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Bläst auch steirischen
ArbeitnehmerInnen ins Gesicht:
Der raue Wind der Globalisierung
EU-Beitritt, Ostöffnung, Globalisierung der Ökonomie: –
drei Faktoren, die den wirtschaftlichen Wettbewerb unter den Bedingungen
einer neoliberalen Politik mächtig angeheizt haben. Die Auswirkungen
des verschärften Konkurrenzkampfes auf die steirischen Industriebetriebe
– und im Besonderen auf die Situation der Beschäftigten – haben nun
zwei Experten der AK Steiermark genau untersucht.
Dr. Franz Heschl, der volkswirtschaftliche Referent der steirischen
Arbeiterkammer, und sein Co-Autor Mag. Marcel Kirisits haben acht
große in der Steiermark ansässige Unternehmen unter die Lupe
genommen – vom Papierkonzern SAPPI bis hin zum Steirischen Druckgusswerk.
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Dr. Franz Heschl: „Belegschaften sind an der an
der Grenze dessen angelangt, was ihnen zugemutet werden kann" |
Von der Expansion bis zur Betriebsstillegung
„Die Betriebe wenden völlig unterschiedliche Strategien an, um
auf den verschärften Wettbewerb zu reagieren”, konstatiert Heschl
und nennt Beispiele: „Manche Unternehmen wie die Simmering-Graz-Pauker
AG haben ihr Geschäftsfeld auf einen einzige Kernkompetenz reduziert;
wo früher ganze Zuggarnituren gefertigt wurde, rollen heute nur mehr
Drehgestelle von den Fließbändern. Anders etwa die Holzindustrie
Leitinger, die ihre Kompetenzen ausgebaut hat und in ihrem Bereich zum
Systemanbieter avanciert ist. Einen dritten Weg hat das Bildröhrenwerk
Philips Lebring eingeschlagen – hier wurde eine 15-prozentige Lohnkürzung
durchgesetzt, die Lohnkosten wurden zusätzlich durch den Einsatz von
Leiharbeitskräften gesenkt. Vom ehemals renommierten Kessel-Erzeuger
Waagner-Biró schließlich ist nach fortwährenden Auslagerungen
und Ausgliederungen, mit denen man auf sich rasch ändernde Märkte
reagieren wollte, kaum etwas übriggeblieben.”
Sind diese Strategien wirklich neu? Heschl: „Zweifellos haben Unternehmen
in der Vergangenheit immer wieder Reorganisationen ihrer Betriebsstruktur
vorgenommen; seit Mitte der Achtziger Jahre aber haben sich diese Prozesse
beschleunigt und eine neue Qualität erreicht.”
1500,- Jahresprämie für Arbeiten
trotz Krankheit
Vorweg das überraschende Ergebnis der Untersuchung: Mögen
auch die Strategien der Unternehmen unterschiedlich sein – die Auswirkungen
auf die Beschäftigten sind überall die gleichen, mussten Heschl
und Kirisits feststellen. „Der Leistungsdruck hat zugenommen – das ist
die einhellige Diagnose aller BetriebsrätInnen und Belegschaftsmitglieder,
die wir befragt haben – ganz unabhängig davon, ob’s dem Unternehmen
gut geht und es expandiert oder ob es bereits auf der Verliererstraße
dahintaumelt.” Kostensenkungs- und Rationalisierungsprogramme und permanente
organisatorische Veränderungen sind die Begleitmusik des Industrie-Alltags
der letzten 15 Jahre.
Damit einher geht die permanente Kontrolle der Produktivität.
Ein Betriebsrat: „Du wirst jetzt an deiner Maschine acht Stunden total
überwacht – wenn du auf die Toilette gehst, sieht der Meister am Bildschirm,
wie lang du weg warst.”
Dem Kostenfaktor Krankenstand begegnen die Unternehmensleitungen verstärkt
mit Zuckerbrot und Peitsche: Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes
treibt viele Beschäftigte trotz Krankheit an die Werkbank oder den
Schreibtisch. Wer das ganze Jahr über keinen Fehltag hat, hat in einigen
Betrieben Anrecht auf eine Prämie, die allerdings mit maximal 1500,—
Schilling recht bescheiden ausfällt.
Der zunehmende Druck auf die Belegschaft hat schließlich auch
Auswirkungen auf die sozialen Beziehungen der Beschäftigten untereinander.
„Solidarität ist zur Zeit aufgrund von Existenzängsten nicht
mehr so gegeben”, formuliert ein Gewerkschaftssekretär vorsichtig.
„Einmal muss Schluss sein”
Heschl sieht allerdings auch positive Auswirkungen der neuen Unternehmensstrategien:
„Das Verhalten der Vorgesetzten gegenüber ihren Untergebenen ist heute
von mehr Wertschätzung geprägt – es hat sich halt herumgesprochen,
dass Verachtung keine Produktivitätssteigerung bewirkt.” Auch die
Zahl der Arbeitsunfälle sei durch die Umsetzung EU-weiter Arbeitsschutzrichtlinien
weiter zurückgegangen, und die arbeitsmedizinische Betreuung habe
sich aus dem gleichen Grund verbessert.
Allerdings, so Heschl, sei im Lauf der Untersuchung eines klar geworden:
„Auch wenn zumeist Einsicht darüber herrscht, dass die Unternehmen
auf den verschärften Wettbewerb entsprechend reagieren müssen,
sind die Belegschaften bereits an der Grenze dessen angelangt, was ihnen
an Leistungsdruck zugemutet werden kann. Nun herrscht das Gefühl vor:
,Die Belastungen, welche die gesamtwirtschaftlichen Erfolge der letzten
Jahre ermöglicht haben, sind allein den ArbeitnehmerInnen aufgebürdet
worden – jetzt muss einmal Schluss damit sein.‘”
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