|
Steirische Thermen:
Besser privat plätschern?
Seit Mitte der neunziger Jahre bestehen seitens der Landesregierung
Bestrebungen, Unternehmen des Landes oder Anteile davon zu verkaufen. So
gingen etwa Anteile der Hypobank an die Raiffeisenbank und 25 Prozent der
ESTAG an den französischen staatlichen Atommulti Electricité
de France (EdF). Jetzt sollen die Landesdruckerei, die Landes-Schilifte
und die touristischen Vorzeigebetriebe – die Thermen – veräußert
werden.
|
|
„Es wird keine weiteren Privatisierungen geben: Derzeit ist es gescheiter
zu investieren als Schulden zurückzuzahlen!” hieß es noch im
Vorjahr seitens des damaligen Finanzlandesrates Joachim Ressel.
Jetzt hat sich das Blatt gewendet: Wirtschaftstreuhänder sollen die
Betriebe der Landesholding bewerten, um sie auf den Markt zu werfen – Schilifte,
Bergbahnen und Thermen. Wirtschafts- und Finanzlandesrat DI Herbert
Paierl: „Mit diesem Schritt wollen wir das bereits angekündigte
Privatisierungsprogramm professionell in die Wege leiten. Ziel ist es,
diese Betriebe einem Bewertungsverfahren zu unterziehen und sie ohne Zeitdruck
in die Privatisierung zu führen.“
Loipersdorf und Bad Radkersburg: Völlig
selbstfinanziert
Über fünf Milliarden an Steuergeldern sind in den 16 Jahren
des Bestehens der Landesholding in die steirische Tourismusinfrastruktur
geflossen. Gelder, die nicht nur den Landes-Unternehmen, sondern vor allem
der umliegenden privaten Hotellerie zugute gekommen sind. Die beiden großen
Thermen Bad Radkersburg und Loipersdorf benötigen schon lange keine
Förderungen mehr: Wolfgang Riener, Geschäftsführer
der Therme Loipersdorf, weiß seinen Betrieb im Bestzustand: „Wir
haben seit sieben Jahren keine Förderung gebraucht, es wurde kein
Gewinn entnommen, wir haben in letzter Zeit rund eine halbe Milliarde Schilling
aus Eigenmitteln investiert. Nur für unseren Kindergarten haben wir
fünf Millionen bekommen, die kamen aber aus dem Kindergartentopf.”
Sanierungsfall Gleichenberg
Nachholbedarf hat nur die Therme Gleichenberg. Bis zu Beginn
der 90-er Jahre stand sie zu hundert Prozent in Familienbesitz, dann wollte
ein Wiener Immobilienspekulant 60% der Anteile erwerben. Als dieser letztendlich
nicht einmal die Kaufsumme aufbringen konnte, übernahm die Bank für
Kärnten und Steiermark diese Anteile, die dann wiederum im Jahr 1998
vom Land übernommen werden mussten, damit die Wirtschaft der industriearmen
Region nicht noch weiter geschwächt würde. Man begann die heruntergewirtschaftete
Therme wieder herzurichten, auch eine Übernahme der restlichen teils
noch in Familienbesitz verbliebenen Anteile war im Gespräch. Verkauft
werden kann vorerst nicht: Die Therme ist noch nicht attraktiv genug. In
Kürze sollen aber 180 Millionen öS an Steuergeldern investiert
werden …
Skepsis beim Management
Die Leistungen der steirischen Landesthermen für die regionale
Wirtschaft können sich sehen lassen: Die Anzahl der Nächtigungen
in der Thermenregion hat sich in den letzten 10 Jahren nahezu versechsfacht.
1999 erhielt die steirische Thermenregion auf der europäischen Tourismusmesse
in Madrid den „Award for Tourist, Hotel and Catering Industry“, der zuvor
an attraktive Touristenorte wie Barbados, Hongkong und die Kapverdischen
Inseln verliehen worden war. Bei einer Umfrage im Vorjahr vergaben Tourismusexperten
Spitzenplätze für die steirischen Thermen unter 17 beurteilten
Thermalbädern.
