02 / 2002
  Abfangjäger: Abgeschrieben statt ausgeschrieben?
 

Am 23. Jänner sind die Angebote von drei Abfangjäger-Anbietern im Verteidigungsministerium eingetroffen: An die 1,8 Mrd Euro / 25 Milliarden Schilling sind der Bundesregierung die 24 neuen Kampfflieger wert – im Endausbau sollen es sogar 30 Milliarden Schilling für insgesamt 30 Flieger sein. Den nulldefizitgeplagten ÖsterreicherInnen soll die bittere Ausgaben-Pille mit Kompensationsgeschäften versüßt werden – für den grünen Rechnungshofausschuss-Vorsitzenden NAbg. Werner Kogler handelt es sich dabei allerdings in der Hauptsache um "Luftgeschäfte". Und: Folgt man Koglers Argumentation, dann wurde der Kauf der Flieger nicht wirklich aus-, sondern von einer Studie des favorisierten Bieters Saab abgeschrieben.

Als junger Polit-Aktivist musste der heutige steirische grüne Parlamentarier Werner Kogler Mitte der 80-er Jahre eine bittere Niederlage einstecken: Damals war er beim – letztlich erfolglosen – Kampf gegen den Kauf der Saab Draken an vorderster Front gestanden.
Diesmal rechnet sich Kogler bessere Chancen aus. Die Vorgänge um die Ausschreibung der Draken-Nachfolger seien so haarsträubend, meint er, dass das Verfahren nicht weiter in der vorgesehenen Form abgewickelt werden dürfe.
 

Grün-Abgeordneter Kogler mit Akten zur Causa "Gripen": Die Mehrzahl der Gegengeschäfte ist "fantasiereiches Wortgeklingel"

Mitgekauft: Luftkampf über Zeltweg?
200 Prozent der Kaufsumme, versprechen die schwedischen Auto- und Flugzeugbauer, sollen beim Kauf des Draken-Nachfolgers Gripen der österreichischen Volkswirtschaft in Form von "Kompensationsgeschäften" zugute kommen. Der studierte Ökonom Kogler bilanziert anders: "98 Prozent der Gegengeschäfte sind pure Luft-Geschäfte und entweder nicht realisierbar oder beim besten Willen nicht als Kompensationsgeschäfte zu bezeichnen. Die restlichen zwei Prozent stellen – sollten sie verwirklicht werden – eine Bedrohung dar." Die letztgenannten "gefährlichen Geschäfte" betreffen vor allem ein Saab-Projekt, das in der Obersteiermark für Proteststürme sorgt: Der Fliegerhorst Zeltweg soll zu einer Reparaturwerkstätte für alle in den Nachbarländern stationierten "Gripen" ausgebaut werden – und das könnten in wenigen Jahren weit über hundert sein. Darüber hinausgehende Saab-"Angebote" – etwa die Abhaltung von Feindflugübungen für die ungarische und die künftige tschechische und polnische Gripen-Flotte im grünweißen Luftraum – wies Heeresminister Herbert Scheibner bereits selbst zurück. Die wachsende Empörung in der Obersteiermark dürfte daran nicht unbeteiligt gewesen sein.

Selbstbau-Gripen und innovative Palmtops
Andere Gegengeschäfte erweisen sich in der Tat beim ersten genaueren Hinsehen als "reine Luftgeschäfte" – wie etwa die von Saab eingeräumte Möglichkeit, die Gripen aus angelieferten Teilen im Do-it-yourself-Verfahren in Österreich selbst zusammenzubasteln und zu lackieren: "Da wird so getan, als ob dies keine Kosten verursachen würde – und gleichzeitig katapultiert sich Saab damit gegenüber den anderen Anbietern in eine bessere Startposition, weil ja der Kaufpreis durch die österreichischen Eigenleistungen sinkt."
Bei den meisten von Saab in der Promotion-Studie "An Economic Benefit Study of the Gripen Industrial Cooperation package" vorgeschlagenen Kompensationsgeschäften handle es sich um "fantasiereiches Wortgeklingel", ätzt Kogler. So wird wortreich die Möglichkeit für Siemens Österreich ventiliert, die Fertigung des "P-40", eines innovativen Palmtop des südafrikanischen Unternehmens "Embedded Laboratories" (früher: Accord Technologies) zu übernehmen – mit einem Volumen von immerhin an die 50 Mio Euro. Nach einer höchst allgemeinen mehrseitigen Analyse der Marktchancen für tragbare Kleincomputer heißt es über den Wunder-Rechner dann allerdings lapidar: "Aufgrund seiner Neuartigkeit und Einzigartigkeit ist daher eine eindeutige Klassifikation innerhalb der bestehenden Segmente nicht möglich." Den Palmtop P-40 gibt bis heute nur als Prototyp, der auf der Computermesse Cebit 2001 vorgestellt wurde. Die Website des Herstellers wurde in der Zwischenzeit offenbar niedergefahren – www.elabco.com ist nicht mehr erreichbar. Und: KORSO-Recherchen haben keine wie auch immer gearteten Verbindungen von Embedded Laboratories zu Saab ergeben – die Studie selbst behauptet solche allerdings auch gar nicht. Worin das Gegengeschäft liegen soll, bleibt in diesem ebenso wie in den meisten anderen Fällen im Dunkeln.

Von der Saab-Studie über das "missing link" zur Ausschreibung
Folgt man den Argumenten Koglers, hat die im Auftrag der Schweden vom Industriewissenschaftlichen Institut (IWI) der Industriellenvereinigung erstellte "Benefit"-Studie ohnehin eine andere Funktion als die realistische Bewertung von Gegengeschäften. Misstrauisch wurde der Abgeordnete, weil alle Branchen, die laut Saab-Dokument für Gegengeschäfte in Frage kommen, in der einen oder anderen Form in der Ausschreibung des Verteidigungsministeriums auftauchen – von der "automotive supply industry", die in der Ausschreibung nahezu wortgleich mit dem wenig gebräuchlichen Anglizismus "automotiver Bereich" bezeichnet wird, bis hin zu "Aerospace – Aircraft component manufacture" (in der Ausschreibung: "Aerospace – Flugzeug-/Triebwerksbauteile und Systemkomponenten").
Sein Verdacht erhärtete sich schließlich, als ihm eine weitere IWI-Studie zugespielt wurde. Ein Jahr nach den Schweden hatte sich nämlich ein weiterer Auftraggeber bei den Wiener Industrie-Forschern eingestellt – diesmal war’s der Hausherr selbst. Die Industriellenvereinigung begehrte Auskunft über die "Volkswirtschaftlichen Effekte von Gegengeschäften". Das im Juli 2001 abgelieferte Papier ist – siehe Faksimile – über weite Strecken wortident mit der Ausschreibung, die das Bundesministerium dann an mögliche Bieter übermittelte. "Sie stellt das "missing link" zwischen der von Saab bestellten Studie und der Ausschreibung dar", ist Kogler überzeugt.
 

Gleichen einander verblüffend: Die Gegengeschäfts-Studie des IWI (unten), das kurz zuvor ein ähnliches Papier für Saab verfasst hatte, und der Text der Ausschreibung des Verteidigungsministeriums

Dass zwei prominente Vertreter der Käuferseite auch in die Organisation des Industriewissenschaftlichen Institutes eingebunden sind, trägt nicht zur Verbesserung der Optik bei: Neben Kanzler Wolfgang Schüssel ist auch Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, in dessen Ressort die Abwicklung der Gegengeschäfte fällt, als IWI-Kurator tätig. 

Christian Stenner


 
FEBRUAR-AUSGABE
WITSCHAFT UND ARBEIT