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Stromliberalisierung: Wie eng
wird’s für die STEWEAG?
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Mit erstem Oktober dieses Jahres wird in Österreich
das schöne neue Stromzeitalter seinen Einzug halten. Denn ab diesem
Zeitpunkt soll es auch allen privaten StromkundInnen möglich sein,
sich ihren Stromlieferanten frei auszusuchen. |
Wenn man bedenkt, welche Entwicklungen und Veränderungen sich in
den letzten Jahren durch die Marktliberalisierung etwa im Bereich der Telekommunikation
getan haben, ist es verständlich, dass die Stimmung unter den steirischen
Stromanbietern und -versorgern äußerst nervös und angespannt
ist. Vor allem der Marktführer Steweag hat gleich mit mehreren steirischen
Energieversorgungsunternehmen hart zu verhandeln, um sie als Kunden zu
halten.
Nachdem es in den letzten beiden Jahren für Großkunden bereits
zur Deregulierung des heimischen Strommarkts gekommen ist, sind nun die
Privatkunden an der Reihe. Und das Buhlen um sie hat bereits eingesetzt.
Es ist zu erwarten, dass man bereits in naher Zukunft mit einer Flut von
Werbebotschaften diverser Stromanbieter konfrontiert sein wird oder etwa
im Elektrohandel Kombiangebote von elektrischen Geräten mit Billigstrom
verhökert bekommt.
Da wie überall das Image oft mehr Wert hat als das Produkt selbst,
werden zudem zur besseren Abgrenzung eigene „Strommarken“ kreiert, die
dem bisher gesichtslosen Strom ein unverwechselbares Image verpassen sollen.
So wurde am seit 1999 gänzlich liberalisierten deutschen Strommarkt
aus einem No-Name-Produkt plötzlich ein „gelber“ Strom „Yello“ oder
ein „blauer“ Strom „Avanza“. Die Zahl von mehreren Hunderttausend deutschen
Haushalten, die ihren Stromanbieter gewechselt haben (bei stark steigender
Tendenz) scheint solchen Marktstrategien trotz aller damit verbundenen
Irrationalität recht zu geben.
Select: Nichts für Beckenrandschwimmer
und Sauna-unten-Sitzer
Einen ersten Vorgeschmack auf derartige Marketingstrategien liefert
bereits jetzt die steirische Steweag mit ihrer Strommarke „Select“. Dabei
wird nicht nur Ivica V. als Werbeträger genutzt (übrigens auch
als Poster bestellbar!). Die steirisch-französischen Strombosse formulieren
auch ihrerseits ihr Wunschbild des idealen Select-Kunden: Sie / er
– so der O-Ton der Select-Homepage – soll ein „echter Kerl“ oder eine „starke
Frau“ sein. Unbeliebt ist hingegen einer, „der im Supermarkt wegen genauer
Rechnungsprüfung seines Kassabons die Warteschlange immer länger
werden lässt“ (=„Beckenrandschwimmer“) oder einer, „der nur Kaffee
Haag trinkt und den noch dazu mit fettfreier Milch und Süßstoff“
(= „Sauna-unten-Sitzer“). Sollten Sie zu diesen Personengruppen zählen,
dann können Sie nur noch darauf hoffen, dass irgendein anderer Stromanbieter
sich nicht nur um die coolen Jungs und Mädels, sondern auch um Sie
bemüht.
Grazer Stadtwerke: Vertrag mit Steweag gekündigt
Bis zum Stichtag 1. Oktober 2001 wird noch viel Wasser durch die Kraftwerksturbinen
fließen und viel Schweiß von nervösen Managern vergossen
werden. Denn der bisherige Quasi-Monopolist am heimischen Stromliefermarkt
sieht sich gleich von mehreren Seiten unter Druck gesetzt. Der Steweag
ist es zwar in den letzten Monaten gelungen, für ihre Strommarke einige
größere Stromversorger – die Hartberger, die Gleisdorfer
und die Grazer Stadtwerke – mittels eines Franchisevertrages an sich
zu binden, wofür diese als Gegenleistung in einen gemeinsamen Markenpool
einzahlen müssen. Doch gerade der größte Abnehmer, die
Grazer Stadtwerke, pochten jetzt auf bessere Vertagsbedingungen und vor
allem auf einen billigeren Strompreis, wie Dr. Karl Zimmermann,
Direktor der betriebswirtschaftlichen Abteilung, betont: „Es geht ganz
konkret darum, dass wir nicht weiterhin auf der Basis des alten Vertrages
unseren Strom von der Steweag beziehen wollen.“ Daher wurde der Liefervertrag
aus formaljuristischen Gründen aufgekündigt. Zimmermann: „Wir
wollen einen marktkonformen neuen Vertrag. Es kann doch nicht sein, dass
es eine hundertprozentige Marktöffnung gibt und diese an den Grazer
Stadtwerken gänzlich vorbeigeht.“ Für Dr. Martin Pöschl,
zuständig für das Select-Marketing bei der Steweag, ist diese
Vertragskündigung jedoch gar nicht möglich: „Der laufende Vertrag
sieht keine vorzeitige Kündigung vor und endet erst im Frühjahr
2002. Natürlich dient die öffentliche Bekanntgabe einer Kündigung
auch als Verhandlungsunterpfand, ein im freien Markt nicht unüblicher
Vorgang.“ Trotz dieser Auffassungsunterschiede betont Pöschl die „laufenden
sehr positiven Verhandlungen bezüglich einer Fortsetzung des derzeitigen
Select-Partnerschaftsvertrages“. Es ist zu erwarten, dass die Grazer Stadtwerke
hier sicher noch einen etwas günstigeren Preis herausholen werden.
