12 / 2000
  Makus Koza, Wien:

BEIGEWUM
Ich möchte zu Beginn kurz den BEIGEWUM vorstellen. Dieser steht für "Beirat für gesellschafts-, wirtschafts- und umweltpolitische Alternativen" unter besonderer Berücksichtigung der Interessen von Frauen. Er hat sich vor 15 Jahren gegründet, ein bißchen als Persiflage auf den damls bestehenden Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen, der im Rahmen der Sozialpartnerschaft geschaffen worden ist. BEIGEWUM ist eine Gruppierung von linken, alternativen und kritischen SozialwissenschaftlerInnen, die vor allem in Wien sind, aber permanent darauf warten, in die Bundesländer zu expandieren.Wir bringen vierteljährlich die Zeitschrift "Kurswechsel" heraus, die sich insbesondere mit gesellschaftspolitischen, wirtschaftspolitischen Themen auseinandersetzt. Dann bringen wir unregelmäßig Periodika heraus, wie z.B. Mythos Nulldefizit, jetzt natürlich aktuell zur Diskussion zu diesem Sparwahnsinn, der überall grassiert. 

„Mythos Nulldefizit“
Mythos hat ja immer etwas mit Legenden und Märchen zu tun. Vor kurzem habe ich etwas Wunderschönes im Standard gefunden. Auf der Homepage der FPÖ werden unter der Rubrik „Kids und teens“ die Gehirne unserer Jüngsten und Kleinsten bereits für die Sparparanoia breitgeschlagen. Zitat: "In dem kleinen aber wunderschönen Bergland begab es sich, dass nach einer langen, langen Zeit, in der zuerst die Rotbären alleine und dann gemeinsam mit den Schwarzbären für die Verwaltung der gemeinsamen Honigreserven zuständig waren, plötzlich kein Honig mehr da war. Nachdem die kleinen Bärenfamilien den Rot- und den Schwarzbären bei einer großen Bärenversammlung kräftig die Leviten gelesen hatten, waren plötzlich die Blaubären gezwungen, die unvorstellbare Menge von 1700 Liter Honigschuld irgendwie abzutragen. Seid doch so lieb und helft den Blaubären bei dieser schwierigen und anspruchsvollen Aufgabe, damit die kleinen Bärenfamilien beruhigt in die Zukunft schauen können."

Nulldefizit als gesellschaftspolitisches Projekt
Kommen wir zu unserem Thema. Wie wir uns überlegt haben, dieses Büchlein zu schreiben, haben wir uns gedacht, was für Ideen stehen dahinter, was für Interessen, gibt es irgendwelche ökonomischen Begründungen, dass ein Nulldefizit irgend einen Sinn macht oder machen sollte. Wir haben erwartungsgemäß herausgefunden - eigentlich nicht. Nulldefizit kann erreicht werden, kann auch nicht erreicht werden, die Frage ist immer, wie sowas erreicht werden soll. Macht das, was diese Regierung macht auch nur irgendwie ökonomisch, verteilungspolitisch, gesellschaftspolitisch usw. Sinn? Nein. Für uns sich diese Debatte immer stärker als das herauskristallisiert was es tatsächlich ist, nämlich ein gesellschaftspolitisches Projekt von einer rechtsrechtsextremen Regierung vorgetragen und gefördert, um ganz klar gewisse gesellschafts-, sozial- und interessenspolitische Ziele zu erreichen. Wir haben einerseits diese These des kleinen Mannes, der um jeden Preis zu vertreten ist (die kleine Frau gibt es ja bekanntlicherweise unter Schwarz-Blau nicht mehr), dafür gibt es dann gewisse „verteilungspolitische“ Kampfansagen. Man redet z.B. von der Besteuerung der Stiftungen, der der Erhöhung Körperschaftssteuer (um sie 2003 gleich wieder zu senken). Auf der anderen Seite werden bei den sozial benachteiligtsten Gruppierungen, insbesondere bei den Arbeitslosen, aber auch bei bei all den Projekten, die ein gesellschaftspolitisches Gegengewicht bedeuten, ganz massiv die Sparstifte angesetzt. Wir spüren es ganz besonders im Kulturbereich, wo Zusagen, die getätigt worden sind, nicht eingehalten werden oder Zusagen überhaupt nicht mehr gegeben werden. Wir spüren es auch im frauenpolitischen Bereich. Das sind die Maßnahmen, die die Regierung setzt, und Finanzminister Grasser sagt das auch recht deutlich in seiner Budgetrede: Es geht um einen Paradigmenwechsel. Er sagt auch gleich, wo die Lösung der Probleme unseres Landes liegt, nämlich in weniger staatlichen Dirigismus und mehr marktwirtschaftlichen und privaten Initiativen, wobei nicht die NGOs gemeint sein dürften. 

