|
Korso: In der letzten Zeit ist wieder eine lebhafte Diskussion
über die Landtage im Gange. Dabei werden, wie etwa vom Rechnungshofpräsident
Fiedler, vor allem mögliche ökonomische Einsparungsmodelle und
weniger um demokratiepolitische Überlegungen angeführt. Und für
den steirischen Landesrat Hirschmann sind die Landtage gar Geldvernichtungsmaschinen.
Polaschek: Ich bin froh über die Aussage des Rechnungshofpräsidenten.
Denn es gibt überall Sparpakete, nur nicht im Bereich der Politik.
Dabei verdienen die 448 Landtagsabgeordneten einigermaßen viel aber
sie haben praktisch keine Kompetenzen. Man kann daher kaum erwarten, dass
jene, die am Trog sitzen, sich Gedanken für Reformen machen. Selbst
für einen eingefleischten Förderalisten wie es Univ. Prof. Pernthaler
ist, gibt es in Österreich nur mehr einen Scheinföderalismus.
Meiner Ansicht nach gibt es derzeit für das Volk keine Möglichkeiten,
in dieser Struktur seinen Willen zu verwirklichen. Das Problem ist daher
nicht die Verfassung oder der Landtag als solcher sondern die politische
Klasse.
Korso: Wie könnte man den Föderalismus beleben?
Polaschek: Eine Idee ist die Stärkung der Länderebene
und dass man den Landtagen mehr Kompetenzen gibt. Doch Erfahrungen zeigen,
dass eine Dezentralisation auf Gesetzesebene keine Vorteile bringt. So
gibt es etwa in Österreich in jedem Bundesland ein eigenes Naturschutzgesetz
oder Baugesetz. Das führt dann etwa dazu, dass der gleiche Hund auf
der einen Seite des Semmerings einen Maulkorb tragen muss, auf der anderen
Seite jedoch nicht. Das gleiche Fertigteilhaus ist nicht in allen Bundesländern
gleich aufzustellen. Es geht sogar so weit, dass es je nach Bundesland
unterschiedliche Vorgaben für Stiegengeländerbreiten gibt.
Die Länder sind jedoch wichtig als Identitätsfaktor und für
das demokratische Empfinden. Ein Vorschlag für mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten
der Länder wäre daher ein sogenannter Generallandtag. Es gibt
bereits mehrere Ideen dazu, wobei es sich bei den meisten Wortmeldungen
diesbezüglich eher um Worthülsen ohne konkretere Vorstellungen
handelt.
Korso: Von Ihnen wurde dazu ein ausführliches Modell ausgearbeitet.
Polaschek: Ja. Danach sollte die Anzahl der Landtagsabgeordneten
in allen Bundesländern um die Hälfte reduziert werden (zB Steiermark:
28 statt derzeit 56 Abgeordnete). Da Wien sehr viele Abgeordnete besitzt,
sollte es hier eine Reduzierung auf etwa ein Viertel geben.
Korso: Für viele ist die Senkung der Abgeordnetenzahl jedoch
eine demokratiefeindliche Entscheidung, da es vor allem für kleinere
Parteien noch schwieriger werden würde, Mitbestimmungsmöglichkeiten
zu haben.
Polaschek: Demokratie hängt nicht mit der Abgeordnetenzahl
zusammen. So gibt es etwa in den Bundesstaaten der USA verschiedenste Modelle.
Während etwa Californien mit seinen 32 Millionen Einwohnern viel weniger
Abgeordnete als Österreich besitzt, ist das Repräsentantenhaus
des keinen Bundestaates New Hampshire mit seinen 400 Personen die drittgrößte
politische Versammlung im englischsprachigen Raum.
Es ist sicher richtig, dass Kleinparteien unter der Senkung der Abgeordnetenzahl
mehr leiden würden als große. Aber auch jetzt haben Kleinparteien
im Landtag kaum Einflußmöglichkeiten. Um daher die direkte Demokratie
und die Partizipationsmöglichkeiten zu fördern, trete ich daher
für einen sogenannten „Bürgersonntag“ ein.
Korso: Was ist darunter zu verstehen?
