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Makus Koza, Wien:
BEIGEWUM
Ich möchte zu Beginn kurz den BEIGEWUM vorstellen. Dieser steht
für "Beirat für gesellschafts-, wirtschafts- und umweltpolitische
Alternativen" unter besonderer Berücksichtigung der Interessen von
Frauen. Er hat sich vor 15 Jahren gegründet, ein bißchen als
Persiflage auf den damls bestehenden Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen,
der im Rahmen der Sozialpartnerschaft geschaffen worden ist. BEIGEWUM ist
eine Gruppierung von linken, alternativen und kritischen SozialwissenschaftlerInnen,
die vor allem in Wien sind, aber permanent darauf warten, in die Bundesländer
zu expandieren.Wir bringen vierteljährlich die Zeitschrift "Kurswechsel"
heraus, die sich insbesondere mit gesellschaftspolitischen, wirtschaftspolitischen
Themen auseinandersetzt. Dann bringen wir unregelmäßig Periodika
heraus, wie z.B. Mythos Nulldefizit, jetzt natürlich aktuell zur Diskussion
zu diesem Sparwahnsinn, der überall grassiert.
„Mythos Nulldefizit“
Mythos hat ja immer etwas mit Legenden und Märchen zu tun. Vor
kurzem habe ich etwas Wunderschönes im Standard gefunden. Auf der
Homepage der FPÖ werden unter der Rubrik „Kids und teens“ die Gehirne
unserer Jüngsten und Kleinsten bereits für die Sparparanoia breitgeschlagen.
Zitat: "In dem kleinen aber wunderschönen Bergland begab es sich,
dass nach einer langen, langen Zeit, in der zuerst die Rotbären alleine
und dann gemeinsam mit den Schwarzbären für die Verwaltung der
gemeinsamen Honigreserven zuständig waren, plötzlich kein Honig
mehr da war. Nachdem die kleinen Bärenfamilien den Rot- und den Schwarzbären
bei einer großen Bärenversammlung kräftig die Leviten gelesen
hatten, waren plötzlich die Blaubären gezwungen, die unvorstellbare
Menge von 1700 Liter Honigschuld irgendwie abzutragen. Seid doch so lieb
und helft den Blaubären bei dieser schwierigen und anspruchsvollen
Aufgabe, damit die kleinen Bärenfamilien beruhigt in die Zukunft schauen
können."
Nulldefizit als gesellschaftspolitisches Projekt
Kommen wir zu unserem Thema. Wie wir uns überlegt haben, dieses
Büchlein zu schreiben, haben wir uns gedacht, was für Ideen stehen
dahinter, was für Interessen, gibt es irgendwelche ökonomischen
Begründungen, dass ein Nulldefizit irgend einen Sinn macht oder machen
sollte. Wir haben erwartungsgemäß herausgefunden - eigentlich
nicht. Nulldefizit kann erreicht werden, kann auch nicht erreicht werden,
die Frage ist immer, wie sowas erreicht werden soll. Macht das, was diese
Regierung macht auch nur irgendwie ökonomisch, verteilungspolitisch,
gesellschaftspolitisch usw. Sinn? Nein. Für uns sich diese Debatte
immer stärker als das herauskristallisiert was es tatsächlich
ist, nämlich ein gesellschaftspolitisches Projekt von einer rechtsrechtsextremen
Regierung vorgetragen und gefördert, um ganz klar gewisse gesellschafts-,
sozial- und interessenspolitische Ziele zu erreichen. Wir haben einerseits
diese These des kleinen Mannes, der um jeden Preis zu vertreten ist (die
kleine Frau gibt es ja bekanntlicherweise unter Schwarz-Blau nicht mehr),
dafür gibt es dann gewisse „verteilungspolitische“ Kampfansagen. Man
redet z.B. von der Besteuerung der Stiftungen, der der Erhöhung Körperschaftssteuer
(um sie 2003 gleich wieder zu senken). Auf der anderen Seite werden bei
den sozial benachteiligtsten Gruppierungen, insbesondere bei den Arbeitslosen,
aber auch bei bei all den Projekten, die ein gesellschaftspolitisches Gegengewicht
bedeuten, ganz massiv die Sparstifte angesetzt. Wir spüren es ganz
besonders im Kulturbereich, wo Zusagen, die getätigt worden sind,
nicht eingehalten werden oder Zusagen überhaupt nicht mehr gegeben
werden. Wir spüren es auch im frauenpolitischen Bereich. Das sind
die Maßnahmen, die die Regierung setzt, und Finanzminister Grasser
sagt das auch recht deutlich in seiner Budgetrede: Es geht um einen Paradigmenwechsel.
