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Durch Nulldefizit zur Null-Konjunktur?
Beunruhigende Meldungen aus den Zentren der
Weltwirtschaft, aus den USA, Südostasien und der Europäischen
Union: Überall müssen die Konjunkturprognosen nach unten revidiert
werden. Auf den heimischen Arbeitsmärkten, die vor kurzem noch als
leer gefegt gegolten hatten, steigen die Arbeitslosenzahlen wieder. Auch
in der Steiermark macht sich der Konjunkturrückgang bereits bemerkbar.
Wirtschaftsforscher und die Opposition fordern die Preisgabe des Nulldefizit-Ziels,
das die Konjunktur zusätzlich dämpft; die Bundesregierung beharrt
auf der Erfüllung der Fleißaufgabe, die sie sich selbst und
den ÖsterreicherInnen auferlegt hat.
Als vor wenigen Tagen in den USA die Konjunkturvoraussage
für das zweite Quartal von 0,7 Prozent auf nahezu Nullwachstum revidiert
wurde, schlug der Wiener Wirtschaftsforscher Univ.-Prof. Dr. Fritz Breuss
Alarm: Das Ziel des ausgeglichenen Budgets müsse hinausgeschoben werden,
um die Konjunktur wieder in Schwung zu bringen. Wenige Tage später
wurde der Leiter des Industriewirtschaftlichen Institutes, Univ.-Prof.
Werner Clement, ebenso deutlich: Zunächst einmal durch Umschichtungen
zwischen den einzelnen Ministerien sollten einige Hundert Millionen Schilling
als Konjunkturspritze aufgebracht werden; sollte dies nicht ausreichen,
müsse das Nulldefizit aufgegeben werden.
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(von li nach re) Mag. Karl-Heinz Snobe, Arbeitsmarktservice:
„Konjunkturrückgang ist merkbar, aber der Arbeitskräftebedarf
des Autoclusters verhindert einen dramatischen Einbruch am Arbeitsmarkt.”
Dr. Hans Jaklitsch, Wirtschaftskammer: „Konjunkturprogramme sind nur auf
europäischer Ebene realisierbar.” Dr. Franz Heschl, Arbeiterkammer
Steiermark: „Jetzt muss auf allen Ebenen gegengesteuert werden – sonst
droht eine Rezession.”
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Bausektor in Schwierigkeiten – Bastion Autocluster
hält noch
In der Tat sind die ersten Auswirkungen des Wachstumsrückganges
auch in der Steiermark zu spüren: Vor allem die Baubranche, die im
Besonderen vom Rückgang öffentlicher Investitionen betroffen
ist, kämpft mit ernsten Problemen. Der Fensterhersteller Gaulhofer
musste bereits im Juli 100 Mitarbeiter entlassen, jetzt ist von weiteren
110 Freisetzungen die Rede. Ein großes Bauunternehmen überlegt,
so Mag. Karl-Heinz Snobe vom Arbeitsmarktservice Steiermark, die
Schließung seiner steirischen Niederlassung, und der steirischen
Arbeiterkammer sind weitere Unternehmen vor allem des Baunebengewerbes
bekannt, wo’s mächtig kriselt. Dr. Franz Heschl von der volkswirtschaftlichen
Abteilung der AK: „Die Chefs selbst sagen ganz offen, dass sie der Rückgang
der öffentlichen Aufträge in Schwierigkeiten bringt.” Dem entsprechend
hoch ist auch der Anstieg der Arbeitslosigkeit im Bausektor: gegenüber
dem Vergleichsmonat des Vorjahres hat die Zahl der arbeitslosen Bauarbeiter
um fast 17% zugenommen; aber auch die Gesamtzahl der vorgemerkten Arbeitslosen
ist gegenüber dem Vorjahr von 23.025 auf 24.095 und damit immerhin
um 4,6% gestiegen. Die Arbeitslosenrate hat in der Steiermark gegenüber
dem Vorjahr allerdings bloß von 5 auf 5,1% zugenommen – der Anstieg
um gerade 0,1 Prozentpunkte liegt weit unter dem Österreich-Schnitt
von 0,4 Prozentpunkten. Die Situation, so Snobe, sei zwiespältig:
„Auf der einen Seite haben wir den Autocluster, der sehr viel auffängt
und wo bis 2003 insgesamt 3000 zusätzliche Arbeitskräfte benötigt
werden; auf der anderen Seite zeigt vor allem die Zunahme der Arbeitslosigkeit
im Bereich der Hilfsarbeitskräfte um 23,5% gegenüber dem Vorjahr,
dass wir es in der Tat mit einem Konjunkturrückgang zu tun haben.”
