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Univ.-Ass. Dr. Gerhard
Wohlfahrt, Graz:
Warum wirklich Nulldefizit?
Das Nulldefizit ist keine volkswirtschaftliche Notwendigkeit und keine
volkswirtschaftliche Zielgröße, sondern vor allem ein Vorwand,
um Gesellschaftspolitik zu betreiben. Mit dem Argument Nulldefizit werden
die unterschiedlichsten Reformen begünstigt, begründet oder motiviert.
Das Problem ist, dass dies nicht nur der schwarz-blauen Regierung anzulasten
ist, sondern sich bereits seit längerer Zeit entwickelt hat. Bereits
bei den letzten Sparpaketen war das Sparen um des Sparens willen ein Thema.
In den neunziger Jahren wurde die Vermögenssteuer abgeschafft und
über den Wegfall der Börsenumsatzsteuer auch schon diskutiert.
Der Paradigmenwechsel kann relativ leicht vor sich gehen, weil die Argumentationen
schon vorhanden sind. Österreich ist bei der Vermögenssteuer
ein absolutes Schlusslicht in der OECD, das ist ein Erbe einer schwarz-roten
Regierung und dies ändert sich nicht, sondern geht tendenziell noch
stärker in diese Richtung. Angenommen das Nulldefizit wäre wirklich
eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit, müsste man über einen
ausgaben- oder einnahmenseitigen Weg dahin diskutieren. Diese Diskussion
erfolgt in Österreich nicht wirklich, was die Hypothese bestätigt,
dass es ein Vorwand ist.
Soziale Treffsicherheit
1999/2000 ist mit den Stimmen der ÖVP bei der Familiensteuerreform
die Familienbeihilfe pro Kind pauschal erhöht worden. Auch die Lohnsteuerreform
und die Einkommensteuerreform waren sehr pauschale Regelungen, wo jeder
genau gleich viel bekommen hat, die Einkommensstärkeren sogar etwas
mehr. Auf Grund dieser Pauschalausgabenerhöhungen haben wir das Problem
des höheren Budgetdefizites. Jetzt mit Treffsicherheit zu kommen bei
dem, wenn man ein, zwei Jahre früher pauschal verteilt hat, ist schon
sehr fragwürdig. Es ist bedenklich, wenn man jetzt bei den Arbeitslosen
oder bei den Studierenden mit dem Argument Treffsicherheit sparen will,
wenn man vorher ein Vielfaches dieser Summe, alles zusammen ca. 32 Milliarden,
relativ einfach verteilt hat. Nun muss man bei den einzelnen Transfers
mühsam sogar im Millionenbereich herumsuchen, Milliarden bekommt man
ja kaum irgendwo zusammen.
Wie viel sind 1700 Milliarden Schilling?
Kein Mensch kann sich diese Summe vorstellen, nächstes Jahr sind
es die ebenfalls unvorstellbaren 120 Milliarden Euro; jetzt könnte
man präzisieren: ca. 200.000.- Schilling pro Kopf und Nase. Diese
Summe ist vorstellbar, bedeutet aber für einen Schüler oder einen
Studenten ungeheuer viel mehr als für jemanden, der ein paar Millionen
auf der Bank liegen hat. Problematischer noch wird es im internationalen
Vergleich: Was bedeuten 200.000.- Schilling für einen Österreicher
verglichen mit 1000 Dollar pro Amerikaner. Aussagekräftiger ist eine
Messung in Relation zu den volkswirtschaftlichen Leistungen, in Relation
zum BIP. Bei der Betrachtung der Staatsschuldenquote, der Relation zwischen
der Staatsverschuldung und dem, was eine Volkswirtschaft pro Jahr leistet,
die in den Konvergenzkriterien 60% beträgt, sieht man, dass Österreich
mit 63-64% nur knapp darüber liegt - im Gegensatz zu anderen EU-Ländern.
Auch darüber wird kaum diskutiert. Es fehlt allerdings noch eine wichtige
Größe, nach der jede Bank bei jeder Hausfrau und bei jedem Betrieb
fragt, und zwar wie viel besitzt dieser Betrieb, dieser Haushalt eigentlich.
Man müsste anfangen, den Staatsschulden den Besitz des Staates gegenüberzustellen.
Dies passiert überhaupt nicht, weil das Vermögen des Staates
in Österreich nach wie vor unbewertet ist. Wir wissen nicht, was der
Besitz des Staates wert ist, das sah man beim Verkauf der UMTS-Lizenzen,
die möglicherweise mehr wert gewesen wären. Zum Besitz des Staates
gehört die gesamte Infrastruktur. Ein Staat, der viel in Autobahnen,
Eisenbahnen, Gebäude investiert hat, der Aktiva hat, wird logischerweise
auch mehr Schulden haben, als ein Staat, der alles privat organisieren
gelassen hat. Wenn man nun einfach zur Verminderung der Schulden Staatsvermögen
verkauft, ändert sich nicht viel, nur diese Kenngrößen
werden wesentlich leichter erreicht. Daher sind Kenngrößen,
die man so leicht durch diesen Verkauf - möglicherweise sogar zu einem
schlechten Preis - verändern kann, problematisch.
Handlungsspielraum
In einem weiteren Argument wird der Schuldenabbau damit begründet,
dass man Handlungsspielraum verliert, dass die Zinszahlungen das Budget
auffressen usw. Natürlich muss man diese Relationen beachten. Aber
man muss auch darauf achten, dass dieser Handlungsspielraum durch notwendige
Zinszahlungen nicht zu weit eingeschränkt wird. Von der Argumentation
sind Zinszahlungen auch Ausdruck eines Handlungsspielraumes, der vorher
genutzt wurde. Man hat offensichtlich einen größeren Handlungsspielraum,
wenn man sich dazu bekennt, für bestimmte Ausgaben - etwa Investitionen
- bewusst Schulden zu machen und dadurch auch wieder die Volkswirtschaft
zu unterstützen, als wenn man sich auf das Nulldefizit einschwört.
Von der Idee her ist natürlich ein Staat, der sich nicht an ein selbstauferlegtes
Nulldefizit hält, wesentlich flexibler, kann wesentlich mehr unternehmen,
als ein Staat, der seinen Handlungsspielraum durch das Nulldefizit bewusst
einschränkt.
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