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Vorwort
Die vorliegende Publikation gibt die teilweise erweiterten und aktualisierten
Referate des vom Institut für Föderalismusforschung gemeinsam
mit dem Präsidenten des Salzburger Landtages am 27. Oktober 1999 in
der Salzburger Residenz veranstalteten Seminars zum Thema „Die Landesparlamente
als Ausdruck der Identität der Länder“ wieder.
Die föderalistische Gliederung Österreichs und die Funktionen
der Landtage im Rahmen der europäischen Integration sind neuerdings
in Diskussion geraten. Die Reformvorstellungen stehen den Landtagen und
ihren Aufgaben überwiegend kritisch gegenüber; sie wollen entweder
mehrere Länder zu neuen „Großregionen“ zusammenfassen oder überhaupt
alle Landtage in einen österreichischen „Generallandtag“ integrieren.
Demgegenüber vertreten die in diesem Sammelband vereinigten Referate
durchwegs die Auffassung, dass die bestehenden Landtage auch im veränderten
europäischen Umfeld ihre wesentlichen Funktionen behalten könnten
und weiterhin unverzichtbare Aufgaben der Repräsentation und Gesetzgebung
im Rahmen des bestehenden österreichischen föderalistischen Systems
ausüben können.
Die Landtage können auch im Rahmen der europäischen Integration
die leitenden Richtlinien für europäische Vorhaben in Landeskompetenzen
erstatten; die Bundes- und Landesregierungen sollten an diese Richtlinien
gebunden sein. Auch in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der
europäischen Regionen müssten die Landtage insbesondere durch
gemeinsame Landtagssitzungen mitwirken.
Schwergewichtig sollten die Landesparlamente im Rahmen der Verwaltung
mitwirken. Ein neuer wichtiger Aufgabenbereich eröffnet sich für
die Landtage im Rahmen der Verwaltungsreform und der neuen Handlungsformen
der Verwaltung, wie Management, Mediation, Programmierung und Controlling.
Hier müssten die Landtage neue Funktionen der politischen Kontrolle
übernehmen, weil die klassische Rechtskontrolle hier häufig versagt.
Die parlamentarische Kontrolle der Landtage muss freilich auch entsprechend
den neuen Entwicklungen der Verwaltung „nachgerüstet“ werden. Vorbild
könnten die alten angelsächsischen Parlamente sein, die schon
immer intensiv mit Gesellschaft und Öffentlichkeit zusammen-arbeiteten.
So wären etwa die in Österreich bisher wenig entwickelten Instrumente
der öffentlichen Anhörung, öffentliche parlamentarische
Ausschüsse mit Beteiligung von Fachleuten, die Zusammenarbeit des
Parlaments mit öffentlichen Anwälten, die Informationsverpflichtungen
von Verwaltungsstellen und ausgegliederten öffentlichen Einrichtungen
und Unternehmen gegenüber dem Landtag zu verstärken.
Voraussetzung für eine effiziente politische Kontrolle durch den
Landtag wäre aber dessen frühzeitige und umfassende Information
über alle Verwaltungsvorhaben und Gesetzesprojekte, woran es bis jetzt
- nach allen empirischen Untersuchungen - völlig mangelt. Diesbezüglich
ist auch ein Umdenken der Politik und der Verwaltung notwendig, um den
Standard der modernen Informationsgesellschaft in allen Sektoren des politischen
Prozesses und der öffentlichen Verwaltung zu erreichen.
Allerdings bedeutet dies auch eine gewaltige Steigerung und fachliche
Spezialisierung der zu kontrollierenden Informationen, für deren Verarbeitung
der Landtag in seiner gegenwärtigen Struktur kaum geeignet wäre.
Notwendig sind daher auch Maßnahmen der inneren Parlamentsreform
auf Landesebene.
Insbesondere müsste die Repräsentationsfunktion der Abgeordneten
im Landtag modernisiert und stärker spezialisiert werden, um den heutigen
Erfordernissen zu entsprechen. Abgeordnete müssen also nicht nur -
wie bisher - die allgemeinen regionalen Beziehungen zu ihren Wählern
aufbauen und pflegen, sondern gezielt auch spezielle Kontakte zu ihnen
nahestehenden Bürgerbewegungen, Interessengruppen, Gemeinden und Verwaltungsabteilungen
verstärken, um laufend „Antworten“ aus dem Volk und der Verwaltung
zu erhalten. Man nennt diese Grundstruktur der modernen kommunikativen
Demokratie „Responsive Government“.
Jeder Abgeordnete muss also sein eigener „Öffentlichkeitsbeauftragter“
sein, wobei gleichzeitig natürlich auch der Landtag als solcher diese
Funktion verstärken müsste. Die Außenorientierung der Repräsentation
- und ihrer einzelnen Funktionen - soll also zum primären Lebenselement
der Landtagsarbeit werden, die auch eine gewisse Arbeitsteilung und Spezialisierung
erfordert, um in der heutigen Medienwelt erfolgreich zu sein. So braucht
es etwa spezielle Abgeordnete nicht nur für die einzelnen Fachbereiche
der Verwaltung, sondern auch für die europäische Integration,
die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die Bundesstaatsreform, die
Verwaltungsreform uva.
Nur auf diesem Weg kann es gelingen, die uralte parlamentarische Funktion
der „Deliberation“, dh der Erörterung, Erwägung und Beratung
im Landtag zeitgemäß unter Einschluss der Öffentlichkeit
wiederzubeleben und nicht den Eindruck, kompetenz- und einflussloser Diskutierveranstaltungen
zu erwecken.
Nur wenn hinter den Beschlüssen des Landtages diese breite gesellschaftliche
Verankerung steht und diese auch medial entsprechend mobilisiert werden
kann, werden sie entsprechendes Gewicht haben, auch wenn die formelle Kompetenz
zur Gesetzgebung oder Entscheidung fehlt. |