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Politik gegen Spekulation: Muss
Geld die Welt regieren?
ATTAC – aus dem Französischen: Association pour une taxe tobin
d’assistance aux citoyens (Vereinigung für eine Tobin-Steuer zur Unterstützung
der Bürger) – nennt sich eine internationale Organisation, die für
die politische Kontrolle der Finanzmärkte kämpft und nun auch
in Österreich mit mehreren lokalen Gruppen auftritt. Der bekannte
Wiener Wirtschaftsforscher Dr. Stephan Schulmeister ist einer der prominenten
österreichischen Unterstützer von „ATTAC”. Für KORSO sprach
Christian Stenner mit ihm über die explosiven Entwicklungen der letzten
Jahre – und über Möglichkeiten des Gegensteuerns.
KORSO: Nur 1,5% der internationalen Finanztransaktionen dienen der
Bezahlung von Gütern oder Dienstleistungen; der Rest ist Finanzspekulation
– welche ökonomischen und sozialen Auswirkungen haben diese spekulativen
Geldflüsse?
Schulmeister: Zweierlei: Zunächst die Umverteilung von Einkommen
zwischen den Spekulanten – ein casinoartiges Nullsummenspiel. Wesentlich
gefährlicher sind aber die Auswirkungen auf das Niveau von Zinssätzen,
Rohstoffpreisen und Aktienkursen. Ein Beispiel aus dem Bereich der Devisenspekulation:
Die Dollaraufwertungen der späten neunziger Jahre hatten zur Folge,
dass die Schulden der Entwicklungsländer, die ja hauptsächlich
Dollarschulden sind, steil anstiegen – in der Folge kam es zur Schuldenkrise
von ’97 in Südostasien und ’98 in Brasilien. Zu betonen ist, dass
die Wechselkursbewegungen fast ausschließlich von der Spekulation
bestimmt sind – das Ergebnis der Aktionen von Devisenhändlern, die
eine Währungsposition im Durchschnitt gerade 10 Minuten halten.
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Wirtschaftsforscher Dr. Stephan Schulmeister: Pensionsfonds
machen Altersversorgung zum Pyramidenspiel |
KORSO: Mit der Tobin-Tax sollen, so ihr „Erfinder”, der Nobelpreisträger
James Tobin, durch einen geringfügigen Steuersatz auf internationale
Geldtransfers spekulative Transaktionen unrentabel werden, da die Profite
in diesem Bereich auf der raschen und oftmaligen Ausnützung von Kursschwankungen
beruhen; die Bezahlung realer Güter und Dienstleistungen bliebe nahezu
unberührt.
Schulmeister: Spekulation ist nicht nur ein Problem der Devisenmärkte,
sie ist vor allem auch ein Problem der Aktienmärkte: Generell hat
sich ja das Gewinnstreben der wirtschaftlichen Akteure vom Real- auf den
Finanzsektor verlegt. Die Gefahr, dass die durch den Aktienboom geschaffenen
fiktiven Vermögenswerte wieder vernichtet werden, wird immer größer:
Wir haben das ja ansatzweise kürzlich anhand des NASDAQ-Einbruches
erlebt. Ein solcher Einbruch ist deswegen immens gefährlich, da ja
vor allem in den USA und Japan die Pensionssysteme auf Pensionsfonds umgestellt
wurden, die in Aktien veranlagen – letztendlich baut die Altersversorgung
damit auf ein Pyramidenspiel .
Das heißt aber auch, dass eine Gegenstrategie sich nicht auf
eine Spekulationssteuer im Bereich der Devisenmärkte beschränken
darf; eine grundlegende Therapie kann nur darin bestehen, alle Aktivitäten,
die darauf abzielen, durch den Tausch Geld gegen Geld Vermögen zu
vermehren, ausreichend zu belasten. Das kann auf verschiedene Arten geschehen
– durch eine Besteuerung des Vermögenszuwachses, aber auch durch eine
gesetzliche Beschränkung von Spekulation vor allem im Bereich der
Future- und Optionenmärkte. Allerdings fürchte ich, dass eine
solche Änderung der Wirtschaftspolitik kaum ohne den Druck einer schweren
Krise angegangen wird.
KORSO: Das sind nicht gerade optimistische Prognosen …
Schulmeister: Es gibt eine mögliche Entwicklung, die uns den Crash
ersparen könnte: Wenn nämlich in den USA die Turbulenzen auf
den Aktienmärkten zu einem Zeitpunkt zunehmen, wo das europäische
Pensionswesen noch nicht in entscheidendem Ausmaß vom Umlageprinzip
auf Pensionsfonds umgestellt ist, und die europäische Politik gleichzeitig
aus dem negativen Beispiel Amerikas ihre Konsequenzen zieht. Ein Wechsel
im ökonomischen Regime, der letztendlich das Gewinnstreben wieder
vom Finanz- auf den realen Sektor verlegt, bedarf aber in jedem Fall politischer
Kräfte wie etwa ATTAC, die entsprechend aufklärend wirken und
das Feld dafür bereiten.
ATTAC Steiermark stellt sich am 3. April 2001 um 19.30 im Hörsaal
B der Universität Graz (Vorklinik-Trakt) mit einer Podiumsdiskussion
zum Thema „Muss Geld die Welt regieren? – ATTAC!“ vor.
Es nehmen teil: Karin Kübelböck (Proponentin von ATTAC
Österreich), Leo Gabriel (Journalist), Constanze Binder (ATTAC Graz)
und Franz Küberl (Caritas-Präsident, angefragt). Moderation:
Christian Stenner (KORSO)
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