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Pensionsreform:
Notwendigkeit oder Budgetschmäh
Gerade erst ist die letzte Pensionsreform von 1997 mit Anfang Jänner
in Kraft getreten, schon widmet sich auch die neue Bundesregierung dem
Thema Einsparungen im Pensionsbereich. Kommen heute auf einen Pensionisten
1,6 Erwerbstätige, welche dessen Pension mitfinanzieren, so wird dieses
Verhältnis im Jahre 2030 nur mehr 1:1 betragen. Aufgrund dieses demographischen
Wandels der nächsten Jahrzehnte, so die Kritiker des derzeitigen staatlichen
Pensionssystems, sei dieses in Zukunft nicht mehr finanzierbar. Falsch,
entgegnen andere Experten: Die Finanzierung des Pensionssystems hänge
vor allem von der Produktivität der Wirtschaft ab – und diese steigt
unablässig.
Das österreichische Pensionssystem – ein
Reförmchen nach dem anderen
Die Mitte Februar durch die neue Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission
zur Reformierung der Pensionen hat keinen leichten Stand. Die beiden letzten
Pensionsreformen von 1996 und 1997 wurden unter dem politischen Druck einer
notwendigen Budgetentlastung jeweils innerhalb weniger Monate aus dem Boden
gestampft – mit dementsprechend dürftigen Ergebnissen. Auch diesmal
geht es eher um eine Entlastung des Budgets im Ausmaß von 15 Milliarden
Schilling als um eine ernst gemeinte und tief gehende Reform des österreichischen
Pensionssystems. Eine solche würde, wie auch Sozialexperte Mag.
Karl Wörister von der Wiener Arbeiterkammer betont, mehr Zeit
als nur einige Wochen benötigen. „Beispiele für gründliche
Reformprozesse sind etwa Schweden, das sich für die letzte Pensionsreform
10 Jahre Zeit genommen hat, oder die Schweiz mit sogar 14 Jahren.“
Frühpensionisten – die „Pülcher“
der Nation?
Die derzeitige Diskussion dreht sich hauptsächlich um die verschiedenen
Gruppen der FrühpensionistInnen. Bereits ab 1. Oktober 2000 soll das
Zugangsalter zur Frühpension vierteljährlich um jeweils 2 Monate
angehoben werden. Bis zum Oktober 2002 soll dann das gewünschte Frühpensionsantrittsalter
von
56,5 Jahren bei Frauen und 61,5 Jahren bei Männern erreicht werden.
Allerdings müssen die Betroffenen zusätzlich mindestens 35 Jahre
lang Pensionsbeitragszahlungen geleistet haben. Gleichzeitig soll auch
das Antrittsalter zur vorzeitigen „Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit“
von derzeit 55 Jahren bei Frauen und 57 Jahren bei Männern um jeweils
18 Monate steigen.
Kritik an diesen Vorschlägen kommt nicht nur von Seiten der Arbeiterkammer
und des ÖGB. „Es ist ja nicht so, dass ArbeitnehmerInnen ab 55 plötzlich
faul werden“, so der steirische ÖGB-Landessekretär Werner
Albler. „Es gibt auch in Graz, quer durch alle Branchen, Firmen, die
ihre ArbeitnehmerInnen mit 56 verabschieden.“ Umgekehrt sei es für
ArbeitnehmerInnen auch bei nachgewiesener verminderter Arbeitsfähigkeit
sehr schwer, mit ihrem Ansuchen auf Frühpensionierung durchzukommen.
Bis zu 20.000 Arbeitslosen mehr
Kritiker der Pensionsreformpläne verweisen darauf, dass die geplanten
Vorhaben lediglich zu einer Verlagerung der Probleme führen würden.
Zwar würde die Pensionsstatistik geschönt, dafür würden
die Kosten der Arbeitslosenversicherung durch vermehrte Arbeitslosigkeit
und die Kosten der Krankenkassen durch verlängerte Krankenstände
steigen. Laut Wörister kam es bereits in Folge der Pensionsreform
von 1996 zu einer Zunahme der Arbeitslosenquote bei der Gruppe der 55-
bis 59-Jährigen um mehr als drei Prozent. „Nach unseren Schätzungen
ist durch die geplante neuerliche Anhebung der Altersgrenzen mit zusätzlich
15.000 bis 20.000 Arbeitslosen zu rechnen.“
Auch beim steirischen Arbeitsmarktservice bemerkt man seit 1998 einen
Quantensprung im Anstieg der Arbeitslosigkeit bei älteren ArbeitnehmerInnen.
Das Durchschnittsalter jener, die mehr als ein Jahr arbeitslos waren, lag
1999 bei über 44 Jahren. Besonders krass stellt sich in der Steiermark
die Situation für Männer dar. Von jenen, die 1999 mehr als ein
Jahr arbeitslos gemeldet waren, zählten 60% zur Altersgruppe der über
50-Jährigen.
Laut Dr. Helfried Faschingbauer, dem stellvertretenden Landesgeschäftsführer
des AMS Steiermark werdem "neben der Metallindustrie vor allem auch in
der Papierindustrie die Älteren die Opfer der Personalreduktionen.
Aber auch im Bereich der Banken und Versicherungen, die dem geschützten
Bereich der Wirtschaft zuzurechnen sind, sind es die Älteren, die
bei Restrukturierungsmaßnahmen am ehesten gefährdet sind."
Für Albler sind die Themen Pension und Beschäftigung untrennbar
miteinander verbunden, daher müsse seiner Ansicht nach „die Wirtschaft
danach trachten, dass ältere ArbeitnehmerInnen bis 60 arbeiten können.