Paradigmenwechsel zum neoliberalen Wettbewerbsstaat 
Wenn man die Diskussion um die Pensionen verfolgt, sieht man sehr schön den Paradigmenwechsel von einem neoliberalisierten Wohlfahrtsstaat hin zu einem neoliberalen Wettbewerbsstaat. Da ist einerseits zu erwarten, dass die ältere Bevölkerung massiv zunimmt und die jüngere Bevölkerung abnimmt und es dementsprechend der jüngeren Bevölkerung nicht mehr zumutbar ist, die ältere Bevölkerung durchzufüttern. Dass die Finanzierungsprobleme etwa über Migration abgefangen werden können, davon ist bei Schwarz-Blau sowieso nicht die Rede. Dass solche Bevölkerungskurven immer mit Vorsicht zu genießen sind und Pensionssysteme regelmäßig angepaßt werden müssen, das ist vollkommen egal. Dieses Pensionssystem wird vollkommen krankgeredet und praktisch als nicht mehr finanzierbar dargestellt. Es findet eine extreme Entsolidarisierung zwischen Alt und Jung statt. Die präsentierte Lösung ist, dass die Pensionsbeiträge öffentlich nicht mehr erhöht werden dürfen, dafür aber von den einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft verlangt wird, dass sie eine private Pensionsvorsorge eingehen, die sozusagen als neue Sparform angepriesen wird. Wir haben im Sparpaket diese Reduktion der Arbeitnehmerabsetzbeträge um die Hälfte, wobei diese Hälfte wieder gewonnen werden kann, wenn man/frau sich privat pensionsversichert. Diese private Pensionsversicherung beläuft sich zirka zwischen 13.000 und 20.000 Schilling jährlich. Die Frage, warum jemand diesen Betrag nicht auch ins öffentliche Pensionswesen einspeisen sollte, wird schon nicht mehr gestellt. Die Auswirkungen von derartigen aufgeblasenen, großen, privaten Pensionsfonds, bedeutet nichts Anderes als dass der Druck von den gewinnorientieren Finanzmärkten direkt auf die ArbeitnehmerInnen weitergegeben wird. Der/die ArbeitnehmerIn versichert sich privat und damit die Pensionsvorsorge künftighin für sie noch gewährleistet werden kann, ist er oder sie gezwungen, einerseits mehr Druck am Arbeitsplatz hinzunehmen, dem Abbau von Sozialnormen zuzustimmen und dem Abbau von Arbeitszeitnormen zuzustimmen. 

Keine soziale Ausgewogenheit
Wir haben es mit einem Umbau des Staates zu tun, insbesondere im Bereich der Frauen- und Familienpolitik. Das Karenzgeld für alle oder Kinderbetreuungsschecks hat für den Arbeitsmarkt große Auswirkungen, denn in der Mehrheit werden es Frauen sein, die dann drei lange Jahre außerhalb des Arbeitslebens stehen. Ein dramatischer frauenpolitischer Backslash ist auch der Abbau von 15000 Arbeitskräften im öffentlichen Dienst, in jenem Bereich, wo Frauen annähernd gleich gute Aufstiegschancen haben und die Einkommensschere, die im privaten Bereich teilweise 50% beträgt auf die 30% abgeschwächt ist, was schlimm genug ist. der beabsichtigte Arbeitskraftabbau wird zu Lasten von Frauen gehen, weil insbesondere Sozialeinrichtungen davon betroffen sind, wo sehr viele Frauen beschäftigt werden. Von einer sozialen Ausgewogenheit der Budgetsanierung kann ohnehin nicht die Rede sein, wenn man sich das Projekt der Erhöhung der diversen Verbrauchssteuern im Jahr 2000 anschaut. Insbesondere die unteren Einkommensschichten wurden getroffen durch die Erhöhungen der Tabaksteuer, der Energiesteuer, der KFZ-Steuer.

