05 / 2000
  AK-Wahl 2000: Im Zeichen des Widerstands gegen „Austro-Thatcherismus“?

Wenn vom 21. bis 30. Mai die steirischen ArbeitnehmerInnen zu den Urnen gerufen sind, um über die Zusammensetzung der künftigen Arbeiterkammer-Vollversammlung zu entscheiden, dann steht dieser Wahlgang diesmal unter besonderen Vorzeichen: Von den Spar- und Umstrukturierungsmaßnahmen der neuen Bundesregierung sind sowohl die AK-Mitglieder als auch die Kammern selbst in besonders hohem Maß betroffen, und die sozialdemokratische Mehrheitsfraktion der steirischen AK geht erstmals als Organisation einer Oppositionspartei ins Rennen.

Als Körperschaften öffentlichen Rechts unterliegen alle Kammern ministerieller Aufsicht; die ZustÄndigkeit für die Arbeiterkammer ist im Zuge der Neuaufteilung der Ressorts vom Sozial- ins Wirtschaftsministerium gewandert. Eine Kompetenzzuweisung, die nicht nur KammerfunktionÄrInnen sauer aufstößt: Das sei zuletzt im austrofaschistischen StÄndestaat so gewesen, als man davon ausging, dass die Interessen der ArbeitnehmerInnen identisch mit jenen der Wirtschaftstreibenden sein müssten. Ebenso kritisiert wird das Ansinnen, 40% der Kammerumlage für eine Sanierung des Defizits der Krankenkassen abzuzweigen: Die Wirtschaftskammer, erregt sich ein Mitarbeiter der steirischen Arbeiterkammer, verfüge über ein wesentlich höheres Budget – und niemand würde auf die ebenso absurde Idee verfallen, die hohen Defizite bei den SelbststÄndigenpensionen nicht durch Bundeszuschüsse, sondern via Umleitung der WK-BeitrÄge zu sanieren.

Contra „Sozialabbau-Regierung“
Für Kammer-PrÄsident Walter RotschÄdl, der als Spitzenkandidat der Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter in die Wahl geht, ist eine Aufrechterhaltung des Beratungs- und Service-Angebotes der Kammer bei Kürzung der finanziellen Mittel undenkbar: „Im vergangenen Jahr haben wir 70.000 persönliche Auskünfte erteilt, die Zahl der telefonischen Auskünfte war noch um einiges höher. Und: 1999 haben wir für unsere Mitglieder nahezu 400 Mio Schilling aus arbeitsrechtlichen und Insolvenzforderungen erstritten.“ Dazu kommen über 25.000 Auskünfte und Beratungen im Bereich des Konsumentenschutzes, die BildungsaktivitÄten der AK – Volkshochschule und Otto-Möbes-Akademie –, der Betrieb der AK-Bibliothek und die TÄtigkeit von AK-MitarbeiterInnen in ca. 100 Kommissionen und BeirÄten. RotschÄdl kündigt Widerstand gegen den „Austro-Thatcherismus“ der neuen Bundesregierung an: „Wenn diese Regierung über ArbeiterInnen, Angestellte und ihre Vertretung drüberfahren will, werden wir uns sicher nicht auf eine reine Rechtsschutzversicherung für ArbeitnehmerInnen reduzieren lassen. Eine starke FSG in einer starken Arbeiterkammer ist der beste Garant dafür, dass der Schaden durch diese Sozialabbau-Regierung für die ArbeitnehmerInnen so gering wie möglich gehalten wird.“
AK-PrÄsident Walter RotschÄdl, FSG (l.): Lassen uns nicht auf Rechtsschutzversicherung für ArbeitnehmerInnen reduzieren; Franz Gosch, AAB/FCG(r.): Für ein Abfertigungsmodell, das dem flexibler werdenden Arbeitsmarkt Rechnung trÄgt

