06 / 2000
  Neoliberalismus: Ideologie für die „happy few“

In Kooperation mit dem Promedia-Verlag und der Grünen Akademie lud KORSO am 16. Mai zu Vortrag und Diskussion mit dem Wiener Ökonomen Univ.-Prof. Dr. Erwin Weissel. Die gut besuchte Veranstaltung geriet zu einem Aufklärungs-Seminar über die Widersprüche der herrschenden neoliberalen Ideologie – und zu einer scharfen Kritik der Politik, welche die ohnehin fragwürdigen neoliberalen Leitsätze für den Tagesgebrauch zusätzlich simplifiziert.
Beispiele dafür hat Weissel hinreichend auf Lager: So entlarvt er das Gerede von der nachfragesteigernden Wirkung von Steuersenkungen („das behaupten ja jetzt alle – der deutsche Finanzminister, die österreichischen Grünen und Arbeiterkammer-Präsident Tumpel“) als allen ökonomischen Grunderkenntnissen widersprechend: „Wenn ein Student das bei einer Prüfung behauptet, rät ihm der Professor, ein anderes Studium zu wählen, weil er’s ohnehin nie kapieren wird.“ Denn: „In jedem VWL-Lehrbuch kann man nachlesen, dass der Staat alle Steuereinnahmen ausgibt und damit in der Tat die Nachfrage erhöht, während der Private, wenn er mehr Geld zur Verfügung hat, einen Teil davon spart. Daher wirken Steuersenkungen nicht ankurbelnd, sondern senkend auf die Nachfrage.“
Erheiternd wusste Weissel auch den Fall des ehemaligen EU-Wettbewerbskommissars Karel van Miert zu schildern, der anlässlich eines Fluges von Brüssel nach Rom feststellen musste, dass alle Linien diesen zum gleichen Preis anboten; van Miert vermutete dahinter Kartell-Absprachen. Weissel: „Wenn sich der Wettbewerbskommissar nur ein wenig mit Ökonomie beschäftigt hätte, hätte er feststellen können, dass es sich natürlich genau umgekehrt verhält: Unterschiedliche Preise sind ein Indiz für mangelnden Wettbewerb, weil ja das Unternehmen mit den höheren Preisen eigentlich sofort alle Kunden verlieren müsste.“
Immer wieder verleugnen die Apostel des Neoliberalismus allerdings ihre ehernen Grundsätze – nämlich dann, wenn’s um die eigenen Interessen geht. Weissel nennt das Beispiel der Europäischen Zentralbank. „Nachdem die EZB den Auftrag erhalten hatte, eine Inflationsrate von nur genau 2% zuzulassen, kam der Vorschlag, die Gehälter der EZB-Spitzen an die Erreichung dieses Zieles zu koppeln – ein niedriges Fixum plus eine hohe Erfolgsprämie.“ Diese Gehaltsregelung wäre natürlich im Sinne der neoliberalen Auffassungen gewesen – sie wurde aber dennoch von den Betroffenen aufs Schärfste (und erfolgreich) zurückgewiesen … Und so gelangt Weissel auch zum Schluss: „Der Neoliberalismus ist eine angenehme Ideologie für die wohlhabenden happy few, und viele andere fallen d’rauf rein, weil er ihnen Chancen verspricht, die sie in der Realität nicht haben. Oder, anders ausgedrückt: Die herschenden Ideen sind auch heute noch die Ideen der Herrschenden.“
cs
 


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