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Mit der Stoa gegen
die „produktivistische Hölle“
Im Auftrag des Arbeitsmarktservice Steiermark organisiert der Grazer
Univ.-Dozent Dr. Hans Georg Zilian „Denkwerkstätten“ zum Thema „Steuerungsebenen
der Arbeitsmarktpolitik“ – und scheut sich nicht, dieses Thema sehr grundsätzlich
anzugehen. Mit Christian Arnsperger von der Katholischen Universität
Leuwen hatte er am 29. Juni einen jungen Intellektuellen zu Gast, der eine
existenzielle Analyse des „Turbo-Kapitalismus“ unternahm und zu überraschenden
Lösungsvorschlägen gelangte.
„Wer wird in der produktivistischen Hölle die Surfer ernähren?“
war die einleitende provokante rhetorische Frage Arnspergers. Denn, so
sei zu konstatieren: Trotz zunehmender Produktivität – immer weniger
Arbeitsstunden genügen für immer rasanteres materielles Wachstum
– lässt die Macht der neoliberalen Restauration alle Bestrebungen
zur Entkoppelung von Einkommen und Erwerbsarbeit unrealisierbar erscheinen.
Die neoliberale Ideologie hält es für einen „Mangel an Tugend“,
kein Einkommen zu haben – die Betroffenen hätten einfach die Verantwortung
nicht wahrgenommen, etwas aus ihren Anlagen zu machen. Aber auch die klassische
Sozialdemokratie steht ebenso wie die Anhänger des „blairistischen“
„dritten Weges“ der Idee eines Grundeinkommens negativ gegenüber:
Erstere, so Arnsperger, wolle Ungleichheiten „im Namen der Solidarität“
aufrecht erhalten, damit die Anreize zu sozial optimaler Anlage des Kapitals
nicht verloren gehen; letztere gestehen Solidarität nur gegenüber
jenen Mitgliedern der Gesellschaft zu, die sich ihrerseits solidarisch
gegenüber der Gesellschaft verhalten und bereit sind, ihnen zugewiesene
Arbeiten zu erledigen.
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Arnsperger: Grundeinkommen plus
Beschäftigung mit Philosophie als Rezept gegen die Spaltung
der Gesellschaft? |
Der „dritte Weg“: bloß eine Variante
der neoliberalen Ideologie?
Letztere Konzeption unterzog Arnsperger einer herben Kritik: „Ich habe
das Gefühl, dass die so genannte ,soziale Nützlichkeit’
dieser angeblich ,nicht marktorientierten’ Tätigkeiten sich
darauf beschränkt, den sozial-moralischen Rahmen der Marktwirtschaft
zu pflegen“ … der herrschende Diskurs der „social inclusion“ verlangt von
den Menschen, die keine „normale“ Arbeit finden, dass sie statt dessen
steuergeldfinanziert Aktivitäten verrichten, die den Akteuren des
weltmarktorientierten Sektors ins Bild passen“. Hinter dem „dritten Weg“
verberge sich, so der studierte Volkswirt, letztendlich der Versuch, einer
bestimmten Ideologie zur Vorherrschaft zu verhelfen: „Durch moralische
Forderungen und durch die realen Möglichkeiten des Kapitals, sich
der Besteuerung zu entziehen, soll der Pluralismus der Auffassungen vom
,guten Leben’ so begrenzt werden, dass der individuelle Übergang zwischen
Markt und ,Teilnahme’“ – (der Verrichtung so genannter „nicht marktfähiger“
Tätigkeiten) – „sich in die gewinnbringende Akkumulation und die dauernde
Suche nach Profitmöglichkeiten nahtlos einfügt“. Die zunehmende
Spaltung der Gesellschaft werde damit ebenso wenig überwunden wie
durch originär neoliberale oder klassisch sozialdemokratische Konzepte.
„Arbeit an sich selbst“ statt materieller Akkumulation
Im Verhältnis zur Radikalität der Analyse erschienen letztendlich
die von Arnsperger präsentierten Lösungsvorschläge disproportional
milde – und gleichwohl angesichts der Hegemonie der neoliberalen Ideologie
kaum realisierbar: Soziale Gerechtigkeit könne nur erreicht
werden, wenn die „existenziellen Fundamente“ der Gesellschaft verschoben
würden. Unter kapitalistischen Bedingungen sei die fortwährende
Akkumulation die einzige Möglichkeit, der existenziellen Unsicherheit
zu entgehen, im Sinne Thomas Hobbes’ „den Tod hinauszuschieben“; der Besitz
von Kapital unabdingbar dafür, sich die Arbeit anderer zu diesem Zweck
anzueignen. Existenzielle Sicherheit könne aber auch durch nicht materielle
Mittel erreicht werden – durch „Arbeit an sich selbst“. Neben ein Grundeinkommen
zur Absicherung der materiellen Bedürfnisse – finanziert etwa durch
eine Tobin-Steuer auf spekulative Transaktionen – müsse daher,
so Arnsperger, die Finanzierung charakterbildender Aktivitäten (etwa
„die Lektüre von stoischen, buddhistischen, christlichen, islamischen
und anderen Texten unter der Leitung nicht-klerikaler Lehrer“) zum Zweck
der „Befreiung vom Akkumulationsdrang“ treten. Arnspergers Vision: „Mit
der Zeit würde jeder einsehen, dass Arbeit an die Suche nach existenzieller
Sicherheit für sich und die anderen gekoppelt werden sollte und dass
Besitz und Einkommen keinen authentischen Schutz gegen Leiden und Tod bieten.“ |