Er sagt auch gleich, wo die Lösung der Probleme unseres Landes liegt,
nämlich in weniger staatlichen Dirigismus und mehr marktwirtschaftlichen
und privaten Initiativen, wobei nicht die NGOs gemeint sein dürften.
Paradigmenwechsel zum neoliberalen Wettbewerbsstaat
Wenn man die Diskussion um die Pensionen verfolgt, sieht man sehr schön
den Paradigmenwechsel von einem neoliberalisierten Wohlfahrtsstaat hin
zu einem neoliberalen Wettbewerbsstaat. Da ist einerseits zu erwarten,
dass die ältere Bevölkerung massiv zunimmt und die jüngere
Bevölkerung abnimmt und es dementsprechend der jüngeren Bevölkerung
nicht mehr zumutbar ist, die ältere Bevölkerung durchzufüttern.
Dass die Finanzierungsprobleme etwa über Migration abgefangen werden
können, davon ist bei Schwarz-Blau sowieso nicht die Rede. Dass solche
Bevölkerungskurven immer mit Vorsicht zu genießen sind und Pensionssysteme
regelmäßig angepaßt werden müssen, das ist vollkommen
egal. Dieses Pensionssystem wird vollkommen krankgeredet und praktisch
als nicht mehr finanzierbar dargestellt. Es findet eine extreme Entsolidarisierung
zwischen Alt und Jung statt. Die präsentierte Lösung ist, dass
die Pensionsbeiträge öffentlich nicht mehr erhöht werden
dürfen, dafür aber von den einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft
verlangt wird, dass sie eine private Pensionsvorsorge eingehen, die sozusagen
als neue Sparform angepriesen wird. Wir haben im Sparpaket diese Reduktion
der Arbeitnehmerabsetzbeträge um die Hälfte, wobei diese Hälfte
wieder gewonnen werden kann, wenn man/frau sich privat pensionsversichert.
Diese private Pensionsversicherung beläuft sich zirka zwischen 13.000
und 20.000 Schilling jährlich. Die Frage, warum jemand diesen Betrag
nicht auch ins öffentliche Pensionswesen einspeisen sollte, wird schon
nicht mehr gestellt. Die Auswirkungen von derartigen aufgeblasenen, großen,
privaten Pensionsfonds, bedeutet nichts Anderes als dass der Druck von
den gewinnorientieren Finanzmärkten direkt auf die ArbeitnehmerInnen
weitergegeben wird. Der/die ArbeitnehmerIn versichert sich privat und damit
die Pensionsvorsorge künftighin für sie noch gewährleistet
werden kann, ist er oder sie gezwungen, einerseits mehr Druck am Arbeitsplatz
hinzunehmen, dem Abbau von Sozialnormen zuzustimmen und dem Abbau von Arbeitszeitnormen
zuzustimmen.
Keine soziale Ausgewogenheit
Wir haben es mit einem Umbau des Staates zu tun, insbesondere im Bereich
der Frauen- und Familienpolitik. Das Karenzgeld für alle oder Kinderbetreuungsschecks
hat für den Arbeitsmarkt große Auswirkungen, denn in der Mehrheit
werden es Frauen sein, die dann drei lange Jahre außerhalb des Arbeitslebens
stehen. Ein dramatischer frauenpolitischer Backslash ist auch der Abbau
von 15000 Arbeitskräften im öffentlichen Dienst, in jenem Bereich,
wo Frauen annähernd gleich gute Aufstiegschancen haben und die Einkommensschere,
die im privaten Bereich teilweise 50% beträgt auf die 30% abgeschwächt
ist, was schlimm genug ist. der beabsichtigte Arbeitskraftabbau wird zu
Lasten von Frauen gehen, weil insbesondere Sozialeinrichtungen davon betroffen
sind, wo sehr viele Frauen beschäftigt werden. Von einer sozialen
Ausgewogenheit der Budgetsanierung kann ohnehin nicht die Rede sein, wenn
man sich das Projekt der Erhöhung der diversen Verbrauchssteuern im
Jahr 2000 anschaut. Insbesondere die unteren Einkommensschichten wurden
getroffen durch die Erhöhungen der Tabaksteuer, der Energiesteuer,
der KFZ-Steuer.
