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Univ.-Ass. Dr. Margareta
Kreimer, Graz:
Stärkung der konservativ-liberalen Seite
In den Bereichen Arbeitsmarktpolitik und Frauenpolitik wird in besonderem
Maße sichtbar, dass hinter dem vorgeschobenen Argument der Kürzung
sehr massive strukturelle Veränderungen stecken, die geplant sind
oder umgesetzt werden. Für beide Bereiche gilt, dass hier mit der
blau-schwarzen Koalition nicht die große 180-Grad-Wende stattfindet,
sondern dass auch die Jahre und Jahrzehnte davor schon von deutlichen Widersprüchlichkeiten
geprägt waren. Mit dem Regierungswechsel ist aber eine deutliche Stärkung
der konservativ-liberalen Seite der widersprüchlichen Entwicklung
spürbar.
Arbeitslosengeld: Umleitung von Überschüssen
Arbeitsmarktpolitik ist im Prinzip wesentlich mehr als das, was jetzt
im Budget sichtbar wird. Denn Arbeitsmarktpolitik wird in Österreich
über unser erwerbszentriertes Sozialversicherungssystem, im Wesentlichen
auch über die Arbeitslosenversicherung abgewickelt. Das, was im Budget
letztendlich sichtbar wird, sind auf jeden Fall mögliche Defizite
oder Überschüsse der Arbeitslosenversicherung. Daher geht es
bei den Kürzungen, bei dem Suchen nach Sparvolumina darum, aus der
Arbeitslosenversicherung Überschüsse ins Budget umzuleiten. Jener
Vorschlag - der so jetzt vermutlich nicht kommt - die Sperre des Arbeitslosengeldes
bei einvernehmlicher Kündigung und befristeten Verträgen ist
jedenfalls ein wirklicher Strukturbruch.
Warum ist das so problematisch? Mit der Arbeitslosenversicherung versichere
ich mich gegen das Risiko Arbeitslosigkeit und bei Arbeitslosigkeit tritt
der Versicherungsfall ein, der in der Regel durch den/die VersicherungsnehmerIn
nicht beeinflussbar ist, außer er/sie kündigt selbst, dann gibt
es ohnehin eine Sperre. Bei einvernehmlichen Lösungen kann man in
gewissem Sinne von Beeinflussbarkeit reden. Keinesfalls liegt eine Beeinflussbarkeit
bei befristeten Verträgen vor. Diese Art von Verträgen sind in
Österreich noch nicht häufig wie in anderen Staaten. Aber es
werden immer mehr und es sind überproportional Frauen betroffen. Dabei
geht es vor allem um Befristungen im Handel zur Spitzenabdeckung, um Karenzvertretungen,
und es geht natürlich um Bau- und Saisonarbeitskräfte. Und hier
bedeutet eine Sperre des Arbeitslosengeldes eine Aushebelung des Versicherungssystems.
Wenn der Damm einmal gebrochen ist, dann kann das System in jeder Hinsicht
verändert werden, sodass letztendlich eine Versicherungsleistung in
eine Sozialhilfeleistung umgewandelt wird.
Kürzungen treffen überproportional
Frauen
Frauen sind in jedem wohlfahrtsstaatlichem System überproportional
von der Gestaltung und vom Ausmaß des Wohlfahrtsstaates betroffen.