Eine Diagnose, die von Heschl bestätigt
wird: „Vor allem die Tatsache, dass sich der Zuwachs in allen Sektoren
– bei der Sachgüterproduktion, den privaten Konsumausgaben und den
Anlageinvestitionen – gleichermaßen verlangsamt hat, stimmt bedenklich.”
Dafür sei auch die allgemeine Sparstimmung verantwortlich, die letztendlich
auch die KonsumentInnen anstecke – „aber natürlich gibt’s auch eine
Reihe ganz realer Gründe für den Konsumrückgang: Die Steuern-
und Gebührenerhöhungen, die Senkung der Notstandshilfe, die Kürzungen
bei der Wohnbeihilfe – alle diese nulldefizitbedingten Belastungen müssen
vor allem bei den Beziehern kleiner Einkommen notgedrungen zum Konsumverzicht
führen.”
„Gegensteuern auf allen Ebenen”
An der Frage, wie der beginnenden Brustschwäche
der Wirtschaft beizukommen sei, scheiden sich die Geister. Dr. Hans
Jaklitsch von der volkswirtschaftlichen Abteilung der Arbeiterkammer
verlangt für die Baubranche „keine zusätzlichen Gelder, aber
Kontinuität: Die derzeitigen Diskussionen um die Wohnbauförderung
verunsichern die potenziellen Bauherren.” Besonders wichtig sei der Bereich
der Sanierung von Altbauten, „weil darin eine der wenigen Möglichkeiten
der Förderung regionaler Wertschöpfung besteht.” Konjunkturprogramme
seien, wenn überhaupt, nur mehr auf europäischer Ebene denkbar
– etwa durch den Ausbau der transeuropäischen Infrastruktur. „Jeder
nationalstaatliche Versuch, regionale Konjunkturprogramme zu realisieren,
muss ja schon an der Notwendigkeit der EU-weiten Ausschreibung von Aufträgen
scheitern.” Das Ziel des Nulldefizits solle aufrechterhalten werden.
Arbeiterkämmerer Heschl sieht das naturgemäß
anders: „Neben den schon bisher gültigen sozialen Gründen gibt’s
jetzt auch einen konjunkturellen, gegen das Nulldefizit zu sein. Dabei
muss immer wieder betont werden, dass die Bundesregierung damit eine zusätzliche
Fleißaufgabe erfüllt, die deutlich über den Vorgaben des
EU-Stabilitätspaktes liegt: Der erlaubt ja für den Fall von Konjunkturrückgängen
eine Defizit von 3% des BIP.” Jetzt müsse „auf allen Ebenen” gegengesteuert
werden – „sonst droht eine Rezession. Die Europäische Zentralbank
muss – wie es die US-amerikanische Federal Reserve schon lange getan hat
– kräftig die Zinsen senken; die Bundesregierung muss auf das Nulldefizit
verzichten und durch die Rücknahme der Belastungen die Konjunktur
wieder beleben; und auch auf Landesebene ist Einiges möglich: etwa
durch eine Zinssenkung bei der Wohnbauförderung. Die könnte die
Landesregierung schon morgen eigenständig beschließen.”
Bartenstein: Am Nulldefizit wird festgehalten
Wie man in der Bundesregierung über diese
Warnungen denkt, machte der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft,
Dr. Martin Bartenstein, anlässlich eines Besuches in der Steiermark
gegenüber KORSO deutlich: Das Nulldefizit sei trotz Konjunkturproblemen
nach wie vor unveränderliches Ziel der Bundesregierung, betonte der
Minister, um dem noch wörtlich hinzuzufügen: „Aufgabe der Wirtschaftspolitik
kann es nicht sein, Konjunkturschwankungen auszugleichen.” Eine Haltung,
die vermutlich spätestens dann zu überdenken sein wird, wenn
durch den Rückgang des Wirtschaftswachstums oder gar durch eine Rezession
die Steuereinnahmen so weit sinken, dass schon allein aus diesem Grund
ein ausgeglichenes Budget unerreichbar wird.
Christian Stenner
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