Polaschek: Es handelt sich dabei um die beschränkte Einführung
der direkten Abstimmung über Gesetzesvorschläge durch das Volk,
wie sie in unterschiedlichen Formen bereits in der Schweiz oder Bayern
existiert. Auf diesem Weg hätten alle im Landtag vertretenen Parteien,
also auch die Kleinparteien, die Möglichkeit, Gesetzesbeschlüse
erreichen zu können, ohne Koalitionen oder vorschnelle Kompromisse
finden zu müssen.
Korso: Was würde bei der Installierung des Generallandtags
mit dem Bundesrat geschehen?
Polaschek: Der neu zu installierende Generallandtag sollte in
etwa gleiche weitreichende Kompetenzen wie der derzeit bestehende Bundesrat
haben, der dann überflüssig wäre. Bereits seine Gründung
nach der Verfassung von 1920 war ein Kompromiß zwischen Christlich-Sozialen
und Sozialdemokraten. Obwohl der Bundesrat inzwischen reformiert worden
ist und bei Gesetzen mit Länderbezug gegenüber dem Nationalrat
ein Einspruchsrecht hätte, wird dieses in der Praxis jedoch kaum genutzt.
Der Bundesrat, in den als Bundesräte vom Landtag entsandte Landtagsabgeordnete
sitzen ist vielmehr ein Trainingslager für zukünftige Nationalratskandidaten
oder ein Ausgedinge für ehemalige NRAbg.
Korso: Welche Kompetenzen sollte dieser neue Generallandtag besitzen?
Polaschek: Er sollte als starkes Gegengewicht zum Nationalrat
existieren und etwa Gesetze vorbereiten, die dann vom Nationalrat nur mehr
abgesegnet werden müssen. Dann wäre auch eine leichte Senkung
der Abgeordnetenanzahl im Nationalrat möglich. Ansonsten ist die Frage
um den Kompetenzbereich ein Nullsummenspiel. Ob gewisse Materien vom Nationalrat
oder Generallandtag beschlossen werden sollten, ist Geschmackssache.
Eine internationale Studie hat belegt, dass es außer gewissen Kernkompetenzen
keine klare Zuordnung gibt, ob Entscheidungen von der Zentralgewalt oder
anderen getroffen werden sollen. Sogar der Bereich der Landesverteidigung
zählt dazu.
Korso: Wer sollte diesen Generallandtag leiten?
Polaschek: Der Bundespräsident sollte hier den Vorsitz
als Aufsichtsorgan ohne Stimmrecht übernehmen. Landtagspräsidenten
sind überflüssig. Die Installation von mehreren Landtagspräsidenten
hat ja auch nur mit dem gegenseitigen Mißtrauen der Parteien zu tun
und nicht mit der Unmenge an anfallender Arbeit. Denn eigentlich geht es
nur um die Moderation der Landtagssitzungen.
Korso: Es gibt jedoch Themen, die tatsächlich nur für
ein Bundesland relevant sind.
Polaschek: Ja, dazu zählen etwa die Landesverfassung, das
Gemeinderecht oder Kulturangelegenheiten. Daher sollen dafür neben
den durch die Bevölkerung gewählten Abgeordneten für den
Generallandtag auch noch zusätzliche Abgeordnete für diese Aufgaben
mit starker Kontrollfunktion gewählt werden können. Wobei die
Bevölkerung in einer Volksabstimmung etwa alle 5-10 Jahre darüber
abstimmen kann, wie viele Abgeordnete sie für diese Aufgaben benötigt.
Man könnte für diese Abgeordnetenenwahl auch eine für Kleinparteien
günstige Wahlordnung schaffen. Damit sollen mehr Möglichkeiten
für eine direkte Demokratie geschaffen werden.
Zudem ist es auch möglich, etwa bei einem dann einheitlichen Naturschutzgesetz
sehr wohl regionale Differenzierungen hinein zu nehmen.
Korso: Welche Funktionen hätte bei einem Generallandtag
dann überhaupt noch eine steirische Landesregierung?
Polaschek: Derzeit entscheidet die Landesregierung ja großteils
über äußerst unwichtige Dinge, wie etwa Gemeindestraßengenehmigungen
und Ähnlichem. Ihre Mitglieder können zwar leicht etwas verhindern,
jedoch gibt es wenig Gestaltungsmöglichkeiten in der Landesregierung.
