03 / 2001
 
Bläst auch steirischen ArbeitnehmerInnen ins Gesicht:
Der raue Wind der Globalisierung

EU-Beitritt, Ostöffnung, Globalisierung der Ökonomie: – drei Faktoren, die den wirtschaftlichen Wettbewerb unter den Bedingungen einer neoliberalen Politik mächtig angeheizt haben. Die Auswirkungen des verschärften Konkurrenzkampfes auf die steirischen Industriebetriebe – und im Besonderen auf die Situation der Beschäftigten – haben nun zwei Experten der AK Steiermark genau untersucht.

Dr. Franz Heschl, der volkswirtschaftliche Referent der steirischen Arbeiterkammer, und sein Co-Autor Mag. Marcel Kirisits haben acht große in der Steiermark ansässige Unternehmen unter die Lupe genommen – vom Papierkonzern SAPPI bis hin zum Steirischen Druckgusswerk.
 

Dr. Franz Heschl: „Belegschaften sind  an der an der Grenze dessen angelangt, was ihnen zugemutet werden kann"

Von der Expansion bis zur Betriebsstillegung
„Die Betriebe wenden völlig unterschiedliche Strategien an, um auf den verschärften Wettbewerb zu reagieren”, konstatiert Heschl und nennt Beispiele: „Manche Unternehmen wie die Simmering-Graz-Pauker AG haben ihr Geschäftsfeld auf einen einzige Kernkompetenz reduziert; wo früher ganze Zuggarnituren gefertigt wurde, rollen heute nur mehr Drehgestelle von den Fließbändern. Anders etwa die Holzindustrie Leitinger, die ihre Kompetenzen ausgebaut hat und in ihrem Bereich zum Systemanbieter avanciert ist. Einen dritten Weg hat das Bildröhrenwerk Philips Lebring eingeschlagen – hier wurde eine 15-prozentige Lohnkürzung durchgesetzt, die Lohnkosten wurden zusätzlich durch den Einsatz von Leiharbeitskräften gesenkt. Vom ehemals renommierten Kessel-Erzeuger Waagner-Biró schließlich ist nach fortwährenden Auslagerungen und Ausgliederungen, mit denen man auf sich rasch ändernde Märkte reagieren wollte, kaum etwas übriggeblieben.”
Sind diese Strategien wirklich neu? Heschl: „Zweifellos haben Unternehmen in der Vergangenheit immer wieder Reorganisationen ihrer Betriebsstruktur vorgenommen; seit Mitte der Achtziger Jahre aber haben sich diese Prozesse beschleunigt und eine neue Qualität erreicht.”

1500,- Jahresprämie für Arbeiten trotz Krankheit 
Vorweg das überraschende Ergebnis der Untersuchung: Mögen auch die Strategien der Unternehmen unterschiedlich sein – die Auswirkungen auf die Beschäftigten sind überall die gleichen, mussten Heschl und Kirisits feststellen. „Der Leistungsdruck hat zugenommen – das ist die einhellige Diagnose aller BetriebsrätInnen und Belegschaftsmitglieder, die wir befragt haben – ganz unabhängig davon, ob’s dem Unternehmen gut geht und es expandiert oder ob es bereits auf der Verliererstraße dahintaumelt.” Kostensenkungs- und Rationalisierungsprogramme und permanente organisatorische Veränderungen sind die Begleitmusik des Industrie-Alltags der letzten 15 Jahre.
Damit einher geht die permanente Kontrolle der Produktivität. Ein Betriebsrat: „Du wirst jetzt an deiner Maschine acht Stunden total überwacht – wenn du auf die Toilette gehst, sieht der Meister am Bildschirm, wie lang du weg warst.”
Dem Kostenfaktor Krankenstand begegnen die Unternehmensleitungen verstärkt mit Zuckerbrot und Peitsche: Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes treibt viele Beschäftigte trotz Krankheit an die Werkbank oder den Schreibtisch. Wer das ganze Jahr über keinen Fehltag hat, hat in einigen Betrieben Anrecht auf eine Prämie, die allerdings mit maximal 1500,— Schilling recht bescheiden ausfällt.
Der zunehmende Druck auf die Belegschaft hat schließlich auch Auswirkungen auf die sozialen Beziehungen der Beschäftigten untereinander. „Solidarität ist zur Zeit aufgrund von Existenzängsten nicht mehr so gegeben”, formuliert ein Gewerkschaftssekretär vorsichtig.

„Einmal muss Schluss sein”
Heschl sieht allerdings auch positive Auswirkungen der neuen Unternehmensstrategien: „Das Verhalten der Vorgesetzten gegenüber ihren Untergebenen ist heute von mehr Wertschätzung geprägt – es hat sich halt herumgesprochen, dass Verachtung keine Produktivitätssteigerung bewirkt.” Auch die Zahl der Arbeitsunfälle sei durch die Umsetzung EU-weiter Arbeitsschutzrichtlinien weiter zurückgegangen, und die arbeitsmedizinische Betreuung habe sich aus dem gleichen Grund verbessert.
Allerdings, so Heschl, sei im Lauf der Untersuchung eines klar geworden: „Auch wenn zumeist Einsicht darüber herrscht, dass die Unternehmen auf den verschärften Wettbewerb entsprechend reagieren müssen, sind die Belegschaften bereits an der Grenze dessen angelangt, was ihnen an Leistungsdruck zugemutet werden kann. Nun herrscht das Gefühl vor: ,Die Belastungen, welche die gesamtwirtschaftlichen Erfolge der letzten Jahre ermöglicht haben, sind allein den ArbeitnehmerInnen aufgebürdet worden – jetzt muss einmal Schluss damit sein.‘” 
cs
 

 

 
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