Es gibt kein Druck von Seiten der EU 
Nulldefizit ist auch nicht verordnet. Es gibt von Seiten der EU einen Druck hin zur Budgetsanierung, aber von Nulldefiziten ist keine Rede. Österreich hat ein Budgetdefizit von 1,8 %, was von der EU keineswegs so beanstandet worden ist, wie es Schwarz-Blau gerne haben würde. Schwarz-Blau hat die Verschärfungen teilweise selbst hineinreklamiert beim Bericht der Europäischen Kommission. Es wird überhaupt nicht in Frage gestellt, ob die Konvergenzkriterien der EU irgendeinen Sinn machen, sondern es werden diese noch stärker verschärft. Wenn immer wieder als Verteilungsargument gebracht wird, dass Schulden die kommenden Generationen belasten würden und Schulden bzw. Zinszahlungen verteilungspolitisch ein großes Problem darstellen, dann muß man sich das in einem ganz bestimmten Kontext anschauen. Das Problem sind weniger die Staatsschulden, weil der Staat seine Schulden nicht zurückzahlen muß, weil er sie permanent umschichten kann.  Der immer wieder gebrachte Vergleich, dass jede gute Hausfrau nicht mehr Geld ausgeben kann, als sie einnimmt stimmt nicht. Denn jeder Haushalt weiß ganz genau, dass er nicht unsterblich ist und irgendwann die Schulden zurückzahlen muß. Der Staat hingegen ist unsterblich, hat eine Steuerhoheit und kann im Prinzip Steuern erhöhen, in einem gewissen Rahmen, wie immer er will. Der Staat muß Schulden nie zurückzahlen. Das Problem der Zinszahlungen ist, dass die Realzinsen dermaßen hoch sind in der EU
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Von den Alternativen her, es ist in den Medien immer öfter herumgegeistert, es macht unter Anführungszeichen schon einen gewissen Sinn, innerhalb des Budgets und innerhalb des Finanzierungssystems ein bißchen was umzubauen und umzustellen, das ist wirklich dringend notwendig, weil aus verteilungspolitischen Gesichtspunkten wirkt das österreichische Steuersystem so gut wie nicht umverteilend. Es gibt im Prinzip eine progressive Steuer, das ist die Einkommenssteuer da zählt die Lohnsteuer dazu, die meisten anderen Abgaben sind regressiv, d.h. höhere Einkommensschichten tragen verhältnismäßig weniger bei als niedrige Einkommensschichten und wir haben in Österreich steuerparadiesische Zustände, nämlich was Vermögen betrifft, was Kapital betrifft, was Gewinnsteuern betrifft, insbesondere auch was Ökosteuern betrifft. Eine ganz elementare Forderung, um dieseVerteilungsgerechtigkeit herbeizuführen ist einerseits eine grundlegende Erhöhung der Vermögenssteuern, der Körperschaftssteuern, also der Gewinnsteuern, weil Österreich, was beides betrifft, an der unteren Skala der OECD Staaten angesiedelt ist, also von den industrialisierten Staaten, manche Menschen behaupten sogar bösartigerweise, Österreich ist ein Off shore Zentrum, also wo Kapital und Vermögen nicht besteuert werden. Wir haben eine sehr hohe Besteuerung des Faktors Arbeit, wir haben eine sehr hohe Besteuerung von Einkommen, Löhnen und sehr hohe Sozialabgaben, die über ein gerechter verteilendes Steuersystem durchaus zu senken wären und vor allem eine dringend angesagte Ökologisierung des Steuersystems, das tatsächlich am Ressourcenverbrauch ansetzt und einen wichtigen Lenkungseffekt innerhalb des Steuersystems bringen würde, nämlich schonenderen Umgang mit Ressourcen, eine gerechtere Verteilungspolitik, da höher Einkommensschichten in der Regel auch mehr Energie verbrauchen als nieder Einkommensschichten, insbesondere darüber auch die Lohnsteuer gesenkt werden könnte und es dadurch zu einem Ausgleich zwischen einem geringen Einkommen und höheren Steuerbelastungen kommt. Und auf internationaler Ebene fordern wir vehement die Einführung der TobinTax, also die Besteuerung von Währungstransaktionen, die sowohl einen verteilungspolitischen Effekt im europäischen Bereich hätten als auch im internationalen Bereich.. D.h. es gibt Möglichkeiten eine Budgetsanierung, eine Budgetpolitik zu betreiben, die tatsächlich den Namen einer Verteilungsgerechtigkeit eher verdient als dies zur Zeit passiert. Wenn man natürlich wie blind auf das Nulldefizit schaut, und wie man das Nulldefizit erreichen kann, darüber hinaus alle anderen Maßnahmen vorgibt zu vergessen, dann wird es natürlich etwas eng und vor allem auch unangenehm repressiv und autoritär.

 

 
DEZEMBER-AUSGABE WIRTSCHAFT UND ARBEIT