Durch das derzeitige Proporzsystem in der Landesregierung ist diese eng
verbunden mit der überwiegenden Mehrheit im Landtag. In meinem Modell
sollte die Landesregierung sich dann wichtigeren Aufgaben widmen können
und zugleich der Landesparlamentarismus aufgewertet werden. Und um sie
von den parteibestimmten Wahlen der Abgeordneten zum Generallandtag abzuheben,
sollten die Mitglieder der Landesregierung in einem eigenen Wahlgang direkt
gewählt werden und dadurch auch das derzeitige Proporzsystem aufgehoben
werden.
Korso: Apropos Parteibestimmt. Wieso sollte in einem Generallandtag
die Zusammenarbeit der Länder untereinander bzw. der Abgeordneten
eines Bundeslandes über die Parteigrenzen hinweg besser funktionieren
als etwa im derzeitigen Bundesrat?
Polaschek: Es stimmt, dass man derzeit im Landtag beim Vorschlag
einer Partei die andren gegen sich hat. Man muss daher die Politiker dazu
bringen, mehr in Länder- und weniger in Pateiinteressen zu denken.
Wenn jedoch im Generallandtag die Abgeordneten auch nach einem Parteiklubzwang
abstimmen, dann ist das für die Bürger in den Bundesländern
ersichtlich und sie werden bei der nächsten Wahl ihre Meinung dazu
ausdrücken. Außerdem ist es auch möglich, dass man die
Abgeordneten nicht nach einem Listenwahlrecht wählt.
Korso: Gibt es noch andere Ideen, um die Parteiinteressen hinanzustellen?
Polaschek: Es ist ja auch schon heute so, dass Landesbeamte
sich Entwürfe für Gesetze in anderen Bundesländern besorgen,
auch parteiübergreifend. Doch sie tun es unter der Hand, weil eben
niemand zugeben möchte, dass man die Idee einer anderen Partei in
einem anderen Bundesland für gut befindet. Man könnte daher etwa
die Ausschüsse regional teilen. So wären etwa Verkehrsbelange
besser gestaltbar. Derzeit ist es ja, wie das Beispiel Semmeringtunnel
zeigt, leicht, einem Kompromiß aus dem Weg zu gehen. In einem Generallandtagsausschuß
würden dann etwa für eine Regelung des Verkehrsraumes Wien-Niederösterreich
alle an einem Tisch sitzen.
Man könnte zudem Länderweise wählen oder abstimmen oder
im Generallandtag nach Bundesländerzugehörigkeit aufgeteilt Platz
nehmen.
Korso: Wäre der deutsche Bundesrat dafür ein gutes
Beispiel?
Polaschek: Der deutsche Bundesrat funktioniert recht gut. Jedoch
besteht dieser aus Länderregierungsvertretern und nicht Länderabgeordneten,
was wiederum Parteiintersen begünstigt. Zudem muss jedes Bundesland
mit einer Stimme abstimmen. Was dieses ungesplittete Abstimmen betrifft,
bin ich eher skeptisch.
Korso: Von einigen wie etwa Landesrat Hirschmann (ÖVP) wird
die Idee eines schlankeren Landtags in einem Atemzug mit der Bildung von
drei Großregionen genannt. Sind auch Sie für die Bildung von
drei Großregionen statt neun Bundesländern?
Polaschek: Meiner Ansicht nach bringt etwa eine Großregion
Süd nichts. Man kann zwar zwei Landtage abschaffen, aber man benötigt
den gleichen Verwaltungsaufwand. Ich bin absolut dagegen, da sich dadurch
nichts verändert. Man hat dann eben drei statt neun Blöcken.
Damit würde man den Bundesländern wieder keine Möglichkeit
schaffen, mit anderen Bundesländern zu reden. Hier ist der Generallandtag
daher geeigneter: man kann sich mal mit diesen, mal mit jenen Bundesländern
finden, je nach Sachbereich. Etwa bei Spitalsbauten, die man dann regionsbezogen
planen kann.
Korso: Wie schätzen Sie die Chancen einer Verwirklichung
des Modells eines Generalandtages ein?
Polaschek: Als äußerst gering. Es ist eigentlich
nur eine theoretische Diskussion, da zuviele an ihren Ämtern hängen
und niemand etwas hergeben will. |