Steirische Arbeiterkammer: Gegen Ausverkauf österreichischer Infrastrukturunternehmen

Mit dem Slogan „Die Zeit ist reif, die Politik braucht neue Ideen“ hat sich der Österreichische Wirtschaftsbund auf blau-schwarz eingeschworen. Die „neuen Ideen“ bergen ein generelles Paradox: Eine Regierung, die gegenüber der Gemeinschaft und ausdrücklich „nationale Eigenständigkeit“ bis hin zum Eigensinn betont, beschließt, letzte identitätsstiftende Industrie- und Infrastrukturbereiche wie die Post / Telekom und ÖIAG am internationalen Markt zu veräußern. Die steirische Arbeiterkammer hat das Regierungsprogramm analysiert und auf das Folgeszenario dieser „Denationalisierung“ in der Steiermark und in Österreich hingewiesen.

Besorgte steirische Arbeiterkämmerer Snieder, Rotschädl: Endgültiges Absacken zum Standort für „verlängerte Werkbänke“ der global player?

AK-Steiermark-Präsident Walter Rotschädl nennt konkret die nunmehr zur Disposition stehenden ÖIAG-Anteile an der VA-Stahl und der Böhler Uddeholm, die Post & Telekom AG und die Austria Tabakwerke: Ein Absenken der Sperrminorität unter 25 % der Anteile (plus eine Aktie Überschuss) bei der VA-Stahl und weitere Börsengänge hinterlassen die (globalisierte) Beliebigkeit reiner Shareholder-Interessen. Etwaige übrig bleibende „stabile Aktionärskerne“ destabilisieren sich spätestens beim Sinken der Dividende. Die im Regierungsprogramm vorgeschlagene Vorgangsweise, über Syndikatsverträge österreichischen Einfluss zu sichern, funktioniert nur bei „wirtschaftlicher Schönwetterlage“, so die Einschätzung der Arbeiterkammer. Bei Fusionierungen lassen sich Vorgangsweise und Absicht der Rechtsnachfolger der Partner in solchen Verträgen meist nicht vorhersagen. Es kommt erst recht zu einem Totalverlust der Möglichkeit des Wahrnehmens nationaler Eigentümerinteressen.
Der Kritik am Gesetz zur Neustrukturierung der ÖIAG haben sich inzwischen eine Reihe von Personen nahezu aller politischen Lager angeschlossen, selbst Böhler-Uddeholm-Chef Claus Raidl ist mit dem Text, den er selbst mitverhandelt hat, nicht mehr zufrieden und befürchtet „zu großen Einfluß des Finanzministers auf die Aufsichtsräte.“ Bundesarbeiterkammer-Chef Herbert Tumpel weist darauf hin, dass kein anderes europäisches Land so wichtige Infrastrukturunternehmen wie etwa Telekom und Post veräußert.

AK: Bekenntnis zu „strategischem Eigentum“ an industrieller Kerninfrastruktur muss Vorrang vor überhasteter Schuldentilgungspolitik haben

Droht der gesamten österreichischen Industrie ein Semperit-Schicksal?
Arbeitnehmerinteressen wahrnehmende, sanft steuernde Eingriffe sind nach einer Veräußerung im vorgeschlagenen Stil und Ausmaß praktisch nicht mehr möglich – im Gegenteil: Durch Aufgabe und Verkauf von in der Steiermark angesiedelten, strategischen Unternehmen würden – nach bekanntem Muster – alle wichtigen Funktionen in ferne Konzernzentralen abwandern. Paradebeispiel für diese Entwicklung stellt das Schicksal der Semperit AG dar, deren österreichische Produktionsstätten nach Übernahme durch Continental trotz beachtlicher Gewinne permanent mit dem „Zusperren“ bedroht werden.
Die „staatlichen“ Verkaufsankündigungen locken internationale Spekulanten. Staatlich verordneter Verkauf senkt mit Sicherheit den erzielbaren Preis. Nach Einschätzung der steirischen AK gefährdet diese Strategie allein etwa 8000 Arbeitsplätze im Bereich der Post in der Steiermark!
Besonders bedauerlich ist in diesem Zusammenhang, dass der Buchwert der Töchter VA-Stahl und Böhler-Uddeholm gegenwärtig etwa ein Fünftel über dem Kurswert liegt. Dadurch stellen diese Konzernteile für „internationale Riesen“ besondere Spekulationsobjekte und Okkasionen dar, betont AK-Wirtschaftsexperte Mag. Karl Snieder.

Die Hauptforderungen der Arbeiterkammer lauten:
  • Wahrnehmen von „Kernaktionärspositionen“ durch die Republik,
  • Behalten von „strategischem Eigentum“ muss Vorrang vor überhasteter Schuldentilgungspolitik haben,
  • wichtige Infrastruktur, wie z.B. das Netz der Post, muss in nationalem Besitz verbleiben, die Entwicklung einer Volkswirtschaft hängt wesentlich vom der nationalen Verfügbarkeit dieser Kerninfrastruktureinrichtungen ab.
 


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