits ohne Semmeringtunnel 30 Minuten
eingespart werden. Mit dem Semmering- und dem Galgenbergtunnel würde
die Fahrzeitverkürzung dann ganze 64 Minuten ausmachen. Zehn bis zwanzig
Prozent Zugkunden wären dadurch sicher dazuzugewinnen, ist Steiner
überzeugt. „Die Linienverlegung muss natürlich so erfolgen, dass
zusammenhängende längere Abschnitte entstehen, die mit gleich
bleibender und möglichst hoher Geschwindigkeit befahren werden können.“
Bis auf wenige Ausnahmen hat der Praktiker Steiner bei seinen Trassierungsvorschlägen
auch die Investitionsvorhaben der letzten Jahre berücksichtigt. Die
bestehenden Anlagen der Bahnhofinfrastruktur – z.B. die Sicherungsanlagen
– könnten in vollem Umfang weiter benutzt werden, nur der Neubau von
Personentunneln und Mittelbahnsteigen wäre nötig.
Kapazitäts- und Geschwindigkeitssteigerungen
Durch die Begradigung der Strecke könnten
lückenlos verschweißte Gleise verwendet werden, auch der Einsatz
von „rollendem Material mit Wagenkastensteuerung“, der so genannten „Pendolinos“,
wäre dann problemlos möglich. In Italien zum Eisenbahnalltag
gehörend kann sich dieser elektrische Zug dank seiner Neigetechnik
wie ein Motorradfahrer in die Kurve legen und diese so schneller durchfahren.
Die zusätzlich entstehenden Fliehkräfte sind für den Fahrgast
kaum bemerkbar und auf herkömmlichen Bahnstrecken können dadurch
bis zu 200 Kilometer pro Stunde erreicht werden; auch die Erhaltungskosten
verringern sich durch den Einbau von verschweißten Schienen: Größere
Kurvenradien vermindern die Schienenabnützung. Durch geringere Abstände
zwischen den Zügen und gleichmäßigere Geschwindigkeit könnten
deutlich mehr Güterzüge auf der Strecke verkehren. Die Verbesserung
der Infrastruktur ist schließlich auch Voraussetzung für eine
Aufwertung der Mur-/Mürz-Region, die ohnehin noch unter den Nachwehen
des Strukturwandels leidet.
Für die Gemeinden ergäbe sich ein zusätzlicher
Vorteil: Beim Neubau von Bahnstrecken über hundert Meter Länge
sind nämlich Lärmschutzmaßnahmen vorgeschrieben, die nicht
von den Gemeinden selbst, sondern von den ÖBB finanziert werden müssen.
Da eine 45-Dezibel-Grenze für Baulandwidmungen gilt, könnten
bei entsprechendem Lärmschutz wieder mehr Grundstücke an der
Bahnachse als Bauland gewidmet werden und so der Zersiedelung entgegenwirkt
werden.
ÖBB für „integrative Verkehrswege“
Mit Spannung erwarten alle Beteiligten den neuen
Generalsverkehrsplan des Bundesministeriums. Darin soll auch die Zukunft
der Tunnelprojekte ebenso wie weitere Streckenausbauten geregelt werden.
Ob die Konzepte Steiners in diesen Plan Eingang finden, ist noch unbekannt.
Ing. Christoph Posch, Sprecher der ÖBB für Kärnten, Osttirol
und die Steiermark, betont die intensive Mitarbeit der ÖBB am kommenden
Generalverkehrsplan des Verkehrsministeriums. Posch: „Die ÖBB bemühen
sich um ein kompaktes Verkehrssystem und wollen integrative Verkehrswege
schaffen, zu denen natürlich auch die Süd- und die Westachse
gehören.“ Der Generalverkehrsplan wird bis Ende des Jahres fertig
sein, frühestens dann wird man auch Genaueres über das weitere
Schicksal der Südbahn erfahren...
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ÖBB-Streckenbauer DI Willi Steiner
(l.), Eisenbahnergewerkschafter Fritz Ploner: Pläne liegen den ÖBB
seit vier Jahren vor |
Rasche Realisierbarkeit
Die Verkürzung der Fahrzeit auf der Strecke
Wien – Villach um eine halbe Stunde würde nach Steiners Berechnungen
an die 13 Mrd Schilling kosten – etwa gleich viel wie der Semmeringtunnel.
Sie wäre aber in wesentlich kürzerer Zeit zu realisieren: Bei
einem Baubeginn im nächsten Jahr wären die meisten Verbesserungsmaßnahmen
um den geplanten Zeitpunkt der EU-Osterweiterung bereits fertig gestellt.
Entsprechend positiv wertet etwa Fritz Ploner,
Vorsitzender der Eisenbahnergewerkschaft und steirischer AK-Vizepräsident,
die Konzepte Steiners: Ploner spricht von einem „Meilensteinplan“, bei
dem der Ausbau der Strecken „aus dem Stand heraus“ möglich sei: „Semmeringtunnel
und Koralmtunnel sind wichtig, doch muss man auch die Vor- und Nachlaufstrecke
fit machen, da mit der Osterweiterung allein im Güterverkehr eine
Steigerung um 500% zu erwarten ist! Die Trasse ist ja zum Teil 150 Jahre
alt. Der laufende Betrieb würde durch einen Ausbau überhaupt
nicht beeinträchtigt, da die Streckenabschnitte einzeln ausbaubar
sind.“
Investitionen in die Südbahnstrecke könnten
schließlich auch der Bauwirtschaft aus dem jetzigen Konjukturtief
helfen: Die investierten Beträge würden sich vielfach rentieren.
Susi Haydvogel
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