Das gilt auch für den wesentlich besser ausgestatteten skandinavischen
Wohlfahrtsstaat und für den residualen Wohlfahrtsstaat amerikanischer
und englischer Prägung. In Österreich haben wir noch immer sehr
viele Elemente des so genannten Ernährermodells, das eine eindeutige
traditionelle Rollenaufteilung der Geschlechter fördert oder jedenfalls
begünstigt. Allerdings funktioniert das System immer schlechter, sei
es weil die Ernährer ihrer Rolle nicht nachkommen, oder weil sie selbst
nicht mehr genug verdienen. Daher sind Frauen bei ungelöster Vereinbarkeitsproblematik
und bei schlechten Arbeitsmarktchancen verstärkt auf den Sozialstaat
angewiesen. Sie zahlen aber im Durchschnitt weniger ein als Männer,
da sie weniger verdienen und arbeiten. Die umverteilende Rolle des Staates
kommt in Summa also insbesondere Frauen zugute. Nicht dass dies das beste
aller Systeme wäre, es ist nur durch die vorhandene Arbeitsteilung
so angelegt. Damit betrifft jede Kürzung des Sozialstaates, jede Kürzung
von sozialen Leistungen Frauen überproportional. Für Frauen müssten
also die Alternativen hinsichtlich einer anderen Sicherung als die durch
den Sozialstaat, und ihre Möglichkeiten, über den Arbeitsmarkt
sich wie Männer selber zu sichern und in ausreichendem Ausmaß
Einkommen zu erzielen, gestärkt werden. Nach wie vor gibt es dazu
keine wirklichen Ansätze und keine wirkliche Diskussion. Das war tendenziell
leichter Ende der 90er-Jahre, als im Zuge der europäischen Beschäftigungspolitik
doch eine vorsichtige Diskussion über die Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit,
über eine Stärkung der eigenständigen Positionen, über
die Existenzsicherung der Frauen und über Pensionsmodelle geführt
wurde. Nur war Frauenpolitik auch in der großen Koalition nie eine
wirklich zielgerichtete Diskussion. Jetzt ist überhaupt nichts mehr
von solchen Konzepten und Alternativen zu sehen. Dies alles wird verstärkt
durch die Position des Sozialstaates als Arbeitgeber für Frauen, wobei
es hier nicht nur um Kürzungen und um weniger Posten geht, sondern
um die Arbeit, die nicht formell am Arbeitsmarkt gemacht wird. Es handelt
sich vor allem um soziale Dienstleistungen, die auch dann getan werden
müssen, wenn sie nicht über Erwerbsarbeit organisiert werden.
Der Bedarf ist speziell im Pflegebereich, in der Alten- und Behindertenpflege,
steigend. Wenn dies nicht als Erwerbsarbeit organisiert ist, muss die Familie
und da meistens die Frauen einspringen.
Ungerechtigkeiten bei der Familienpolitik
Ganz besonders sichtbar wird die strukturelle Komponente in der Frauenpolitik
im Überschneidungsbereich zur Familienpolitik, wie die Diskussionen
um Karenz- und Kinderbetreuungsgeld zeigen. Hier handelt es sich ähnlich
wie bei der Sperre des Arbeitslosengeldes um eine Brechung des Versicherungsprinzipes.
Folgt man den derzeitigen Vorschlägen, wird dieses massiv ausgehöhlt,
bis es letztendlich nicht mehr vorhanden ist.
Große Ungerechtigkeit herrscht hinsichtlich der Finanzierung,
denn jene, die in den Familienlastenausgleich einzahlen sind nicht dieselben,
die daraus etwas lukrieren können. Dies ist ein zentrales strukturelles
Argument für große Gruppen von Frauen, denn es bedeutet eine
massive Stärkung des traditionellen Geschlechterverhältnisses.
Auch hier muss man sagen, dass es eigentlich nichts Neues ist, dass
Frauen zwei Jahre vom Arbeitsmarkt verschwinden, wenn sie ein Kind betreuen,
dass sie lange und dauernde Unterbrechungen haben und schlecht abgesichert
sind. Das war auch unter der vorhergehenden Koalition so, aber bisher war
dies zumindest in einen arbeitsrechtlichen Rahmen eingebettet, das heißt:
versicherungsrechtlich abgesichert. Frauen konnten wieder in den Beruf
einsteigen, und das wurde gerade in den 90er-Jahren von mehr oder weniger
intensiven Wiedereinstiegsprogrammen begleitet. Ökonomisch gesehen
war das immer eine sehr ineffiziente Strategie: Zuerst qualifizieren sich
Frauen, dann steigen sie ein, dann Kinderpause, dann steigen sie aus, dann
Umschulung, Frauen requalifizieren sich, damit sie doch wieder irgendwie
einsteigen können. Aber wenigstens war diese Strategie auf den Arbeitsmarkt
hin orientiert, und als solche auch verbesserungsfähig. Es gab Vorschläge
bezüglich der Gestaltung von Karenzregelungen, damit die Unterbrechungen
weniger lang dauern.
Mit der Umwandlung dieser Leistung in eine Familienleistung wird daraus
eine völlig andere Kategorie und verliert jeglichen Arbeitsmarktbezug.
Es ist völlig klar, dass dadurch der arbeitsrechtliche Rahmen zuerst
eingeschränkt wird, bis er später seine Bedeutung ganz verliert.
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