09 / 2001
 
Weltweit tätiges Wirtschaftsprüfungsunternehmen zerpflückt „Weisenbericht“

Wir erinnern uns: Die so genannten „fünf Weisen“, zusammengeschlossen in der Utility consulting group (UCG), rieten der Stadt Graz  in einem 15 Millionen teuren Gutachten zu einem möglichst raschen Verkauf des gesamten Energiebereiches der Grazer Stadtwerke. Die UCG prognostizierte einen Erlös von rund fünfeinhalb Milliarden; der Rest der Stadtwerke solle in einer Kommunal AG zusammengefasst werden. Nach einer Stellungnahme zum „Weisenbericht“ durch die international tätige KPMG Consulting erscheint dieser nun doch nicht so weise …

„15 Millionen und kein bisschen weise“  – so urteilt der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten, Dr. Wilhelm Techt, nach Vorliegen des KPMG- Expertengutachtens.

Techt: „Kommunal-AG würde beim Konkursrichter landen“
Die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten und die Gewerkschaft Transport, Handel und Verkehr hatten die Überprüfung des „Verkaufsgutachtens“ in Auftrag gegeben. Techt: „Die KPMG hat eindeutig in ihrem Gutachten dargestellt, dass die zugrunde liegenden Annahmen verfehlt sind, die Berechnungen unrealistisch und dass der UCG-Vorschlag kein Lösungsansatz ist. Es sollte nicht so sehr über den zu erzielenden Preis der Stadtwerke diskutiert werden, sondern über den zweiten wesentlichen Teil des Gutachtens, betreffend „die Überlebensfähigkeit der Kommunal AG“. Es wurde eindeutig festgestellt:  Die „Rest-Stadtwerke“ mit dem Wasser-, Abwasser-, Freizeitbereich sind alleine nicht lebensfähig und würden ohne massive Gebührenerhöhungen bald beim Konkursrichter landen. Wie unter diesen Prämissen die Versorgungssicherheit der BürgerInnen der Stadt Graz weiterhin gewährleistet sein soll, wird durch den „Weisenbericht“ nicht beantwortet. Und schon gar nicht, wie zukünftige Investitionen in den Verkehrs- und Freizeitbereich finanziert werden sollen.Die Politik ist gut beraten, wieder an reale und zukunftsträchtige Lösungen für die Stadtwerke AG zu denken.“
 

Dr. Wilhelm Techt, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten: „,Rest-Stadtwerke‘ wären 
allein nicht lebensfähig.“ 
 

Kirchner: „Betriebswirtschaftlicher Aspekt zu stark betont“
Für Dr. Eveline Kirchner vom überparteilichen Komitee „Für unsere Stadtwerke – Privatisierung NEIN!“ kommt auch ein Teilverkauf weiterhin nicht in Frage: „Die Stand-alone-Variante ist durchaus möglich. Strategische Partner zum gemeinsamen Stromeinkauf müssen nicht unbedingt beteiligt werden.“ 
 

Dr. Eveline Kirchner, Komitee „Für unsere Stadtwerke – Privatisierung nein“: „Die Stand-alone-Variante ist durchaus möglich.“
 

Kirchner sieht in der Diskussion auch eine zu starke Betonung des rein bestriebswirtschaftlichen Aspektes: „Uns geht es vor allem auch um die Gewährleistung der Versorgung der Menschen mit lebensnotwendigen Dingen und Dienstleistungen und die Sicherung der sozialen und Umweltstandards. Demokratiepolitisch ist ein Verkauf eine Katastrophe, denn die Kommune geht jeder Lenkungsmöglichkeit verlustig und die BürgerInnen verlieren jedes Mitspracherecht. Auch wenn bei einem Verkauf am Anfang das Geld lockt, weiß niemand, wie es dann weitergeht. Wo nur der Profit regiert, ist für die Menschen nichts Gutes zu erwarten.“ 

shv

 
SEPTEMBER-AUSGABE
WIRTSCHAFT UND ARBEIT