Die geplante Pensionsreform belastet nur die ArbeitnehmerInnen.“ Für
Mag.
Christopher Drexler, den ÖAAB-Fraktionsvorsitzenden in der steirischen
Arbeiterkammer, ist hingegen „die grundsätzliche Problematik bei der
Pensionsreform, dass es so etwas wie einen gewerkschaftlichen Funktionärsreflex
dagegen gibt.“ Für ihn ist „die Frage, ob man jetzt einige Monate
früher oder später in Pension gehen kann, ein viel geringeres
Problem als die grundsätzliche Frage des Pensionssystems.“ Was die
Situation der älteren Arbeitnehmer betrifft, so stelle das Regierungsprogramm
mit dem geplanten neuen Abfertigungsmodell für ihn "einen Meilenstein
für die Arbeitnehmerseite und für Ältere dar". Dieses Modell
sieht bei Selbstkündigung eine Mitnahme des Abfertigungsanspruchs
in eine Pensionskasse vor. Bei Kündigung durch Arbeitgeber oder einer
einvernehmlichen Trennung kann man zwischen einer Einmalabfindung oder
einer monatlichen Zusatzpension aus einer Pensionskasse wählen, in
die der Arbeitgeber den für die Abfertigungsvorsorge vorgesehenen
Betrag einbezahlt.
Mehr Staat oder weniger
Unbestritten ist, dass der Anteil der älteren Menschen an der Gesamtbevölkerung
in den nächsten Jahrzehnten steigen wird. Die daraus für die
Altersvorsorge gezogenen Schlüsse sind jedoch äußerst unterschiedlich
und zumeist eher ideologisch als wissenschaftlich begründet. Konjunktur
haben derzeit jene Auffassungen, die den baldigen Untergang des staatlichen
Pensionssystems prognostizieren und die Lösung in der Förderung
der privaten Altersvorsorge sehen; in die Defensive geraten sind jene,
welche weiterhin auf die öffentliche Pensionsvorsorge setzen.
Das derzeitige staatliche Umlageverfahren sei in Zukunft nicht mehr
finanzierbar, meinen die einen: Die Beiträge der Erwerbstätigen
reichten nicht mehr aus, um die zunehmende Zahl von PensionistInnen zu
ernähren. Abhilfe könnte das so genannte Kapitaldeckungsverfahren
schaffen: Dieses in der privaten Altersvorsorge bereits praktizierte Prinzip
sieht vor, dass man sich seine eigene Pension selbst durch Beiträge
während des Erwerblebens anspart. Seit Beginn dieses Jahres wird diese
Möglichkeit in Österreich steuerlich stark begünstigt.
Produktivitätssteigerung garantiert Finanzierbarkeit
Zu einem gänzlich anderen Ergebnis kommt eine mit EU-Mitteln durchgeführte
Studie mit dem Titel „Aging Anxiety: Much Ado About Nothing?“, in welcher
die langfristige Finanzierbarkeit der derzeitigen Pensionssysteme in den
OECD-Ländern untersucht wird. Univ.-Prof. Dr. Georg Kirchsteiger
vom Institut für Wirtschaftswissenschaften der Universität Wien,
Mitautor der Untersuchung, erklärt im KORSO-Gespräch: „Das derzeitige
Pensionssystem wäre nur dann nicht mehr finanzierbar, wenn die Produktivität
drastisch fallen würde – das ist aber nicht zu erwarten.“ Seine
Argumentation: Als Ergebnis der Produktivitätssteigerungen sollten
auch in Zukunft die Bruttolöhne ansteigen; damit könnten die
Pensionsbeiträge ebenfalls angehoben werden. Damit die Nettolöhne
trotz steigender Pensionsbeiträge nicht sinken, sei, so Prof. Kirchsteiger,
bloß eine jährliche Produktivitätswachstumsrate zwischen
0,15 und 0,25 % notwendig. Da aber in den letzten Jahrzehnten Zuwachsraten
von jährlich ca. 2% zu verzeichnen waren, sei die Finanzierbarkeit
des Umlageverfahrens aus ökonomischer Sicht gesichert. Die dafür
notwendige Erhöhung der Pensionsbeiträge durchzusetzen, das sei
jedoch eine politische Entscheidung.
Eigeninteresse der Versicherungen
Angesichts dieser Ergebnisse verwundert es, dass die Bundesregierung
so stark auf private Vorsorge durch das Kapitaldeckungsverfahren setzt
– noch dazu, wo die Verwaltungskosten der privaten Vorsorger, wie Wörister
betont, wegen der hohen PR-Kosten mit 10 bis 25% um ein Vielfaches höher
liegen als die der öffentlichen Pensionskassen, die mit ca. 4% auskommen.
Kirchsteiger vermutet hinter der einseitig geführten Debatte „unwissenschaftlich
gesagt, ein Eigeninteresse der Versicherungen.“ Zudem werde mit der Einführung
des Kapitaldeckungsverfahrens die Pensionsvorsorge zu einem rein privaten
Problem und die Politik damit ihrer Verantwortung für diesen gesellschaftlichen
Bereich enthoben.
Eines ist jedenfalls klar: Auch die private Vorsorge via Pensionsfonds
ist keineswegs krisensicher. Bei sinkenden Erwerbstätigen- und steigenden
Pensionistenzahlen sinkt die Kapitalnachfrage – und damit die Rendite der
Fonds. Die steigende Lebenserwartung hat ebenfalls einen pensionsmindernden
Effekt. Kirchsteiger: „Wenn die Pension über einen längeren Zeitraum
ausbezahlt werden muss, so wird sich auch bei der privaten Vorsorge die
Auszahlung der monatlichen Rendite verringern.“
Joachim Hainzl
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