Angesichts dieser Erfolge herrscht auch beim Thermen-Management Skepsis,
was die Sinnhaftigkeit einer Veräußerung betrifft.
Der Paradebetrieb Loipersdorf hätte bereits 1996 verkauft werden
sollen, doch kein Interessent wollte die entsprechende Kaufsumme auf den
Tisch legen, und auch die Auflagen des Landes bezüglich einer weiteren
Einbindung der regionalen Wirtschaft wollte niemand erfüllen. Dann
wurde weiter investiert: Erst im März dieses Jahres wurde das neue
Schaffelbad fertiggestellt, mit 8500 Quadratmetern Teil der größten
Wellness-Oase Europas. Ein Konferenzzentrum ist in Planung, ein neues Hotel
bereits fertig und der Golfplatz um neun Löcher aufgestockt. Geschäftsführer
Riener, auch Obmann des Regionalverbandes „Steirisches Thermenland”: „Die
steirischen Thermen bringen für die Volkswirtschaft jährlich
sicher an die fünf Milliarden Schilling, die in Hotels, Buschenschänken
und Geschäfte fließen. Wir wollen keine Experimente. Es müsste
jedenfalls gewährleistet sein, dass ein Investor die regionalen Interessen
im Auge behält.”
Furcht vor Rendite-Maximierung und Spekulation
Auch in Bad Radkersburg – hier ist das Land Hauptgesellschafter, die
umliegenden Gemeinden halten 26 Prozent der Anteile – steigt die Zahl der
Gäste ständig. Erst im Jahr 2000 wurde umgebaut, das Vier-Sterne-Hotel
wurde vergrößert, 150 neue Liegeplätze wurden geschaffen.
Geschäftsführer Mag. Josef Sommer sieht eine Privatisierung
mit gemischten Gefühlen: „Wir möchten auch noch in zehn Jahren
da sein und haben Angst, dass im Fall einer Privatisierung Renditemaximierung
und Spekulation das Unternehmen bestimmen könnten. Gleichenberg ist
ja ein Beispiel dafür. Man darf nicht übersehen, dass die Thermen
wichtige Impulsgeber für die regionale Wirtschaft sind und nicht wir,
sondern die Hotels die Hauptverdiener sind. Ich wünsche mir jedenfalls
eine möglichst schnelle Entscheidung. Die Ungewissheit ist lähmend,
der Thermentourismus entwickelt sich ständig, man muss weitermachen.
Ein zukünftiger Investor soll vor allem nachhaltig wirtschaften
und regionale Interessen haben.”
|
Sorge um die Zukunft der Thermenregion:
Geschäftsführer Wolfgang Riener, Loipersdorf (li) und Mag. Josef
Sommer, Bad Radkersburg |
Eine ähnliche Position bezieht auch der Geschäftsführer
des Loipersdorfer Hotels „Vier Jahreszeiten”, Dr. Horst Wagner:
„Es ist nicht so entscheidend, ob der Eigentümer privat oder das Land
ist; entscheidend ist, ob die Therme gut geführt, also nachhaltig
genutzt wird oder nur auf kurzfristige Gewinne Bedacht genommen wird.”
Bei einem eventuellen Verkauf der Therme müsse „seitens der Region
daraufgeachtet werden, dass nur solide und langfristig agierende Unternehmer
als Käufer in Frage kommen.”
Rot und Grün gegen Thermen-Privatisierung
Gesundheitslandesrat Günter Dörflinger sieht zwei wichtige
Gründe gegen eine Privatisierung: „Bei einem Verkauf von Loipersdorf
und Radkersburg könnte ein Konkurrenz-Problem entstehen, denn zur
Zeit sind die Betätigungsfelder zwischen den Landesthermen aufgeteilt:
Gleichenberg setzt auf Gesundheit, Loipersdorf auf Wellness und Radkersburg
auf Familie. Und: Niemand wird verstehen, warum man zunächst Steuergelder
in den Aufbau der Tourismusinfrastruktur pumpt und die Gewinne jetzt privatisiert
werden sollen!”