Für „Abfertigung neu“
Mit welchen Zielsetzungen gehen die regierungsnahen Fraktionen in die Wahl? Für die FCG (Fraktion christlicher Gewerkschafter) stehen an erster Stelle die strikte Beibehaltung des arbeitsfreien Sonntags und die Einführung eines neuen Systems der Mitarbeiterabfertigung nach Kündigungen. Der steirische ÖAAB-Spitzenkandidat Franz Gosch prÄsentiert ein Modell, wonach anstelle der bisherigen innerbetrieblichen Rückstellungsbildung von den Unternehmen laufend AbfertigungsbeitrÄge einzuzahlen sind. Das Abfertigungskonto „begleitet“ die Arbeitnehmer wÄhrend ihrer gesamten aktiven Zeit, der Anspruch besteht unabhÄngig von Dauer und der Art der Beendigung des ArbeitsverhÄltnisses, die Berechnung erfolgt nach versicherungsmathematischen GrundsÄtzen. Die „Abfertigung neu“ soll, je nach Wunsch der ArbeitnehmerInnen, entweder nach jedem (einvernehmlichen) Beenden eines DienstverhÄltnisses, am Ende der aktiven Zeit als Einmalzahlung oder auch als Rentenfortzahlung genossen werden. Darüber hinaus setzt sich die steirische FCG verstÄrkt für jene ArbeitnehmerInnen ein, die im Zuge ihrer Berufsausübung zum Pendeln zwischen Wohnort und ArbeitsstÄtte gezwungen sind.
Mag. Harald Korschelt, Listenerster der Freiheitlichen ArbeitnehmerInnen, ist nicht ganz glücklich mit der von seiner Partei geforderten Verringerung der AK-BeitrÄge: „20% Reduktion sind o.k., 40% würden zu Leistungsverschlechterungen führen.“ Wahlziel Nummer 1 der FA: „Die steirische AK darf keine Filiale der SPÖ bleiben.“ Auch die Freiheitlichen treten für eine Abfertigung ein, die bei Selbstkündigung wirksam wird.

Mag. Harald Korschelt, FA (l.): Steirische AK darf keine Filiale der SPÖ bleiben Ilse Löwe-Vogl, AUGE (M.): Umverteilung muss wieder zum Thema werden Peter Scherz, GLB (r.): Wir sind die Stimme aus den Betrieben

Für Umverteilung und Kammerreform
Für Ilse Löwe-Vogl, Listenführerin der AUGE/UG (Alternative und Grüne GewerkschafterInnen / UnabhÄngige) geht es bei dieser Wahl „mehr denn je darum, die Umverteilung wieder zum Thema zu machen: Die ProduktivitÄt ist in den letzten Jahren um 4,5% jÄhrlich gestiegen, und gleichzeitig sinkt der Anteil der Löhne am Volkseinkommen – da muss endlich gegengesteuert werden.“ Die von den Grünen GewerkschafterInnen vorgeschlagenen Maßnahmen reichen vom Eintreiben der Steuerschulden der Unternehmen (immerhin 33 Mrd. Schilling) über die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe, die Aufhebung der Höchstbemessungsgrundlage bei der Sozialversicherung bis hin zu einer Mindestabsicherung beim Arbeitslosengeld. „Aber auch die Kammer muss sich reformieren“, fordert Löwe-Vogl: „Kein KammerfunktionÄr darf mehr als 60.000,-- brutto verdienen, und bei den AK-Wahlen müssen alle ArbeitnehmerInnen unabhÄngig von ihrer Staatsbürgerschaft wÄhlbar sein.“ Eine Kürzung der Mittel für die AK lehnt sie aber vehement ab: „Die Absicht, die dahinter steht, ist klar: Auf der einen Seite zieht die Regierung Sozialabbau-Maßnahmen durch, auf der anderen will sie die ArbeitnehmerInnenvertretungen mundtot machen, um den Widerstand gegen ihre Politik auszuschalten.“
Für den GLB (Gewerkschaftlichen Linksblock) schließlich geht’s bei der AK-Wahl 2000 nach sechs Jahren Zwangspause um den Wiedereinzug in die AK-Vollversammlung. Spitzenkandidat Peter Scherz ist zuversichtlich: „Wir sind die oppositionelle Stimme aus den Betrieben, unser entschiedenes Auftreten gegen die Umverteilung von unten nach oben wird honoriert werden.“
 


WIRTSCHAFT UND ARBEIT