Noch fehlen mehr als 100.000 KundInnen
Angesichts des zu erwartenden Kampfes um jeden Kunden und jeden Abnehmer
könnte sich die Steweag den Verlust der Grazer schlichtweg gar nicht
leisten. Denn man habe sich, so Pöschl, für ein langfristiges
Überleben bei der Steweag ein erstes Wachstumsziel von 400.000 bis
500.000 KundInnen gesetzt. Um dieses Ziel zu erreichen fehlen dem Unternehmen
aber immer noch mindestens 100.000 Select-Kunden. Beim derzeitigen Stand
von 300.000 sind aber die KundInnen der als Abnehmer noch unsicheren Grazer
Stadtwerke bereits eingerechnet.
Um ihren Kundenstock zu vergrößern, hat die Steweag zudem
in den letzten Monaten eine recht beeindruckende Einkaufstour quer durch
die Steiermark gestartet. So ist das Unternehmen (selbst zu 25% im Besitz
des französischen Großkonzerns Energie de France, EdF) inzwischen
an mehreren Energieversorgungsunternehmen beteiligt, etwa an den Gleisdorfer
Feistritzwerken (27%), den Pichler-Werken Weiz (74,9%) und der Hereschwerke
Energie GmbH (49%).
Die Beweggründe für die Hereinnahme der Steweag als Miteigentümer
sind bei den befragten Unternehmen beinahe ident. Ing. Rupert Portugaller,
Direktor derGleisdorfer Feistritzwerke: „Unsere Aufgabe war es, eine Kooperation
zu suchen, bei der wir die Stärken der Kleinheit erhalten und andererseits
die Ressourcenschwäche überwinden können. Dies ist uns mit
der Beteiligung der Steweag gelungen. Wir können nun in allen wettbewerbsrelevanten
Bereichen wie Marketing, Produktentwicklung, Ausbildung, Vertrags- und
Finanzierungsfragen mit der Steweag rechnen. Ohne Partner wäre ein
Unternehmen unserer Größe in einigen Jahren ein Übernahmekandidat.“
Kapfenberger Stadtwerke: Einheimische Lösung
bevorzugt
Ebenfalls auf der Suche nach einem starken Partner für die Zukunft
sind die Kapfenberger Stadtwerke. Wie Bürgermeister Manfred Wegscheider
gegenüber KORSO betont, habe es bereits Vorgespräche bezüglich
einer 25%-Beteiligung der Steweag gegeben. Wegscheider: „Ich möchte
nicht verhehlen, dass ich eine einheimische Lösung bevorzuge. Aber
es gibt noch keinen abgeschlossenen Vertrag und wir haben auch noch einige
weitere Interessenten“. Denn auch hier sind die Forderungen klar formuliert:
„Wir wünschen uns unter anderem einen sehr günstigen Strompreis
sowie einen möglichst guten Kaufpreis für die 25% Gesellschaftsanteile.“
Die nächsten Monate werden in Kapfenberg folglich recht spannend,
denn die Verhandlungen sollen noch bis zum Spätherbst abgeschlossen
sein.
Energy Services: Taktische Spielchen der Steweag?
Weniger Glück hatte die Steweag bei ihren Verhandlungen mit den
„Energy Services GesmbH“, einem Zusammenschluss von mehreren steirischen
Stadtwerken, zu welchen übrigens bis Februar 2001 auch die Kapfenberger
Stadtwerke gezählt haben. Zwar wird von Steweag-Seite betont, dass
man sich immer noch in Verhandlungen mit dem Unternehmen befinde, doch:
ES-Geschäftsführer Mag. Hans Windisch, zugleich Direktor
der Brucker Stadtwerke, hält mit seiner Meinung über die Steweag
nicht hinter dem Berg: „Obwohl wir fast ein Jahr lang konkret verhandelt
haben, war es nicht möglich, von dieser den zukünftigen Strompreis
zu erfahren. Die Steweag hat hier taktische Spielchen betrieben und sich
nicht an ein marktübliches Verhalten angepasst.“ Zum sehr emotionalen
Verhandlungsstil der Steweag zähle auch, so Windisch, dass man den
Energy Services im Falle einer Kündigung des Vertrages vorwerfe, damit
die steirische Stromwirtschaft und somit Arbeitsplätze zu gefährden.