Der grüne Landtagsabgeordnete Peter Hagenauer merkt an,
dass „die Thermen ohnehin nicht von der Landesverwaltung geführt werden:
Sie wurden ja schon vor geraumer Zeit ausgegliedert und arbeiten auch nach
betriebswirtschaftlichen Prinzipien. Der Nutzen einer Therme liegt besonders
im Infrastrukturbereich. Wenn sie von einem privaten Geschäftemacher
heruntergewirtschaftet werden sollte, kommen nachher wieder alle gelaufen
und wollen vom Land eine neue Therme.”
Mag. Karl Snider, Leiter der Abteilung Volkswirtschaft der Steirischen
Arbeiterkammer, sieht bei einem Verkauf der Thermen die Möglichkeiten
einer guten Regionalpolitik in Gefahr: „Die Gestaltungsmöglichkeiten
werden geringer, das Land verliert das entsprechende Know-how.”
Landes-Thermen: Reste des Realsozialismus?
Tourismuslandesrat Dr. Gerhard Hirschmann nennt eher ideologische
denn pragmatische Gründe für einen Verkauf: „Das Land hatte nie
die Absicht einen staatlichen Tourismuskonzern zu führen. Die DDR,
Russland und auch Albanien sind Beispiele, wo man hinkommt, wenn der Staat
das tut, was Private besser können. Alle halbwegs florierenden Staaten
funktionieren nur mit 98-prozentigem Engagement von Privaten.” Der Landesrat
schlägt mit dieser Angabe selbst wirtschaftsliberale Ökonomen
um Längen, die ein Mindestengagement des Staates von 15 Prozent des
BIP für erforderlich halten. Hirschmann: „Das Land wollte mit dem
Thermenbau regionalpolitische Initiativen setzten. Die Thermen Loipersdorf
und Radkersburg stehen zwar gut da, müssen aber kein Investment verbuchen,
zahlen an das Land keine Dividenden und tragen auch nicht selbst die Kosten
der Geschäftsführer. Jetzt wird privatisiert, mit strategischen
und regionalen Partnern. Ich denke da an Banken und Versicherungen, jemanden
mit regionalem Interesse. Die Erlöse werden in neue touristische Projekte
reinvestiert, z.B. in die Erschließung neuer Thermen wie Gabelhofen
und Köflach.”
Rogner: Rückzug aus Stegersbach, Expansion
nach Albanien
Dafür, dass private Thermenbetreiber nicht unbedingt die besseren
Manager sind, gibt es neben dem bereits genannten Fall Gleichenberg ein
weiteres, aktuelles Beispiel: Der Kärntner Bau-Mogul Robert Rogner,
der die Entwicklung von Tourismusstrukturen als sein Geschäft bezeichnete
und noch vor kurzem mit dem Ausspruch zitiert wurde: „Es gibt kein Geschäft,
das ich nicht zu Ende gebracht habe”, verkaufte vor knapp einem Monat seine
Thermenanlage Stegersbach für einen symbolischen Schilling an die
landeseigene Wirtschaftsservice Burgenland AG (Wibag). Das Land war bereits
50-Prozent-Eigner der „Birdie-Therme”, die es auch zur Hälfte finanziert
hatte. Die Bankverbindlichkeiten waren seit der Errichtung durch laufende
Verluste bereits auf 150 Mio öS gestiegen. Die Familie Rogner war
nicht bereit, die zum Weiterbestand der Anlage dringend notwendigen Investitionen
zu tätigen und zieht sich jetzt aus dem 640-Millionen-Projekt als
Eigentümer sowie als Betreiber zurück. Rogner will jetzt mit
finanzieller Unterstützung durch die Weltbank auf der Krim Hotels
renovieren, in Albanien ein Feriendorf und weitere Hotels in Sarajevo,
Skopje und Siebenbürgen bauen: In den Ländern des ehemaligen
Ostblocks herrscht Bedarf an solidem touristischem Know-how.
|