09 / 2001
 
„Viel zu hohe Preiserwartung ...“ 

KORSO sprach mit dem Österreich-Chef der KPMG, Dr. Gerd-Dieter Mirtl, die im Auftrag der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten das Gutachten der „Fünf Weisen“ geprüft hat. Die KPMG gehört zu den „Big-Six“, den mit mit Abstand größten weltweit tätigen Wirtschafts-Prüfer-Gesellschaften, mit tausenden von Mitarbeitern.
 

KPMG-Österreich-Repräsentant 
Dr. Gerd-Dieter Mirtl
 

Gibt es große Auffassungsunterschiede in der Begutachtung der UCG und der Begutachtung der KPMG?
Es bestehen keine Auffassungsunterschiede im eigentlichen Sinn, doch decken
die Ausführungen der UCG den durch die Stadt Graz erteilten Auftrag nicht
ab. Auftrag war die Beratung über die optimale Vorgangsweise bei der künftigen Disposition über die GSTW AG „unter Beachtung der aktuellen und zukünftigen Rahmenbedingungen sowie der kommunalpolitischen Bedürfnisse bzw Beschlussfassungen und der damit verbundenen ökologischen, verkehrs-, energie- und sozialpolitischen Fragestellungen“. Die Ausarbeitungen der UCG wurden jedoch im Wesentlichen nur unter dem Aspekt der Kaufpreismaximierung erstellt.
 
Welches sind die Hauptkritikpunkte am „Weisenbericht“?
Vor allem sind es die geweckten Erwartungen hinsichtlich der Höhe des Verkaufspreises für den Energiebereich und die  Einschätzung der Überlebensfähigkeit der Kommunal AG. Die Liberalisierungseffekte für die Bereiche Strom und Gas wurden in nur  einem sehr geringen Ausmaß berücksichtigt, ebenso wenig wie der Zentralverwaltungsbereich. Hinsichtlich so genannter „Optimierungsmaßnahmen“ wurde von sehr optimistischen Prämissen ausgegangen. Die Folge: Zu hohe Preiserwartungen.

Der prognostizierte Verkaufspreis über sechs Milliarden für den Energiebereich ist also nicht  realistisch?
Aus unserer Sicht erscheint der Erlös in der angegebenen Größenordnung beieinem rational agierenden Käufer unter der gegebenen Ausgangslage nicht
erzielbar.

Wäre eine Kommunal AG, bestehend aus den nicht verkaufbarenTeilen der Stadtwerke, überhaupt überlebensfähig?
Laut UCG ist die Überlebensfähigkeit der Kommunal AG erst dann gegeben, wenn sie über liquide Mittel in Höhe von vier Milliarden und die Zinsenerträge aus dem Verkaufserlös verfügt. Dann würde aber wiederum ein Großteil des Verkaufserlöses der Stadt Graz nicht zur Verfügung stehen. Weiters müsste der in die Kommunal AG eingegliederte Abwasserbereich einen jährlichen Cashflow von 60 Mio S erwirtschaften und müssten bedeutende Einsparungen im Personalbereich realisiert werden – rund 190 Personen! Inwieweit ein solcher Cashflow realisiert werden kann, entzieht sich unserer Kenntnis. Die Einsparungen im Personalbereich erscheinen unter  Berücksichtigung der Kollektivverträge und Definitivstellungen kaum realisierbar zu sein. Aus unserer Sicht sind die Annahmen zu optimistisch –  die Überlebensfähigkeit der Kommunal AG ist daher massiv in Frage zu stellen.

Wie beurteilen Sie eine Stand-alone-Variante?
Es war nicht unser Auftrag, Untersuchungen hinsichtlich einer Stand-alone-Variante anzustellen, dies hätte einer anderen Informationsbasis bedurft. Generell kann darauf hingewiesen werden, dass Stand-alone-Lösungen ohne strategische Partnerschaften durch die Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte einen Rückgang der Erträge bedingen. Im konkreten Fall wären die Möglichkeiten zur Realisierung von Einsparungsmaßnahmen zu prüfen.

Sind strategische Partnerschaften, z.B. zwecks gemeinsamen billigeren Einkaufs von Strom, nicht auch ohne Beteiligung möglich?
Strategische Partner, das heißt hier Energielieferanten, streben zumeist Beteiligungen an ihren Abnehmern an.

Kennen Sie Beispiele erfolgreicher Verkäufe von Stadtwerken?
Wir waren in zahlreiche Transaktionen mit Stadtwerken auf nationaler und internationaler Ebene eingebunden. Unsere Berufsregeln über die Verschwiegenheitspflicht verbieten uns, darüber zu sprechen.


 
SEPTEMBER-AUSGABE
WIRTSCHAFT UND ARBEIT