Es gibt kein Druck von Seiten der EU
Nulldefizit ist auch nicht verordnet. Es gibt von Seiten der EU einen
Druck hin zur Budgetsanierung, aber von Nulldefiziten ist keine Rede. Österreich
hat ein Budgetdefizit von 1,8 %, was von der EU keineswegs so beanstandet
worden ist, wie es Schwarz-Blau gerne haben würde. Schwarz-Blau hat
die Verschärfungen teilweise selbst hineinreklamiert beim Bericht
der Europäischen Kommission. Es wird überhaupt nicht in Frage
gestellt, ob die Konvergenzkriterien der EU irgendeinen Sinn machen, sondern
es werden diese noch stärker verschärft. Wenn immer wieder als
Verteilungsargument gebracht wird, dass Schulden die kommenden Generationen
belasten würden und Schulden bzw. Zinszahlungen verteilungspolitisch
ein großes Problem darstellen, dann muß man sich das in einem
ganz bestimmten Kontext anschauen. Das Problem sind weniger die Staatsschulden,
weil der Staat seine Schulden nicht zurückzahlen muß, weil er
sie permanent umschichten kann. Der immer wieder gebrachte Vergleich,
dass jede gute Hausfrau nicht mehr Geld ausgeben kann, als sie einnimmt
stimmt nicht. Denn jeder Haushalt weiß ganz genau, dass er nicht
unsterblich ist und irgendwann die Schulden zurückzahlen muß.
Der Staat hingegen ist unsterblich, hat eine Steuerhoheit und kann im Prinzip
Steuern erhöhen, in einem gewissen Rahmen, wie immer er will. Der
Staat muß Schulden nie zurückzahlen. Das Problem der Zinszahlungen
ist, dass die Realzinsen dermaßen hoch sind in der EU
.
Von den Alternativen her, es ist in den Medien immer öfter herumgegeistert,
es macht unter Anführungszeichen schon einen gewissen Sinn, innerhalb
des Budgets und innerhalb des Finanzierungssystems ein bißchen was
umzubauen und umzustellen, das ist wirklich dringend notwendig, weil aus
verteilungspolitischen Gesichtspunkten wirkt das österreichische Steuersystem
so gut wie nicht umverteilend. Es gibt im Prinzip eine progressive Steuer,
das ist die Einkommenssteuer da zählt die Lohnsteuer dazu, die meisten
anderen Abgaben sind regressiv, d.h. höhere Einkommensschichten tragen
verhältnismäßig weniger bei als niedrige Einkommensschichten
und wir haben in Österreich steuerparadiesische Zustände, nämlich
was Vermögen betrifft, was Kapital betrifft, was Gewinnsteuern betrifft,
insbesondere auch was Ökosteuern betrifft. Eine ganz elementare Forderung,
um dieseVerteilungsgerechtigkeit herbeizuführen ist einerseits eine
grundlegende Erhöhung der Vermögenssteuern, der Körperschaftssteuern,
also der Gewinnsteuern, weil Österreich, was beides betrifft, an der
unteren Skala der OECD Staaten angesiedelt ist, also von den industrialisierten
Staaten, manche Menschen behaupten sogar bösartigerweise, Österreich
ist ein Off shore Zentrum, also wo Kapital und Vermögen nicht besteuert
werden. Wir haben eine sehr hohe Besteuerung des Faktors Arbeit, wir haben
eine sehr hohe Besteuerung von Einkommen, Löhnen und sehr hohe Sozialabgaben,
die über ein gerechter verteilendes Steuersystem durchaus zu senken
wären und vor allem eine dringend angesagte Ökologisierung des
Steuersystems, das tatsächlich am Ressourcenverbrauch ansetzt und
einen wichtigen Lenkungseffekt innerhalb des Steuersystems bringen würde,
nämlich schonenderen Umgang mit Ressourcen, eine gerechtere Verteilungspolitik,
da höher Einkommensschichten in der Regel auch mehr Energie verbrauchen
als nieder Einkommensschichten, insbesondere darüber auch die Lohnsteuer
gesenkt werden könnte und es dadurch zu einem Ausgleich zwischen einem
geringen Einkommen und höheren Steuerbelastungen kommt. Und auf internationaler
Ebene fordern wir vehement die Einführung der TobinTax, also die Besteuerung
von Währungstransaktionen, die sowohl einen verteilungspolitischen
Effekt im europäischen Bereich hätten als auch im internationalen
Bereich.. D.h. es gibt Möglichkeiten eine Budgetsanierung, eine Budgetpolitik
zu betreiben, die tatsächlich den Namen einer Verteilungsgerechtigkeit
eher verdient als dies zur Zeit passiert. Wenn man natürlich wie blind
auf das Nulldefizit schaut, und wie man das Nulldefizit erreichen kann,
darüber hinaus alle anderen Maßnahmen vorgibt zu vergessen,
dann wird es natürlich etwas eng und vor allem auch unangenehm repressiv
und autoritär.
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