02 / 2001
  Hans Sallmutter, österreichischer Vorsitzender der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA)

KORSO: Sie fordern von Unternehmen eine attraktivere Gestaltung von Arbeitsplätzen. Welche Erfahrungen gibt es von Seiten der GPA mit der Situation von Beschäftigten in der Branche?
Sallmutter: Die größten Spannungsfelder liegen hier sicher im Bereich der Arbeitszeiten. Überstunden und maximale Flexibilitätsanforderungen sind diesbezüglich sicher die wichtigsten Stichworte. Analog dazu sind die diesbezüglichen Punkte auch die Kerninhalte im neuen IT-Kollektivvertrag. Die Regelung der Normalarbeitszeiten bzw. der Überstunden sowie ein äußerst flexibles Gleitzeitmodell, berücksichtigen die Bedürfnisse der ArbeitnehmerInnen und werden gleichzeitig den besonderen Anforderungen dieser Branche bestens gerecht.

KORSO: Besteht überhaupt ein derart großer Bedarf an IT-Fachkräften bzw. sind Unternehmen überhaupt bereit, hoch Qualifizierte auch zu beschäftigen und entsprechend zu entlohnen?
Sallmutter: Es gibt die unterschiedlichsten Schätzungen darüber, wie groß die angesprochene Lücke am Arbeitsmarkt ist. Teilweise sind hier regelrechte Horrorszenarien kolportiert worden. Es ist wichtig den tatsächlichen Bedarf seriös zu ermitteln, vor allem auch was die bestehenden konkreten Qualifikationsanforderungen anlangt. Es stellt sich hier die Frage, ob es ausschließlich hoch qualifizierteste SpezialstInnen sind, die benötigt werden. Unbestritten ist aber, dass die Branche ihren Bedarf durch heimische Fachkräfte zurzeit nicht decken kann und auch der EU-weite Arbeitsmarkt hier nicht ausreichend Möglichkeit bietet. Als Notlösung sehe ich einen befristeten Zuzug von Nicht-EU-BürgerInnen daher als durchaus sinnvoll an. Wobei sich dahingehend natürlich eine Reihe von zu diskutierenden Punkten ergeben, etwa was die Konsequenzen für die Herkunftsländer dieser ArbeitnehmerInnen anlangt. Ausgeschlossen muss aber jedenfalls werden, dass die Unternehmen durch die Möglichkeit, ausländische ArbeitnehmerInnen hereinzuholen eine Chance sehen, um ihren Fachkräftebedarf auf kostengünstige Art und Weise decken zu können und sich ihrer Verpflichtung zu Aus- und Weiterbildung zu entledigen.

KORSO: Finden Sie, dass es im Aus- und Weiterbildungsbereich genügend Möglichkeiten gibt, um mittelfristig ausreichend eigene Fachkräfte ausbilden zu können?
Sallmutter: Es werden aus meiner Sicht dahingehend viel zu wenige Anstrengungen unternommen. Es bräuchte eine wirksame Aus- und Weiterbildungsoffensive, die vor allem auch die Unternehmer mehr in die Verantwortung nimmt. Gerade davon wird die Zukunftsfähigkeit der heimischen IT-Branche wesentlich abhängen. Aber auch seitens der Bundesregierung werden hier völlig verkehrte Signale ausgegeben: durch die Einführung von Studiengebühren oder Einsparungen im Schulbereich wird wichtiges Zukunftskapital sehr kurzsichtig aufs Spiel gesetzt

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