11 / 2001
  Zürich: 52% gegen Privatisierung der Stadtwerke

Die Debatte über den Verkauf des Energiebereiches der Grazer Stadtwerke hat Mitte Oktober einen neuen Input bekommen. Bei einer Podiumsdiskussion – veranstaltet vom „Komitee für unsere Stadtwerke – Privatisierung nein!“ und der Gewerkschaft Handel, Transport und Verkehr informierten und debattierten Dr. Wilhelm Techt (Gewerkschaft der Gemeindebediensteten), Horst Schachner (Gewerkschaft HTV), der Zürcher Gewerkschafter und Elektrizitätswerke-Mitarbeiter Christian Besmer zur Frage „Verkauf der Stadtwerke – Wer profitiert? Wer verliert?“ Im Vorfeld der Diskussion sprach KORSO-Herausgeber Christian Stenner mit Christian Besmer.
 

Christian Besmer, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes, Zürich:  „Liberalisierung bedeutet längerfristig die Ersetzung staatlicher Monopole durch private“

In Graz wurden die Stadtwerke schon 1961 aus der Gemeindeverwaltung ausgegliedert und in eine AG überführt; jetzt soll der gesamte Energiesektor überhaupt verkauft werden. In Zürich wurde kürzlich sogar die bloße Ausgliederung der Elektrizitätsversorgung aus der unmittelbaren Gemeindeverwaltung bei einem Referendum mit 52% der Stimmen abgelehnt. Wie ist es dazu gekommen?
Das hat eine längere Geschichte und hängt unter anderem damit zusammen, dass die Gasversorgung bereits 1997 ausgegliedert wurde; wir sind bei der damaligen Volksabstimmung unterlegen, aber inzwischen werden Stimmen laut, die eine Rückführung in die Gemeinde fordern, weil ein undurchsichtiges, teures Rechnungswesen eingeführt wurde und natürlich wie überall im Privatsierungsfall Personal abgebaut wurde und die Managergehälter gewaltig gestiegen sind. Aber natürlich spielt auch die Ablehnung der Ideologie eine wichtige Rolle, die hinter den Privatisierungen steckt.

In Österreich wird vor allem damit Stimmung für die Privatisierung gemacht, dass die Strommarkt-Liberalisierung Preissenkungen mit sich bringt – und ohne Privatisierung gebe es keine Liberalisierung …
Das ist bei uns weniger der Fall, weil die Preise ohnehin recht niedrig sind. Das ist wiederum darauf zurückzuführen, dass die Zürcher Elektrizitätswerke – die Stadt Zürich deckt ja ihren Strombedarf aus eigener Erzeugung – als Kommunalbetriebe unter starker demokratischer Kontrolle standen und kaum irgendwelche unsinnigen, nicht amortisierten Kraftwerksbauten am Halse haben, deren Kosten sie auf die Konsumenten überwälzen müssen.
In der Schweiz haben die Privatsierungsbefürworter eher damit argumentiert, dass die öffentlich rechtlichen Versorger zu klein seien, um am Markt bestehen zu können. Jedes Beratungsunternehmen empfiehlt dann, dass man sich „mit einem starken Partner verbinden“ müsse – Behauptungen, die ich ebenso wenig nachvollziehen kann wie jene, dass der freie Energiemarkt kommen muss wie ein Naturereignis.
Das Ergebnis der Zürcher Volksabstimmung hat übrigens wichtige Auswirkungen auf die Gesamtschweizer Energiepolitik: Das Referendum über das Energiemarkt-Gesetz – mit dem die Einführung des freien Marktes im Energiebereich abgesegnet hätte werden sollen – wurde nun auf 2002 verschoben, und viele meinen, es werde gar nicht kommen.

Mit welcher Argumentation waren die Gegner der Ausgliederung und Privatisierung bei der Zürcher Volksabstimmung erfolgreich?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass für die meisten Menschen die Begriffe Energiemarktöffnung, Markt und Liberalisierung sehr abstrakt sind. Wenn man dann aber zeigt, welche Ideologie und welche Interessen da zum Ausdruck kommen, dass die Kapitalmärkte danach gieren, sich die profitablen Bereiches des Service public [des öffentlichen Dienstes] einzuverleiben, dass die Interessen großer Konzerne dahinter stecken, dann wird das alles ein bisschen entmystifiziert und leichter verständlich. Zudem gibt es ja schon genügend Beispiele in Europa, dass Liberalisierung längerfristig nichts anderes als die Ersetzung staatlicher durch private Monopole bedeutet – mit der Konsequenz, dass die Tarife für die kleinen Energie-Bezieher, die zunächst gesenkt wurden, später wieder im Gleichklang mit den Manager-Honoraren steigen.
 


 
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WITSCHAFT UND ARBEIT