Markenbildung: "Eine virtuelle Diskussion"
Zudem hätte die Steweag eine Übernahme der Select-Strommarke
ohne Wenn und Aber gefordert. „Wir haben uns ein Jahr lang gefragt, welche
Vorteile wir davon hätten. Im Endeffekt keinen. Im Gegenteil: Um die
Marke benützen zu dürfen, hätten wir sogar noch für
die teuren Werbekampagnen mit zahlen müssen. Ich bin skeptisch, ob
den SteirerInnen eine Strommarke wichtig ist. Denn wie vieles im Stromgeschäft
ist auch die Markenbildung eine sehr virtuelle Diskussion.“ In diese Richtung
weisen auch die Erfahrungen, die etwa mit dem neuartigen Dienstleistungs-Home-Service
für Select-Clubmitglieder bisher gemacht wurden. Portugaller von den
Hartberger Stadtwerken: „Es ist ein Lernprozess auf beiden Seiten. Die
bisher von uns im Rahmen von Select angebotenen zusätzlichen Leistungen
wurden eher zaghaft in Anspruch genommen.“
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V. l. n. r.: Dr. Martin Pöschl, Select-Marketing:
Trotz allem optimistisch, was die Verhandlungen betrifft; Dir. Hans Windisch,
GF Energy Services: „Steweag betreibt taktische Spielchen“; Dir. Rupert
Portugaller, Feistritzwerke: „Ohne starken Partner wären wir ein Übernahmekandidat“,
Bgm. Manfred Wegscheider, Kapfenberg: „Ich bevorzuge für eine Beteiligung
eine einheimische Lösung“,
Dir DI Reinhard Fink, Stadtwerke Hartberg: „Wir bieten
mit Select und Ökostrom bereits zwei Marken an“
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„Select-Partner verlieren Preiskompetenz“
Trotz all dieser Konfliktpunkte sieht Select-Marketingexperte Pöschl
die Verhandlungen zwischen Steweag und Energy Services noch nicht als gescheitert
an. Doch auch er betont, dass es zu diesen vornehmlich städtischen
EVUs ein schwierigeres Verhältnis gibt, da sie ihr Hauptgeschäft
mit dem Betreiben des Stromnetzes und nicht mit dem Verkauf von Strom machen.
Pöschl: „Aufgrund dieser Tatsache, aber auch weil eine gemeinsame
Marke eine koordinierte Marktpolitik erfordert und somit von manchen Unternehmen
als Einschränkung ihrer Freiheit empfunden wird, haben weniger langfristig
orientierte Unternehmen wenig Interesse an der Marke Select.“ Eine dieser
eingeschränkten Freiheiten benennt Windisch: „Im Endeffekt heißt
das nur, dass für ‚Select-Partner‘ die Preiskompetenz weg ist. Dann
gibt es nur mehr einen Strompreis. Und ob das die gewünschte Liberalisierung
ist, das ist die Frage.“ Bereits Mitte März 2001 will Windisch für
die Energy Services den zukünftigen Stromlieferanten der Öffentlichkeit
präsentieren. Dabei soll es sich, so Windisch, um einen Stromproduzenten
handeln, der Wasserkraft aus dem Alpenbereich nutzt und bei dem eine Atomstromproduktion
ausgeschlossen ist.
Atomstrom: Derzeit bereits etwa 7% in der Steiermark
Denn mit der Liberalisierung soll auf den Jahresstromabrechnungen auch
ausgewiesen werden, woher und aus welchen Primärenenergiequellen der
bezogene Strom stammt. Spätestens dann werden die KonsumentInnen mit
Staunen feststellen, dass bereits jetzt – wie übrigens in allen österreichischen
Bundesländern – rund 7% des von ihnen bezogenen Stroms in Atomkraftwerken
produziert wird. Gerade dieser Umstand dürfte jedoch bei der zukünftigen
Stromwahl einen nicht zu unterschätzenden Faktor bilden. Die Hartberger
Stadtwerke sind einer der wenigen Anbieter, die darauf bereits reagiert
haben. Direktor DI Reinhard Fink: „Wir bieten bereits jetzt neben
der Strommarke „Select“ mit all ihren Vorteilen auch eine zweite Strommarke
an, den ‚Ökostrom‘, auf den wir sehr stolz sind.“ Laut Fink sei bei
den KundInnen eine stark spürbare Sensibilität hinsichtlich der
Art der Stromgewinnung feststellbar. So konnten für den Ökostrom
bereits viele öffentliche Einrichtungen, aber auch kritische Selbstständige
– darunter viele Ärzte – gewonnen werden. Derzeit ist dieser Strom,
der garantiert aus erneuerbaren Energieträgern, wie Sonne, Wind, Biomasse
und Biogas erzeugt wird, aufgrund höherer Produktionskosten etwas
teurer – doch auch hier rechnet Fink in spätestens zwei Jahren
mit einer Preissenkung.
Im aktuellen k-punkt finden
Sie neben weiterführenden Links die ausführlichen Interviews
mit Dr. Martin Pöschl (Steweag), Direktor Mag. Hans Windisch (Geschäftsführer
der Energy Services), Direktor Ing. Rupert Portugaller (Feistritzwerke
Gleisdorf), Direktor DI Reinhard Fink (Stadtwerke Hartberg) sowie Bürgermeister
Manfred Wegscheider (Kapfenberg).
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